Sachverständiger befangen – Vorhandenes Gutachten dennoch vom Gericht verwertbar?

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Sachverständiger befangen – Vorhandenes Gutachten dennoch vom Gericht verwertbar?

In einem praxisrelevanten Urteil hat sich der BGH klarstellend dazu geäußert, ob und in welchen Fällen das Gutachten eines für Befangen erklärten Sachverständigen vom Gericht verwertet werden darf.

Problembeschreibung: Neues Gutachten bei Befangenheit des Sachverständigen, § 412 Abs. 2 ZPO

In § 412 Abs. 2 ZPO heißt es:

„(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.“

Die Formulierung „kann“ in § 412 Abs. 2 ZPO legt die Annahme nahe, dass bereits erstellte Gutachten trotz Befangenheit des Gutachters nach weitgehend freiem Ermessen des Gerichts verwertet werden dürfen.

Die hohe Arbeitsbelastung in deutschen Gerichten dürfte viele Richter in Versuchung bringen, die sich – vermeintlich – aus § 412 Abs. 2 ZPO ergebenen Spielräume zu Lasten der von der Befangenheit betroffenen Partei ausnutzen.

Dem hat nun der BGH zu Recht einen Riegel vorgeschoben!

Das BGH-Urteil vom 05.12.2023 – VI ZR 34/22

Mit seinem Urteil vom 05.12.2023 (Az. VI ZR 34/22) hat der BGH zunächst klargestellt, dass ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO (Stichwort: „kann“) das Gutachten eines abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht verwertet werden darf.

Ausnahmen sind gemäß den weiteren Ausführungen des BGH nur in engsten Grenzen möglich, nämlich dann, wenn

„die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist.“

Zu Recht hat der BGH zu diesem Ausnahmentatbestand weiter ausgeführt, dass es für die Annahme, bei Erstellung des Gutachtens habe eine Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit noch nicht vorgelegen, nicht ausreichen kann, dass der Anknüpfungspunkt für die Annahme der Unvoreingenommenheit erst später, also nach Gutachtenerstellung, zutage getreten war. Der BGH wörtlich:

„Daraus, dass eine (mögliche) Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit sich nicht schon früher offenbart hat, folgt nicht, dass eine solche auch nicht vorgelegen hat.“

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Fazit – Gutachten eines abgelehnten Sachverständigen praktisch nie verwertbar

Der Fall, dass das Gutachten eines wegen Befangenheit abgelehnten Sachverständigen trotzdem verwertet werden darf, hat im Ergebnis eine rein theoretische Natur. Denn:

Sollte der Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert worden sein, dann dürfte bereits die Ablehnung des Sachverständigen aus diesem Grund scheitern.

Ist er dann aber erst einmal abgelehnt, ist regelmäßig ungeachtet der konkreten Umstände nicht auszuschließen, dass die festgestellte Besorgnis der Befangenheit bereits bei Gutachtenerstellung vorgelegen hat.

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AKTUELLE BEITRÄGE

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Haftungsrecht

Richtungsweisendes Urteil des BGH zum Recht des Unternehmenskaufs (Urteil vom 26. September 2018, Az. VIII ZR 187/17, Urteilsgründe stehen aus):

Der Anteilskauf ist Rechtskauf, auf den die Regeln über die Sachmängelhaftung grundsätzlich keine Anwendung finden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn Kaufgegenstand das ganze Unternehmen ist bzw. im Falle des Anteilskaufs (fast) alle Anteile sind. Entgegen eines Jahrzehnte lang bestehenden Irrtums der Rechtsliteratur sowie der Instanzgerichte reicht es hingegen nicht aus, wenn der Erwerber in Folge der Transaktion alle bzw. fast aller Anteile eines Unternehmens hält.

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