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Oder: Wann ist Vorbringen in der Berufungsinstanz „neu“?
Mit Beschluss vom 27.2.2018, Az. VIII ZR 90/17, hat der BGH – sehr bedeutsam für die Praxis konkretisiert, wie umfassend der sog. Schriftsatznachlass gemäß § 283 ZPO zu verstehen ist (vgl. auch den Blog-Beitrag: Berufungsgerichte weisen erstinstanzlich verspätetes Vorbringen oftmals zu Unrecht zurück).
Über den sog. Schriftsatznachlass hat das erstinstanzliche Gericht der durch spätes Vorbringen des Prozessgegners überraschten Partei rechtliches Gehör – dies ohne Vertagung oder Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung – zu gewähren, indem es dieser Partei auf deren Antrag Gelegenheit einräumt, binnen bestimmter Frist zu diesem Vorbringen Stellung zu nehmen.
Bezüglich des Umfangs der Gelegenheit zur Stellungnahme im vorbeschriebenen Sinne neigen die Instanzgerichte – wie der BGH jetzt einmal wieder aufgezeigt hat – zu einem zu engen Verständnis, das dahin geht, zulässigen Vortrag allein auf die Stellungnahme zur Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit des fraglichen Vorbringens zu beeschränken.
Der BGH hat klargestellt, dass das Recht zur Stellungnahme nicht unerheblich weiter geht:
So ist auch gänzlich neues Vorbringen zuzulassen, wenn und soweit es „als Reaktion auf das verspätete Vorbringen des Gegners erfolgt“.
Der BGH hat ausgeführt (vgl. Beschluss vom 27.2.2018, Rn. 24):
„§ 283 ZPO soll es einer Partei, die auf ein Vorbringen des Gegners nicht mehr rechtzeitig reagieren kann, ermöglichen, sich innerhalb einer bestimmten Frist hierzu zu erklären, es also – gegebenenfalls auch durch substanziierte Gegenbehauptungen – zu bestreiten, zuzugestehen oder ihm schließlich durch ein selbstständiges – gegebenenfalls auf neue tatsächliche Behauptungen gestütztes – Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegenzutreten.
Dies bedeutet:
Selbst gänzlich (!) neue Behauptungen können zuzulassen sein, wenn diese als „Reaktion“ auf das späte Vorbringen des Gegners zu würdigen sind.
Wenn das erstinstanzliche Gericht dies verkennt, und die fraglichen Behauptungen in seinem Urteil unter Berufung auf § 296a ZPO unberücksichtigt lässt, so handelt es sich um in der Berufungsinstanz nicht „neuen“ Vortrag, der ohne weiteres vom Berufungsgericht zu würdigen ist.
Aus diesem Urteil ist zu lernen, dass auch Obergerichte prozessuale Regeln immer wieder falsch anwenden. Also: Aufpassen!
AKTUELLE BEITRÄGE
Anfechtungsmöglichkeiten eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs
Zivilprozesse werden vielfach im Wege eines zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens geschlossenen Vergleichs beendet. Häufig geschieht dies mit Hilfe des Gerichts. Die Praxis zeigt, dass ein solcher Vergleichsschluss, trotz Beteiligung des Gerichts, durchaus Tücken in sich birgt. Nachfolgend möchte ich einen Überblick verschaffen.
Zur Befangenheit von Richtern im Zivilprozess: Wenn Richter Schriftsätze einer Partei nicht lesen, kann dies einen Befangenheitsantrag rechtfertigen!
Im Anschluss an meinen Überblicks-Beitrag zum Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO möchte ich über ein interessantes Urteil des OLG Karlsruhe berichten. Demnach kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter die von einer Partei eingereichten Schriftsätze nicht liest. Im betreffenden Fall hatte ein Richter einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag übersehen, da er den diesen enthaltenen Schriftsatz ungelesen an die Gegenpartei zur Stellungnahme weitergeleitet hatte. Dies verstößt gegen die sog. Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ab Stellung eines Befangenheitsantrags bis zu dessen Erledigung nur „unaufschiebbare Amtshandlungen“ zulässig sind.
BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung
In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners erschwert. In diesen Fällen kommt dann die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.
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