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Die Beantwortung der Frage, ob ein wesentlicher Mangel vorliegt, bereitet gerade im oft sehr komplexen Anlagenbau große Schwierigkeiten. Dabei stellt das Fehlen wesentlicher Mängel die entscheidende Voraussetzung für die Abnahme dar. Letztere hat erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung: So knüpft hieran regelmäßig der Beginn der Gewährleistungsfristen an. Zudem hängt von der Abnahme in aller Regel die Fälligkeit eines erheblichen Teils der vereinbarten Vergütung ab.
Mit den Kriterien, die bei Beurteilung der Frage, ob ein wesentlicher Mangel anzunehmen ist, vor allem bedeutsam sind, befasst sich der nachfolgende Beitrag.
Allgemeine Definition: Wesentlicher Mangel
Grundsätzlich liegt ein wesentlicher Mangel vor, wenn ein Mangel nach seiner Art und seinem Umfang, vor allem aber nach seinen Auswirkungen so gravierend ist, dass es dem Auftraggeber unter Beachtung objektiver Gesichtspunkte im Verhältnis zu dem nach dem Vertragszweck vorausgesetzten Gebrauch und dem erreichten Erfolg nicht zugemutet werden kann, letztlich auf Gewährleistungsansprüche verwiesen zu sein.
Frage: Ist Verweis auf Mängelrechte zumutbar?
Insbesondere im Anlagenbau zeigt sich, dass eine vollständige Mangelfreiheit im vereinbarten Abnahmezeitpunkt nicht erzielt werden kann. Demgemäß ist die Wesentlichkeit eines Mangels gerade im Großanlagenbau weniger schnell erreicht, als bei einem weniger komplexen Werk.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Auftraggeber die Abnahme wegen wesentlicher Mängel verweigern darf, sind stets die Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Neben der Frage, ob dem Auftraggeber der Verweis auf die Mängelrechte zumutbar erscheint, sollte dabei auch der Frage nachgegangen werden, ob es ein Mangel rechtfertigt, dem Auftragnehmer alle Vorteile der Abnahme zu verweigern.
Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit und Sicherheitsmängel sind meist als wesentlicher Mangel zu werten
Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit und Sicherheitsmängel sind in aller Regel als wesentlich zu betrachten.
Hier können ggf. bereits „kleinere“ Abweichungen einen wesentlichen Mangel bedeuten. So hat z.B. des OLG Düsseldorf (BauR 2004, 1668) geurteilt, dass im Bereich Schallschutz bereits eine negative Abweichung um 3dB ausreichen kann, um einen wesentlichen Mangel zu begründen.
Bei der Gebrauchsfähigkeit des gelieferten Werks ist zu berücksichtigen, dass deren Beeinträchtigung umso höher – und damit umso eher als wesentlicher Mangel – bewertet werden muss, sofern zugesicherte Eigenschaften nicht erfüllt sind, denn der Auftraggeber hat diesen eine besondere Bedeutung zugemessen.
Anzahl vorhandener Mängel bedeutsam?
Auch wenn allein aus der bloßen Anzahl von Mängeln noch nicht automatisch geschlossen werden kann, dass die Leistung nicht abnahmefähig ist, so kann sich aus der Summe von für sich gesehen unwesentlichen Mängeln durchaus ein Recht zur Abnahmeverweigerung ergeben. Insofern können im Einzelfall mehrere kleine Mängel aufsummiert im Ergebnis einem wesentlichen Mangel gleichzustellen sein.
Höhe der Mangelbeseitigungskosten
Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit sind schließlich auch die (gesamten) Mangelbeseitigungskosten zu berücksichtigen.
Je höher die Gesamtkosten für die Beseitigung vorhandener Mängel sind, desto eher dürfte das Kriterium der Wesentlichkeit erfüllt sein.
Fazit: Wesentlicher Mangel
Obige Darstellung zeigt, dass die Frage, ob ein wesentlicher Mangel vorliegt, in weiten Teilen eine Wertungsfrage darstellt. Als hilfreich hat sich in der Praxis immer wieder die Beantwortung der Frage erwiesen, ob es der fragliche Mangel gerechtfertigt erscheinen lässt, dem Auftragnehmer die wesentlichen Rechtsfolgen der Abnahme zu verweigern.
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