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Die ZPO-Reform 2019 – „klein“, aber beachtenswert – ist auf der Zielgeraden. Nachfolgend informiere ich überblicksmäßig über die sich aus dem Gesetzentwurf des Bundejustizministeriums ergebenen „Highlights“:
Highlight 1: „Strukturierung“ des Streitstoffes durch das Gericht
Die Gerichte sollen nach dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen ihrer prozessleitenden Funktion den Streitstoff „strukturieren“ bzw. „abschichten“. Diese Möglichkeit besteht schon jetzt, eine Klarstellung im Gesetz soll nun dazu führen, dass die Gerichte von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen.
139 Abs. ZPO soll künftig lauten:
„Das Gericht kann den Streitstoff strukturieren und abschichten.“
Highlight 2: Förderung der Hinzuziehung von Sachverständigen außerhalb von förmlichen Beweisaufnahmen
Wie schon hinsichtlich der „Strukturierung“ des Streitstoffes gilt auch hinsichtlich der künftig gewollten Hinzuziehung von Sachverständigen, dass dies auch schon heute möglich ist. Die geänderte Formulierung soll den Gerichten diese Möglichkeit stärker vor Augen führen in der gesetzgeberischen Hoffnung, dass hiervon künftig mehr Gebrauch gemacht wird.
144 Abs. 1 S. 1 ZPO soll künftig lauten:
„Das Gericht kann die Einnahme des Augenscheins sowie die Hinzuziehung von Sachverständigen anordnen.“
Diese – wie gesagt sachlich nicht neue – Regelung ist vor dem Hintergrund des für den Zivilprozess elementaren Beibringungsgrundsatzes höchst kritisch zu sehen:
Denn der Beibringungsgrundsatz besagt, dass allein die Parteien den Streitstoff gegenüber dem Gericht aufzubereiten haben. Durch die vom Gesetzgeber gewünschte „Hinzuziehung“ von Sachverständigen kommt es im Ergebnis zu einer Sachverhaltsermittlung durch das Gericht. Hinzu kommt, dass der gegebenenfalls hinzugezogene Sachverständige nicht mehr an von den Parteien gestellte Beweisfragen gebunden ist. So nimmt der Sachverständige zwangsläufig auf den Prozess Einfluss, ohne dass dies von den Parteien als eigentliche „Herren“ des Prozesses gesteuert ist.
Ein weiterer sehr kritisch zu sehender Nebeneffekt einer gerichtlichen Hinzuziehung von Sachverständigen sind die dadurch entstehenden unkalkulierbaren Kosten. Fragwürdig erscheint bereits, dass das Gericht durch diese Möglichkeit selbst über die Entstehung von Kosten entscheiden kann, die am Ende von den Parteien als Auslagen des Gerichts zu tragen sind. Zudem: Die Partei, die sich für eine Klage bzw. für eine Verteidigung gegen eine Klage entscheidet, kann nicht mehr die voraussichtlichen Kosten kalkulieren.
Highlight 3: Effizienzsteigerung mittels diverser Verfahrensvereinfachungen – insbesondere: Vereinfachung des Procederes bei einem gerichtlichen Vergleich
Die Anpassung diverser Regelungen soll der „Effizienzsteigerung“ dienen. Insbesondere zu nennen ist eine Vereinfachung hinsichtlich des gerichtlichen Vergleichsschlusses:
Bislang erfordert das Gesetz für den wirksamen Abschluss eines vom Gericht protokollierten Vergleichs, dass beide Parteien eine gerichtlich vorgeschlagenen Vergleich mittels Schriftsatz annehmen.
Künftig soll das Einverständnis mit einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag auch zu Protokoll im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt werden können.
278 Abs. 6 S.1 ZPO soll künftig lauten:
„Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.“
Highlight 4: Dauerhafte Wertgrenze von 20.000 Euro für Nichtzulassungsbeschwerde
Künftig soll die bislang mehrfach befristet normierte Wertgrenze für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde dauerhaft auf 20.000 Euro festgesetzt werden. Ausgenommen bleiben als unzulässig verworfene Berufungen.
544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO soll künftig lauten:
„(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
1. der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro übersteigt oder (…)“
Gerechtfertigt wird die Wertgrenze damit, dass nur so der BGH „seinen Aufgaben dauerhaft nachkommen“ könne.
Highlight 5: „Automatische“ Klagerücknahme, soweit die Anspruchsbegründung im streitigen Verfahren hinter dem Mahnantrag zurückbleibt
In der Praxis kommt es häufiger vor, dass der Antrag in der Anspruchsbegründung hinter dem Mahnantrag des vorangegangenen Mahnverfahrens zurückbleibt. In diesen Fällen soll künftig prozessual automatisch eine entsprechende Klagerücknahme anzunehmen sein.
Highlight 6: Schaffung weiterer obligatorischer Spezialkammern
Bereits in 2017 sind im Rahmen der Reform des Bauvertragsrechts Spezialkammern für Verfahren in Bau-, Arzthaftungs-, Bank- und Versicherungssachen eingeführt worden.
Mit der ZPO-Reform 2019 sollen Spezialkammern auch für Verfahren in den Bereichen Kommunikations- und die Informationstechnologie, Erbrecht, Insolvenzrecht (inkl. Anfechtungsrecht) sowie Pressesachen eingeführt werden.
Highlight 7: ZPO-Reform 2019 enthält Absichtsbekundung des Gesetzgebers hinsichtlich einer Reform der Kammern für Handelssachen
Last but not least enthält der Gesetzentwurf für die ZPO-Reform 2019 die Absichtserklärung, dass zum Zwecke der Stärkung der Attraktivität des Justizstandortes Deutschland die Kammern für Handelssachen reformiert werden soll. Wegen seiner besonderen Bedeutung soll dieses Vorhaben einem eigenständigen Gesetzgebungsverfahren vorbehalten sein.
Fazit zur ZPO-Reform 2019
Beabsichtigte „Effizienzsteigerungen“, z.B. durch eine Vereinfachung der Möglichkeit eines gerichtlichen Vergleichsschlusses, erscheinen begrüßenswert, soweit diese im Sinne der Parteien beschleunigend und vereinfachend wirken.
Im Übrigen aber sind die im Gesetzentwurf zu Tage tretenden gesetzgeberischen Motive höchst kritisch zu sehen, da es dem Gesetzgeber bei vielen Regelungen – zu Lasten der Parteien, denen doch die Gerichtsbarkeit dienen soll – in erster Linie darum geht, die Gerichte zu entlasten. Hierbei nimmt der Gesetzgeber sogar eine erhebliche Aufweichung der Grundprinzipien des Zivilprozesses in Kauf, in dem er den Gerichten zunehmend die eigentlich allein den Parteien zugewiesenen Aufgaben überträgt. Dies führt früher oder später hin zu einer Amtsermittlung der Zivilgerichte.
Lesen Sie im Übrigen auch meinen Beitrag zu bislang wenig beachteten Neuerungen der ZPO im Bereich des Sachverständigenrechts.
AKTUELLE BEITRÄGE
Klage aus dem Ausland – Zustellung wirksam?
Verklagt zu werden, ist immer unerfreulich. Hat man es allerdings mit einer Klage aus dem Ausland zu tun, ist das Ärgernis aus diversen Gründen erheblich größer, nur beispielhaft sei auf die oft erheblichen Kosten hingewiesen. Die erste Frage, die Sie aufwerfen sollten, wenn Sie in Ihrem Briefkasten eine Klage aus dem Ausland vorfinden, lautet: Ist Zustellung der Klage überhaupt wirksam? Oftmals ist dies nämlich nicht der Fall, was Ihnen diverse Vorteile bringt (z.B. Zeitgewinn, Möglichkeit eigener prozessualer Schritte etc.).
Prozessrecht: Der untätige Sachverständige
Der untätige Sachverständige bedeutet für Betroffene ein großes Dilemma. Der Gesetzgeber hat dies durchaus erkannt und hat mit einer Reform des Sachverständigenrechts mit Wirkung seit 15.10.2016 durchaus relevante Verschärfungen im Zivilprozessrecht verankert.
Beweiswert von Privatgutachten
Der Beweiswert von Privatgtuachten kommt dem gerichtlicher Sachverständigengutchten sehr nahe. Die Praxis wird dem oft nicht gerecht: So tendieren viele Gerichte dazu, Privatgutachten, d.h. außerhalb des Prozesses beauftragte Gutachten, als lästig zu empfinden. Diese zumeist als parteiisch „abgestempelten“ Gutachten werden deshalb in den meisten Fällen gegenüber gerichtlich beauftragten Gutachten als geringwertiger eingestuft und im Urteil mit floskelartiger Begründung herabgewürdigt. Dieses in der Praxis verbreitete Vorgehen ist allerdings von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gedeckt! Tatsächlich kommen von den Parteien beigebrachten Gutachten eine wichtige Bedeutung für den verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutz der Parteien zu. Nur so lassen sich nämlich – nicht seltene – Fehler in Gerichtsgutachten lückenlos aufdecken.
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