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BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

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Ratgeber Prozessrecht: Wichtige Klarstellung des BGH zu den möglichen Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners durch eine Beweisvereitelung erschwert. In diesen Fällen kommt dann die praxisrelevante Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welchen Rechtsfolgen von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.

Das klarstellende BGH-Urteil vom 16.11.2021 (Az. VI ZR 100/20) zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

Der BGH hat dazu in einem jüngeren Urteil wichtige Feststellungen getroffen und dabei insbesondere einen vielfach anzutreffendes Fehlverständnis beseitigt, wonach im Falle einer Beweisvereitelung der Beweis als geführt anzusehen sei. Der BGH hat in seinem Urteil vom 16.11.2021 (Az. VI ZR 100/20) ausgeführt:

„(…)

Entgegen der Auffassung der Revision ist dem Kläger der Beweis seiner diesbezüglichen Behauptungen allerdings nicht deshalb abgeschnitten, weil ihm wegen der Veräußerung seines Fahrzeugs im September 2017 eine Beweisvereitelung vorzuwerfen wäre. Von einer Beweisvereitelung kann nur gesprochen werden, wenn die nicht beweisbelastete Partei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht oder erschwert, indem sie vorhandene Beweismittel vernichtet, vorenthält oder ihre Benutzung erschwert (BGH, Urteile vom 25. Juni 1997 – VIII ZR 300/96, NJW 1997, 3311, juris Rn. 18; vom 11. Juni 2015 – I ZR 226/13, WRP 2016, 35 Rn. 44 – Deltamethrin I mwN). Durch die Veräußerung seines Fahrzeugs hat der Kläger jedoch nicht die Beweisführung der Beklagten, sondern allenfalls die eigene erschwert. Denn er ist für die vollständige und fachgerechte Reparatur seines Fahrzeugs entsprechend den Vorgaben des vorgerichtlichen Gutachters beweispflichtig.

Abgesehen davon führt die Annahme einer Beweisvereitelung nicht zu der von der Revision für sich in Anspruch genommenen Rechtsfolge. Liegen die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung durch den Gegner der beweisbelasteten Partei vor, können zugunsten der beweisbelasteten Partei Beweiserleichterungen in Betracht kommen, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können. Die Beweisvereitelung führt dagegen nicht dazu, dass eine Beweiserhebung gänzlich unterbleiben könnte und der Vortrag der beweisbelasteten Partei als bewiesen anzusehen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 226/13, aaO Rn. 48 f. – Deltamethrin I mwN).

(…).

Approaching the bench in a courtroom with gavel and judge seat for law and order trial proceedings
Bewertung

 

Dieses Urteils zu den möglichen Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung beinhaltet nach allem die folgenden, wichtigen Erkenntnisse für die Prozessführung:

  • Beweisvereitelung meint allein den Fall, dass die nicht beweisbelastete Partei der belasteten Gegenpartei die Beweisführung unmöglich macht oder erschwert.
  • Gegebenenfalls kommen als Rechtsfolge zugunsten der beweisbelasteten Partei Beweiserleichterungen und unter Umständen eine Umkehr der Beweislast in Betracht.
  • Nicht zu den möglichen Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung gehört, dass der Beweis als geführt anzusehen ist mit der Folge, dass die streitige Tatsache als bewiesen anzusehen wäre.
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Gerichte müssen ihrer sog. Hinweispflicht (§ 139 ZPO) grundsätzlich vor der mündlichen Verhandlung nachkommen! – BGH-Beschluss vom 11.4.2018 (Az. VII ZR 177/17)

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Gerichte müssen ihrer sog. Hinweispflicht (§ 139 ZPO) grundsätzlich vor der mündlichen Verhandlung nachkommen! - BGH-Beschluss vom 11.4.2018 (Az. VII ZR 177/17)

Es ist leider gängige Praxis im Zivilprozess, dass die Gerichte Hinweise an die Parteien erst in der mündlichen Verhandlung erteilen. Mit den Konsequenzen dieser Praxis hat sich der BGH in einem praxisrelevanten Beschluss vom 11.4.2018 (Az. VII ZR 177/17) beschäftigt.

Parteien eines Zivilprozesses und deren Rechtsvertreter erleben es als die Regel, dass sich das zur Entscheidung berufene Gericht erst in der mündlichen Verhandlung zum fraglichen Fall äußert.

Wenn – was oft der Fall ist – sich solche Hinweise auf entscheidungsrelevante Umstände beziehen, hat dies regelmäßig prozessuale Konsequenzen, die von den Beteiligten – im vorliegenden Fall gar auch vom Berufungsgericht – übersehen werden.

Dies hat der BGH in seinem eingangs genannten Beschluss klargestellt, in dem zur Hinweispflicht des Gerichts ausgeführt hat:

Das Landgericht ist seiner Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO nicht hinreichend nachgekommen. Das Gericht muss in Erfüllung seiner prozessualen Fürsorgepflicht gemäß § 139 Abs. 4 ZPO Hinweise auf seiner Ansicht nach entscheidungserhebliche Umstände, die die betroffene Partei erkennbar für unerheblich gehalten hat, grundsätzlich so frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung erteilen, dass die Partei die Gelegenheit hat, ihre Prozessführung darauf einzurichten und schon für die anstehende mündliche Verhandlung ihren Vortrag zu ergänzen und die danach erforderlichen Beweise anzutreten. Erteilt es den Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben.

Die Konsequenz des vom BGH vorbeschriebenen Versäumnisses des Gerichts, Hinweise bereits vor der mündlichen Verhandlung zu erteilen, benennt der BGH dann wie folgt:

Wenn es offensichtlich ist, dass die Partei sich in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, so muss das Gericht – wenn es nicht in das schriftliche Verfahren übergeht – auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass die mündliche Verhandlung vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Mit anderen Worten:

Das Gericht kann in solchen Fällen die mündliche Verhandlung nicht einfach als geschlossen betrachten und ein Urteil fällen. Es muss der betroffenen Partei vielmehr hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Ausnahme ist, was allerdings selten der Fall sein dürfte, dass die Partei bei verständiger Würdigung noch in der mündlichen Verhandlung – mithin spontan – hätte hinreichend Stellung beziehen können.

Weitere – für die Praxis vielleicht wichtigste – Konsequenz ist:

Auf einen entsprechenden Antrag auf sog. Schriftsatznachlass kommt es in diesen Fällen nicht an! Auch ohne dass die betroffenen Partei einen solchen Antrag stellt – vorliegend war dies versäumt worden – muss das Gericht rechtliches Gehör gewähren. Hierzu der BGH im fraglichen Beschluss:

In diesem Zusammenhang ist unschädlich, dass der Beklagte keinen Antrag auf Gewährung einer Frist zur Stellungnahme auf den Hinweis gestellt hat. Der Erlass des Urteils unmittelbar am Schluss der Sitzung, ohne dass dem Beklagten Gelegenheit gegeben wurde, auf den Hinweis zu reagieren, stellt sich als verfahrensfehlerhaft dar.

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Fazit:

In Kenntnis diese wichtigen Rechtsprechung des BGH können Parteien eines Zivilprozesses mündlichen Verhandlungen erheblich entspannter entgegensehen.

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