Niedrig bieten und hoch nachschlagen – Zum Umgang mit unlauteren Angeboten im Baurecht
/in HandelsrechtLEGAL+ NEWS
Problembeschreibung
Vielen Leidensgenossen wird folgende Konstellation bekannt vorkommen: Als Auftraggeber bzw. Bauherr hat man sich von den eingeholten, in der Qualität vergleichbaren Angeboten für das günstigste entschieden. Nicht selten kommt dann spätestens mit der Schlussrechnung das böse Erwachen. Die finalen Kosten übersteigen das Angebot nicht selten um ein Vielfaches.
Was ist schiefgelaufen? Zunächst ist bei der Frage, ob der „Nachschlag“ vom beauftragten Unternehmer gefordert werden kann, selbstverständlich von zentraler Bedeutung, was im letztlich auf Basis des Angebots abgeschlossenen Vertrag vereinbart worden ist (vgl. dazu folgenden Beitrag).
Was aber ist, wenn der Unternehmer ein sog. Lockangebot abgegeben hat. Gemeint ist ein Angebot, das der Unternehmer ganz bewusst, also absichtlich, besonders günstig abgegeben hat, um so den Auftrag „an Land zu ziehen“.
Es erstaunt, dass diese Praxis in der Rechtsprechung nur wenig beachtet wird, obwohl dieses Vorgehen keineswegs selten ist.
Lösungsansätze
Ausgangspunkt bildet die Frage, ob es einem bietenden Unternehmer erlaubt ist, die zur Erstellung des Gewerkes, auf das er bietet, benötigten Mengen und Aufwände niedrig zu kalkulieren, um dann die mit großer Sicherheit später erforderlich werdenden Mehrmengen und Mehraufwände im Rahmen von Nachträgen zu berücksichtigen. Regelmäßig stützen sich solche unlauter handelnden Unternehmer auf Lücken im Leistungsverzeichnis, um ihre späteren Nachschläge zu rechtfertigen.
Grundsätzlich ist dieses Vorgehen unzulässig!
Die Strategie „niedrig bieten und hoch nachschlagen“ ist rechtswidrig. Der bietende Unternehme darf sich nicht einfach auf einen besonders günstigen Kalkulationsansatz zurückziehen, um so seine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags zu verbessern mit der für den Auftraggeber nachteiligen Folge, dass sich das Risiko eines späteren Nachtrags entsprechend vergrößert.“
Dies lässt sich der Rechtsprechung des BGH im Grundsatz eindeutig entnehmen.
Beispielhaft sei auf das beachtliche Urteil des BGH vom 25.2.1988 (Az. VII ZR 310/869) eingegangen, das unter dem Stichwort „Frivolität“ bekannt geworden ist. In diesem Urteil hat der BGH ausgeführt (Hinweis: „Kl.“ meint den „frivol“ bietenden Unternehmer):
„Den Kl. mußte klar sein, daß die Boden- und Wasserverhältnisse in den Ausschreibungsunterlagen nur unvollständig angegeben worden waren. Da das Bodengutachten keine Wasserdurchlässigkeitswerte enthielt und Pumpversuche offensichtlich nicht durchgeführt worden waren, kamen insoweit von vornherein nur grobe Schätzungen in Betracht. Wollten sich die Kl. darauf in ihrer Kalkulation nicht einlassen, hätten sie die Bekl. auffordern müssen, die Ausschreibungsunterlagen entsprechend zu ergänzen. Deshalb spricht viel dafür, daß hier auf die Grundsätze zurückzugreifen ist, die der Senat bereits seit längerem für den Fall entwickelt hat, daß ein Leistungsverzeichnis für den Auftragnehmer erkennbar lückenhaft ist (z. B. MDR 1966, 317 = NJW 1966, 498; zuletzt Senatsurteil, MDR 1988, 43 = BauR 1987, 683).
Letztlich kann das aber auf sich beruhen, weil hier ein Schadensersatzanspruch bereits aus einem anderen Grund ausscheidet. Grundlage für einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo ist stets „enttäuschtes Vertrauen“ (Senatsurteil, MDR 1966, 317 = NJW 1966, 498; vgl. auch Ingenstau/Korbion, VOB 10. Aufl. A § 9, Rdn. 5). Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Kl. bei ihrem Angebot nach den Feststellungen des OLG „frivol“ kalkuliert und die vorliegende Auseinandersetzung über die entstehenden Mehrkosten in Kauf genommen haben. Wie richtig diese Feststellung ist, zeigt sich vor allem daran, daß die Kl. in ihrem Angebot für die Wasserhaltungskosten zu Los 2 lediglich 2,- DM/lfdm angesetzt haben, während die Kl. zu 1 für Los 1 kurz zuvor noch 75,- DM/lfdm gefordert hat. Der Umstand, daß bei dem hier maßgeblichen Los nicht die Kl. zu 1 allein, sondern vielmehr mit der Kl. zu 2 gemeinsam das Angebot unterbreitet hat, spielt dabei keine Rolle, da beiden Bietern die Kalkulationsunterlagen aus dem früheren Angebot zu Los 1 ersichtlich zur Verfügung standen. Auch die für den unterschiedlichen Ansatz gegebene Begründung, zum einen seien die Kosten für die Wasserhaltungsarbeiten bei Los 2 teilweise auf die Baustelleneinrichtung umgelegt worden, zum anderen habe „niedriger“ kalkuliert werden können, weil durch die Wasserhaltung für Los 1 schon viel Grundwasser aus dem Baubereich abgezogen worden sei, erklärt einen so weit auseinandergehenden Kostenansatz bei den beiden Losen nicht.
Vielmehr zeigt diese unverhältnismäßig große, sachlich nicht zu rechtfertigende Differenz, daß die Kl. ohne jeden vernünftigen Bezug zur Ausschreibung letztlich mehr oder weniger „ins Blaue“ – wenn nicht sogar „spekulativ“ – kalkuliert haben (vgl. dazu Senatsurteil, MDR 1988, 43 = BauR 1987, 683, 685 = ZfBR 1987, 237, 238). Dadurch haben sie die Gefahr, daß später in ihrem Umfang unabsehbare „Nachforderungen“ gestellt werden (hier rund das Hundertfache des für die Wasserhaltung ausgewiesenen Angebotspreises), nicht nur wesentlich erhöht (vgl. Senat aaO.), sondern geradezu heraufbeschworen, um daraus Vorteil ziehen zu können, ohne ihre Aussichten auf Erteilung des Zuschlags aufs Spiel zu setzen. Wer so handelt, kann sich auf „enttäuschtes Vertrauen“ nicht berufen.
Aus dem vorzitierten Auszug lassen sich folgende Grundsätze entnehmen, die etwaigen Nachschlägen entgegenstehen:
- Angebotslücken dürfen nicht schweigend hingenommen werden.
- „Frivol“ kalkulieren ist verboten.
- Auf ins „ins Blaue hinein“ abgegebene Angebote können Nachträge nicht gestützt werden.
Fazit:
Wer als Auftraggeber in eine oben beschriebene Situation gelangt, sollte neben allgemeinen vertraglichen Abreden insbesondere auch genau das urprüngliche Angebot eingehend dahin prüfen, ob es sich dabei um ein „frivoles“ Angebot gehandelt hat.
AKTUELLE BEITRÄGE
Der Vorvertrag
In der Geschäftswelt sind laufend Entscheidungen zu treffen. Viele solcher Entscheidungen bestehen darin, sich in einem Projekt für einen bestimmten Partner entschieden zu haben, mit dem dann ein entsprechender Vertrag abzuschließen ist. Das häufige Problem ist dann: Es fehlt die Zeit bzw. auch einfach nur an bestimmten Klärungen tatsächlicher und/oder rechtlicher Art, den Vertrag „ adhoc“ schließen zu können. Dann kommt der Vorvertrag ins Spiel, durch den die Parteien sofort eine Bindung herbeiführen können, obwohl noch offene, klärungsbedürftige Punkte existieren.
Fertigstellungsgrad des Werkes
In den das Recht zur Verweigerung der Abnahme betreffenden Normen (§ 640 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 12 Abs. 3 VOB/B) heißt es, dass die Abnahme des Werkes wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigert werden darf. Es findet sich dort keinerlei Aussage zum erforderlichen Fertigstellungsgrad des Werkes als Abnahmevoraussetzung.
Gerade im regelmäßig sehr komplexen Anlagenbau ist aber die Frage, welchen Grad der Fertigstellung das Werk erreicht haben muss, damit es als abnahmereif angesehen werden kann, sehr bedeutsam.
Wesentlicher Mangel im Anlagenbau
Die Beantwortung der Frage, ob ein wesentlicher Mangel vorliegt, bereitet gerade im oft sehr komplexen Anlagenbau große Schwierigkeiten. Dabei stellt das Fehlen wesentlicher Mängel die entscheidende Voraussetzung für die Abnahme dar. Letztere hat erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung: So knüpft hieran regelmäßig der Beginn der Gewährleistungsfristen an. Zudem hängt von der Abnahme in aller Regel die Fälligkeit eines erheblichen Teils der vereinbarten Vergütung ab.
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