LEGAL+

LEGAL+ NEWS

Was machen sog. Mediaagenturen? - Eine Analyse der im Mediageschäft üblichen Vertragsverhältnisse.

Das Vertragsverhältnis zwischen Mediaagenturen und Werbekunden wird schon lange kontrovers diskutiert. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Mediaagenturen auf einer eigenen Wirtschaftsstufe stehen oder aber als Geschäftsbesorger der Werbekunden zu qualifizieren sind. Prominentester Fall, der hierzu geführt hatte, ist Alexander Ruzicka, der zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden war, weil  er zu Lasten der Mediaagentur (und damit letztlich auch zu Lasten der Werbekunden), deren Geschäftsführung er damals innehatte, von den Medien erhaltene Rabatte und sonstige Vergünstigungen in die eigene Tasche gewirtschaftet haben soll. Spätestens dieser pressewirksame Prozess hat die Praxis der Mediaagenturen insgesamt, insbesondere Umfang und Behandlung der Vergünstigungen („Kick backs“, Freespots etc.), die seitens der Medien gewährt wurden und werden,  zu einem großen Thema werden lassen. Diskutiert wird vor dem Hintergrund der auffälligen  Intransparenz des „Systems“  insbesondere darüber Art und Umfang der gewährten Rabatte sowie nicht zuletzt über die Frage, wem diese Rabatte zustehen.

Im Folgenden soll überblicksmäßig dargestellt werden, wie die im Mediageschäft existenten Vertragsverhältnisse zivilrechtlich zu beurteilen sind.

Social Media Influencer

Vorüberlegung zur Tätigkeit von Mediaagenturen

Hauptgegenstand des Vertragsverhältnisses Mediaagentur/Medien ist die Platzierung der Werbung der Werbekunden. Mithin erfolgt – jedenfalls rein tatsächlich – seitens der Mediaagenturen eine „Vermittlung“ von Werbung zwischen Werbungskunde und Medien. Mit Blick auf Vorstehendes, erscheint es jedenfalls denkbar, dass das Vertragsverhältnis Werbungskunde/Mediaagentur Einfluss hat auf das Vertragsverhältnis Mediaagentur/Medien. Es erscheint deshalb vorliegend sinnvoll, zunächst das Vertragsverhältnis zwischen den Mediaagenturen mit den Werbekunden zu betrachten:

Vertragsverhältnis Werbungskunde/Mediaagentur

Meinungsstand: Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 BGB versus „Eigene Wirtschaftsstufe“ (Eigenhändler)

Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 BGB

Mit Blick auf den Inhalt des Vertragsverhältnisses, nämlich Mediaeinkauf und Mediaabwicklung, Mediaplanung, Mediaberatung und Mediaanalyse, wird es herkömmlich dem Geschäftsbesorgungsrecht (§ 675 BGB) zugeordnet: Der Werbungskunde wirbt nicht selbst, sondern er lässt werben. Diese Tätigkeit entspricht der (noch) herrschenden Meinung zum Begriff der „Geschäftsbesorgung“ i.S.d. “ 675 BGB, wonach der Geschäftsbesorger gegenüber dem Geschäftsherrn dazu verpflichtet ist, eine selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen auszuführen (vgl. BGH Urteil vom 16.6.2016, Az. III ZR 282/14, NJW-RR 2016, 1391; Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 675, Rn. 3 ff. m.w.N).

Vorgenannter Definition entspricht bis heute die Tätigkeit der Mediaagenturen, die von den Mediaagenturen im Sinne vorgenannter Definition der herrschenden Meinung eigenständig – nämlich mangels abweichender Vereinbarung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung – jedenfalls auch in Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Werbungskunden durchgeführt wird (vgl. Martinek, Mediaagenturen und Mediarabatte, 2008, S. 27; ders. jM 2015, 6, 9 f., 13f.). Diese Einordnung wird auch im Gutachten des BGH Richters a.D. Dr. Gerhard Schäfer vom 31.1.2009  bestätigt.

Diese Geschäftsbesorgungsverträge sind – je nach inhaltlicher Ausgestaltung – dem Dienst- (§ 611 BGB) oder Werkvertragsrecht (§ 631 BGB) zuzuordnen. Ein Werkvertrag dürfte vorliegen, wen – erfolgsbezogen – eine Einzelmaßnahme Gegenstand des Vertrages ist, um einen Dienstvertrag dürfte es sich handeln, wenn es sich um einen rein zeitlich und/oder gegenständlich abgesteckten Vertrag handelt.

 „Eigene Wirtschaftsstufe“

Vorstehend dargestellter herrschenden Meinung steht die von den Mediaagenturen selbst vertretene und von nicht ungewichtigen Stimmen der Literatur (insb. Prof. Michael Martinek, aaO.) unterstützte Auffassung gegenüber, wonach die Vorschriften des Auftragsrechts, mithin auch das Geschäftsbesorgungsrecht, mit Blick auf die über Jahrzehnte herausgebildete Praxis des Mediaagenturgeschäfts zu einer „Entfremdung“ vom Leitbild des Geschäftsbesorgers geführt habe mit der Folge, dass das Geschäftsbesorgungsrecht unanwendbar bleiben solle. Diese Auffassung wird vor allem darauf gestützt, dass die Mediaagenturen mittlerweile eine „eigene Wirtschaftsstufe“ darstellen würden, mithin die Einordnung der Mediaagenturen als  „Mittler“ nicht mehr passend sei.

Diese Auffassung wird im Wesentlichen auf folgende Umstände der Mediageschäftspraxis gestützt:

  • Handeln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung: Unternehmerisches RisikoDie Mediaagenturen handeln, soweit nicht einzelvertraglich anders vereinbart, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Das bedeutet, dass sie auch das unternehmerische Risiko aus der Schaltung von Werbemaßnahmen in den Medien tragen wie beispielsweise Zahlung der Schaltkosten auch bei Insolvenz oder Zahlungsweigerung des Kunden. Ihrem Auftraggeber gegenüber haften sie für Fehler des Mediums, etwa bei nicht rechtzeitigem oder fehlerhaftem Abdruck der Anzeige.
  • Vergütungssystem: Angewiesen sein auf außertarifliche RabatteIn der Praxis verlangen die Werbekunden von den Mediaagenturen die Herausgabe bzw. die Weiterleitung der von den Medien erhaltenen Mediaprovision (Agenturvergütung, AE-Provision). Dies geschieht praktisch in der Regel mittels eines Verrechnungsvorgangs: Der Werbekunde vereinbart mit der Mediaagentur eine Vergütung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes vom Mediaschaltvolumen; der Prozentsatz liegt in der Realität zwischen 0,8 und 2,0%. Den Rest der 15%igen AE-Provision verwendet der Werbekunde zu einem Teil für die Vergütung der Kreativagentur (etwa 7%) und den verbleibenden Teil behält er selbst.Den Mediaagenturen verbleiben also von der ihnen medienseits gewährten Agenturvergütung nur ein kleiner Bruchteil. Sie sehen sich deshalb zur Erreichung ihrer kaufmännischen Ziele für ihr Unternehmen veranlasst, von den Medien für Zusatzleistungen oder auch für die Bündelung der Budgets mehrerer Kunden zusätzliches Einkommen in Form von außertariflichen Rabatten, Boni oder Vergütungen zu generieren.Aus vorgenannten Umständen, die im Tatsächlichen kaum angezweifelt werden können, wird zunehmend gefolgert, dass hier jedenfalls keine typische Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB gegeben sei. So stehe die eigene Vermittlungstätigkeit in Geschäft der Mediaagenturen heute eher im Hintergrund.

Würdigung

Wenn ein Dienstvertrag oder ein Werkvertrag eine „Geschäftsbesorgung“ zum Gegenstand hat, ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben (§ 675 Abs. 1 i.V. mit § 667 BGB). Hierin liegt die Relevanz des Meinungsstreites:

Die Auffassung, dass die Mediaagenturen als eigene Wirtschaftsstufe keine Geschäftsbesorgung mehr nach dem Leitbild des BGB betreiben, verdient Beachtung. Die Mediaagenturen betreiben zum wohl größeren Teil ein eigenes Geschäft auf eigener Wirtschaftsstufe. Das Betreiben dieses eigenen Geschäfts kann in der Tat als eine Notwendigkeit bezeichnet werden, die daraus resultiert, dass die Werbekunden regelmäßig mit Erfolg die Durchleitung der tariflichen Rabatte durchsetzen. Eigenes Einkommen können die Mediaagenturen vor diesem Hintergrund nur auf andere Weise, z.B. durch Aushandeln von kundenunabhängigen, nur ihnen gebührenden Rabatten, generieren.

Dennoch gilt gemäß dem bereits oben angeführten aktuellen Urteil des BGH vom 16.6.2016 (Az. III ZR 282/14, NJW-RR 2016, 1391), dass im Zweifel eine Weiterleitungspflicht anzunehmen ist, weil nach seiner Auffassung die Mediaagentur ein „typischer Geschäftsbesorger“ sei. Die Leitsätze des BGH lauten (NJW-RR 2016, 1391, beck-online):

1.Mediaagenturverträge sind ihrer Rechtsnatur nach regelmäßig als Geschäftsbesorgungsverträge zu qualifizieren, bei denen sich der eine Teil (Mediaagentur) zur Ausführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Wahrung fremder Vermögensinteressen (insbesondere Mediaplanung und -einkauf) und der andere Teil (werbungtreibender Kunde) zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet.

2.Tritt die Mediaagentur bei den Mediabuchungen im eigenen Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers auf, vereinnahmt sie zwar als Vertragspartnerin der Medien zunächst auch sämtliche Rabatte und sonstigen Vergünstigungen; wegen ihres Status als typische Geschäftsbesorgerin unterliegt sie jedoch den Auskunfts- und Herausgabepflichten nach §§ 666, 667 Alt. 2 BGB.

3.Der Umstand, dass ein Sondervorteil nicht unmittelbar an den Auftragnehmer, sondern an einen Dritten geleistet wird, schließt es nicht aus, dass der Auftragnehmer die Herausgabe schuldet. Entscheidend ist, ob eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Beauftragte als der wirtschaftliche Inhaber des Vermögenswerts anzusehen ist (im Anschluss an BGH, NJW 1987, 1380).

 Aus Leitsatz 3 ergibt sich, dass die Herausgabepflicht anhand der Umstände des Einzelfalles zu würdigen ist. Hiermit im Einklang hat das OLG München mit Urteil vom 23.12.2009 (Az. 7 U 3044/09) ausdrücklich festgestellt, dass die Weiterleitungspflicht (Herausgabepflicht) von Rabatten und Vergünstigungen individualvertraglich geregelt werden kann. Dies sollten die Parteien tun, um den oben beschriebenen Meinungsstreit zu umgehen.

Vertragsverhältnis Mediaagentur/Medien (Verlag)

Ausgangspunkt: Eigenständigkeit der Vertragsverhältnisse/Gestaltungsfreiheit

Aus obigen Ausführungen folgt, dass der Vertrag zwischen Mediaagentur und Medien (Verlage, TV-Sender etc.) unabhängig ist vom Vertrag zwischen Mediaagentur und Werbekunde. Eine vertragliche Verbindung besteht – von sog. Direktgeschäften abgesehen – nicht.

Mithin unterliegt der sog. „Werbedurchführungsvertrag“ bzw. „Mediaeinkaufsvertrag“ grundsätzlich der unbeschränkten vertraglichen Gestaltungsfreiheit der Parteien.

„Werbedurchführungsvertrag“/“Mediaeinkaufsvertrag“: Werk- oder Dienstvertrag

Soweit sich aus dem Einzelvertrag nichts anderes ergibt, gilt grundsätzlich Folgendes:

Früher wie heute sind „Werbedurchführungsverträge“ bzw. „Mediaeinkaufsverträge“ als Dienst- oder – wohl häufiger – Werkverträge i.S.d. §§ 611, 631 BGB ohne Geschäftsbesorgungscharakter einzuordnen:

Das Medium wird zur Schaltung der Werbung (= Erfolg), die Agentur zur Zahlung des Agenturnettos der Listenpreise verpflichtet.

Dass die Agenturen gegenüber den Medien diverse andere Aufgaben übernehmen (insb.: Beratungsaufgaben), gibt den Werbedurchführungsverträgen bzw. Mediaeinkaufsverträgen keinen Geschäftsbesorgungscharakter, da sich die Mediaagenturen, die stets diverse Medien einschalten, offenhalten, tätig zu werden. Mithin besteht grundsätzlich keine Tätigkeitspflicht.

Es handelt sich bei diesen Verträgen auch nicht um solche zugunsten eines Dritten i.S.d. § 328 BGB, da Ansprüche der Werbungskunden gerade nicht begründet werden.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass diese (meist) Werkverträge folgende Besonderheiten aufweisen:

  • (Traditionelle) Verpflichtung der Agenturen zur Preislistentreue über § 242 BGB
  • Pflicht der Agenturen zur Beachtung der Absatzinteressen der Medien über § 242 BGB
  • Leistung der sog. AE-Provision an die Agenturen als Entgelt für die Vermittlungsdienste (wird von Verlagen zunehmend abgelehnt)
Professional woman retoucher edits assets in creative media agency office

Gesamtwürdigung

 Wenn sich im Einzelfall aus Vertrag nichts anderes ergibt – was nach der Rechtsprechung möglich ist, sind die Mediaagenturen Geschäftsbesorger der Werbekunden, von denen sie Werbung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung einkaufen und im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bei den Medien platzieren.

Beide – voneinander unabhängige – Vertragsverhältnisse sind als Werk- oder Dienstverträge (je nach Ausgestaltung) zu qualifizieren, wobei die Mediaagentur nur gegenüber den Werbekunden als Geschäftsbesorger auftritt.

Ob es sich bei der Geschäftsbesorgung um eine „typische“ i.S.d. § 675 BGB handelt, hat vor allem mit Blick auf die Verpflichtung des typischen Geschäftsbesorgers Relevanz, das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herausgeben zu müssen, vgl. § 667 BGB.

Wollen die Parteien, dass hinsichtlich der Herausgabepflicht etwas anderes gilt, sollte und kann dies – wie oben erläutert – individualvertraglich vereinbart werden.

Sie haben Fragen dazu?

AKTUELLE BEITRÄGE

Gavel, scales of justice and law books
Prozessführung

Klageabweisung als „derzeit unbegründet“

Gerade in baurechtlichen Streitigkeiten geht es vielfach um die Fälligkeit von Vergütungsansprüchen, z.B. weil die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung fraglich ist. In diesen Fällen sind dann auch Urteile nicht selten, in denen eine Klageabweisung „als derzeit unbegründet“ erfolgt.

Der BGH hat jüngst mit detaillierter Begründung festgestellt, dass in solchen Fällen die Rechtskraft des abweisenden Urteils auch die Urteilsgründe umfasst, soweit darin die übrigen – also die derzeit nicht fehlenden – Anspruchsvoraussetzungen positiv festgestellt bzw. bejaht worden sind.

Weiter lesen »
collection of various flags of different countries standing tall together in a row on a stand
Internationales Prozessrecht

Guide to International Civil Procedure: Recognition and enforcement of foreign judgments in Germany

Once a judgment has been successfully obtained against a German debtor abroad (in a third country), the creditor is faced with the important practical question of how to actually get his money.

If the German debtor does not pay voluntarily, only the enforcement of the judgment will help. However, since in most cases the German debtor only has assets in Germany that could be enforced, the foreign judgment must be enforced in Germany. This requires that the foreign judgment has first been declared enforceable by a German court. This declaration of enforceability is the subject of separate court proceedings against the debtor in Germany, at the end of which, if successful, an enforcement order will be issued.

The following article deals with the content of these proceedings.

Weiter lesen »
Entrance to the Royal Court of Justice
Prozessführung

Ratgeber Berufungsrecht – Bedeutung des Inhalts der Berufungsbegründung für den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts

Die Auffassung, dass der Inhalt der Berufungsbegründung den Überprüfungsrahmen des Berufungsgerichts festlegt, ist weit verbreitet. Nach dieser Auffassung muss die Berufungsbegründung alle Rügen bezüglich des erstinstanzlichen Urteils enthalten, die der Berufungsführer vom Berufungsgericht überprüft wissen möchte. Vergisst er eine Rüge, würde dies zur Folge haben, dass das Berufungsgericht selbst von ihm erkannte und als erheblich erachtete Rechtsverletzungen übergehen muss.

Weiter lesen »

KONTAKT

LEGAL+

+49 (40) 57199 74 80

+49 (170) 1203 74 0

Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg

kontakt@legal-plus.eu

Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!

Ich freue mich auf unsere Vernetzung.

Copyright 2024 © All rights Reserved.