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Verklagt zu werden, ist immer unerfreulich. Hat man es allerdings mit einer Klage aus dem Ausland zu tun, ist das Ärgernis aus diversen Gründen erheblich größer, nur beispielhaft sei auf die oft erheblichen Kosten hingewiesen. Die erste Frage, die Sie aufwerfen sollten, wenn Sie in Ihrem Briefkasten eine Klage aus dem Ausland vorfinden, lautet: Ist Zustellung der Klage überhaupt wirksam? Oftmals ist dies nämlich nicht der Fall, was Ihnen diverse Vorteile bringt (z.B. Zeitgewinn, Möglichkeit eigener prozessualer Schritte etc.).
Am Beispiel einer Klage aus dem EU-Ausland seien nachfolgend die Anforderungen an eine wirksame Zustellung sowie die ggf. zu empfehlende Reaktion dargestellt.
Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Zustellung einer Klage aus dem (EU-)Ausland
Für eine wirksame Zustellung bestehen gemäß der EU-Zustellungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen) zwei wesentliche Voraussetzungen:
- Die Klage muss in aller Regel in deutscher Übersetzung übermittelt werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn Sie als Beklagte nachweislich die Sprache des Klägers beherrschen.
- Der Klage muss das Formblatt gemäß Annex II zur EU-Zustellungsverordnung in deutscher Sprache nebst Belehrung über das Recht der Annahmeverweigerung beigefügt sein.
Zudem muss der Kläger die Zustellung auch belegen können. Übermittelt das ausländische Gericht die Klage mit gewöhnlicher Post, empfiehlt es sich in jedem Falle, den Posteingang zu ignorieren.
Rechtslage, wenn es an einer der Anforderungen an eine wirksame Zustellung fehlt
Zustellmängel haben folgende Rechtsfolgen:
Fehlende Übersetzung der Klage aus dem Ausland
Fehlt es an einer Übersetzung, gilt:
Ein Recht zur Annahmeverweigerung besteht dann, wenn der Empfänger die Sprache des Originals nicht versteht. Im Bereich des Englischen ist hier einiges streitig, aber bei allen anderen Sprachen kann als eindeutig bezeichnet werden, dass der deutsche Empfänger auf eine Übersetzung bestehen kann und deshalb die Annahme verweigern darf.
Grundsätzlich müsste die Annahme gegenüber dem Überbringer (= Post) verweigert werden.
Bei einem – wie meist – Einschreiben ist dies praktisch nicht möglich, weil man dessen Inhalt bei Übergabe ja noch nicht kennt. Deshalb sieht das Gesetz eine Frist von einer Woche vor, im Rahmen derer das Schriftstück unter Verwendung des oben erwähnten Formblatts, das auch die Anschrift für die Rücksendung enthalten muss, vor.
Fehlen von Formblatt und/oder wirksamer Belehrung bei Klage aus dem Ausland
Wie oben ausgeführt, muss der übersetzen Klage auch das Formblatt in deutscher Sprache beigefügt sein. Fehlt es an dem Formblatt oder ist es nicht in deutscher Sprache, so liegt auch keine wirksame Belehrung vor.
Vor allem das Fehlen einer wirksamen Belehrung, aber auch des Fehlen des Formblatts als solchem, bedeuten einen Zustellungsmangel, der ohne Heilung die Zustellung unwirksam bleiben lässt.
Handlungsmöglichkeiten bei Zustellfehlern
Einem auf einer nicht wirksam zugestellte Klage beruhenden ausländischen Titel (Urteil) würde in Deutschland ein Vollstreckungshindernis entgegenstehen.
Sie als Beklagter könnten daher erwägen, gar nichts weiter zu unternehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es an der wirksamen Belehrung fehlt. Denn gemäß Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH-Urteil vom 2.3.2017 (C-354/15) kann ein reiner Fristablauf den Mangel der fehlenden Belehrung nicht heilen. Die Belehrung muss also nachgeholt werden.
Ganz gesichert ist die vorbeschriebene Rechtslage allerdings nicht. Insbesondere dann nicht, wenn der Beklagte komplett untätig bleibt. Denn das europäische Verfahrensrecht ist bestrebt, im europäischen Raum möglichst reibungslosen Rechtsschutz zu gewähren. Letzteres bedeutet, dass der Kläger möglicherweise trotz des Zustellungsmangels gehalten ist, gegenüber dem Gericht im Ausgangsstaat zu reagieren.
Fazit / Empfehlung
Es erscheint ratsam, auch bei festgestellten Zustellungsmängeln vorsichtig zu agieren. Dies bedeutet, dass zumindest das ausländische Gericht auf etwaige Zustellmängel hingewiesen werden sollte.
AKTUELLE BEITRÄGE
EUGH-Urteil „LKW Walter“
Die im Ausgangspunkt sehr zu begrüßende Möglichkeit, auch im grenzüberscheitenden EU-Geschäftsverkehr eigene Rechte möglichst einfach und schnell durchsetzen zu können, birgt einige Tücken. Die Erfahrungen des Verfassers zeigen, dass die Wirtschaftsbeteiligten im Falle des Eingangs rechtlich relevanter Post aus dem Ausland oftmals überfordert sind. Dies hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass die aus dem Ausland eingehenden gerichtlichen Schriftstücke nicht selten den europarechtlichen Anforderungen nicht entsprechen.
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Corona als Störung der Geschäftsgrundlage?
Unzählige Vertragsverhältnisse konnten seit Beginn der Corona-Krise nicht planmäßig durchgeführt werden. Schuld waren meist die staatlichen Corona-Maßnahmen, für die naturgemäß keine der Vertragsparteien eine Verantwortung trifft. Dies hat die spannende Frage aufgeworfen, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen die vertragliche Hauptleistung – z.B. die Überlassung der Räumlichkeiten in mietrechtlichen Konstellationen – trotz der Corona-Maßnahmen nach wie vor erbracht werden konnte, allerdings die Nutzung der Räume für den Mieter infolge der Corona-Maßnahme ganz oder teilsweise nicht möglich war.
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