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Das Bundesjustizministerium macht mit seinem Plan zur Begrenzung von Vertragslaufzeiten ernst. Mitte August 2019 wurde über die Presse öffentlich, dass das Gesetzesvorhaben zum „Schutz vor Kostenfallen“ weit fortgeschritten sei. Inhaltlich geht es dabei u.a. um die durchaus begrüßenswerte Beseitigung diverser Missstände (z.B. im Bereich Telefonwerbung). Weiterer, weniger begrüßenswerter Gegenstand des Vorhabens ist Begrenzung von Vertragslaufzeiten in bestimmten Branchen, z.B. in den Bereichen Mobilfunk und Energieversorgung. Der entsprechende Gesetzentwurf sei auf der Zielgeraden.
Betrachtet man das Gesetzesvorhaben näher, kommen hinsichtlich der geplanten Laufzeitenbegrenzung aus juristischer Sicht erhebliche Bedenken auf. Das geplante Gesetz schränkt die Vertragsfreiheit als elementarem Bestandteil der grundgesetzlich geschützten Privatautonomie elementar ein. Die erforderliche Rechtfertigung dieser Beschneidung der Vertragsfreiheit ist nicht ersichtlich.
Der Plan des Bundesjustizministerium zur Begrenzung von Vertragslaufzeiten
Gemäß seinem Eckpunktepapier „Schutz vor Kostenfallen“ plant das Bundesjustizministerium folgende Änderungen:
„Das Vertragslaufzeiten und –verlängerungen betreffende Klauselverbot in § 309 Nummer 9 BGB soll dahingehend geändert werden, dass durch AGB künftig keine längere Laufzeit als ein Jahr vereinbart werden kann. Eine automatische Verlängerung des Vertrages soll nur noch um jeweils drei Monate möglich sein, wenn nicht spätestens einen Monat vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gekündigt wird.“
Die Rechtfertigung des Vorhabens gemäß dem Eckpunktepapier „Schutz vor Kostenfallen“
Das Bundesjustizministerium rechtfertigt das geplante Vorhaben in seinem Eckpunktepapier „Schutz vor Kostenfallen“ wie folgt:
„Das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Wirtschaft und Verbrauchern führt häufig dazu, dass (…) Verbraucher sich auf vertragliche Regelungen einlassen müssen, die nicht interessengerecht bzw. heute nicht mehr zeitgemäß sind. Oft ist dann der Ärger groß.“
„Verbraucher haben bei Verträgen über Warenlieferungen, Dienst- oder Werkleistungen regelmäßig kein großes Interesse an langen vertraglichen Bindungen.“
„Die derzeit möglichen zweijährigen Laufzeiten von Verträgen und die automatische Verlängerung des Vertrags um jeweils ein weiteres Jahr sind nicht mehr interessengerecht. Ein besonderes verbraucherpolitisches Ärgernis stellen die Verlängerungsklauseln in AGB dar. Sie werden von vielen Verbrauchern schlicht übersehen oder geraten wieder in Vergessenheit, so dass nicht mehr gewollte Verträge sich oft gegen den Willen der Verbraucher um weitere Jahre verlängern, weil eine rechtzeitige Kündigung versäumt wurde.“
Rechtliche Beurteilung des Vorhabens
Meines Erachtens ist die geplante Laufzeitenbegrenzung von Verträgen mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht zu vereinbaren. Die vom Bundesjustizministerium herangezogenen Argumente vermögen die geplante Einschränkung nicht zu rechtfertigen:
Der Grundsatz der Vertragsfreiheit
Unter Vertragsfreiheit ist das Recht eines jeden Individuums zu verstehen, frei darüber zu entscheiden
- einen Vertrag zu schließen (sog. Abschlussfreiheit), sowie
- frei über den Inhalt eines Vertrages zu entscheiden (sog. Gestaltungsfreiheit).
Die Vertragsfreiheit ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, sie gehört zum verfassungsrechtlich geschützten Prinzip der Privatautonomie, wonach jedem Einzelnen das Recht eingeräumt ist, seine privaten Lebensverhältnisse frei zu gestalten.
Bestandteil hiervon ist die Freiheit, Verträge zu schließen und auch ihren Inhalt zu bestimmen. Um Letzteres geht es vorliegend.
Zulässige Einschränkungen der Vertragsfreiheit
Beide Ausprägungen der Vertragsfreiheit – also Abschlussfreiheit und Gestaltungsfreiheit – unterliegen anerkanntermaßen Beschränkungen.
So existiert in bestimmten Sachverhaltskonstellationen ein Kontrahierungszwang. Als Beispiel lässt sich die KFZ-Haftpflichtversicherung nennen. Dort besteht für die Versicherungsunternehmen nach § 5 Pflichtversicherungsgesetz ( mit dort geregelten Einschränkungen) ein Kontrahierungszwang. Die Erforderlichkeit liegt hier auf der Hand.
Auch die Gestaltungsfreiheit unterliegt zum Schutz höherwertiger Interessen gewissen Beschränkungen. So gibt es in diversen Rechtsbereichen gesetzliche Regelungen, die zwingender Natur sind und vertraglich nicht abbedungen werden können, solche Regelungen finden sich beispielsweise im AGB-Recht, das in erster Linie zum Schutze der Verbraucher bestimmte Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für nichtig erklärt. Weitere Einschränkungen ergeben sich aus gesetzlichen Formzwängen (Schriftform, notarielle Form etc.) sowie der gesetzlichen Nichtigkeitsanordnung bezüglich solcher Regelungen, die gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) verstoßen.
Keine Rechtfertigung der geplanten Beschränkung der Gestaltungsfreiheit ersichtlich
Wie eingangs ausgeführt, lässt sich meines Erachtens die geplante Begrenzung von Vertragslaufzeiten nicht ansatzweise rechtfertigen:
Gesetz betrifft alle künftigen Verträge der betroffenen Branchen
Zunächst ist vor Augen zu führen, dass das AGB-Recht nicht nur das sprichwörtlich „Kleingedruckte“ betrifft. In der Praxis – gerade in den hier betroffenen Branchen – unterfällt im Ergebnis jeder Vertrag dem AGB-Recht, da es schlicht nicht umsetzbar wäre, mit jedem Verbraucher Vertragslaufzeiten individualvertraglich zu vereinbaren. Kurz: Das Gesetzesvorhaben umfasst faktisch jeden künftigen Vertrag der betroffenen Branchen.
Vollständiger Fortfall der Option von 2-Jahres-Verträgen
Dies hat zur Folge, dass künftig die Option zum Abschluss eines Zwei-Jahres-Vertrages, der sich bei fehlender Kündigung jeweils um ein Jahr verlängert, nicht mehr zur Verfügung steht.
Womit ist zu rechtfertigen, dass man den Parteien diese Option nimmt? Meines Erachtens durch nichts:
Vertragsfreiheit bedeutet, dass die Parteien in den Grenzen der guten Sitten und der anerkannten allgemeinen die Vertragsfreiheit begrenzenden Gesetze selbst bestimmen können (und auch müssen), was für sie subjektiv richtig ist. Diese Entscheidung kann und darf ihnen niemand abnehmen.
Der Gesetzgeber, soweit er denn an der Privatautonomie festhalten will, muss diese Selbstbestimmung der Rechtssubjekte achten und darf sich nicht – z.B. getrieben von politischen Stimmungen – dazu verleiten lassen, durch die Vertragsfreiheit (unzulässig) begrenzende Gesetze seinerseits zu bestimmen, was richtig ist.
„Verbraucherschutz“ als nur vorgeschobenes Motiv zur Begrenzung Vertragslaufzeiten
Der Verbraucherschutz ist ein im Grundsatz nicht anzuzweifelndes Motiv für die Einschränkung der Vertragsfreiheit. Verbraucherschutz darf aber nicht missbräuchlich – wie meines Erachtens im vorliegenden Fall – vorgeschoben werden, um politisch getriebene Vorhaben zu rechtfertigen.
Das Bundesjustizministerium ist nach eigenen Angaben der Meinung, Laufzeiten von zwei Jahren seien „unfair“ und für die Verbraucher ein „Ärgernis“. Es übersieht dabei, dass den Verbrauchern in allen ins Visier genommenen Branchen (Mobilfunk, Energieversorgung etc.) unterschiedlichste Vertragsmodelle von einer Vielzahl von Anbietern zur Wahl stehen. Insbesondere haben Verbraucher stets die Möglichkeit, Verträge auch ohne jede Bindung einzugehen. Umgekehrt steht ihnen – jedenfalls bislang – zur Wahl, Bindungen einzugehen und im Gegenzug oft erhebliche Vorteile gewährt zu bekommen (z.B. deutlich günstigere Konditionen, vergünstigte Hardware etc.). Mit anderen Worten: Der Verbraucher kann heute zwischen einer Vielzahl von Vertragsmodellen wählen und selbst entscheiden, was für ihn „richtig“ ist. Hierzu gehört auch die allein von ihm – dem Verbraucher – obliegende Einschätzung der Nachteile, die mit einer Vertragsbindung einhergehen. Es kann daher aus gesetzgeberischer Sicht keine Relevanz haben, dass sich Verbraucher nach einiger Zeit über eine bestehende, vor einiger Zeit bewusst eingegangene Vertragsbindung „ärgern“ mögen.
Wettbewerbsrecht bietet bereits hinreichenden Schutz
Schutz bedarf der Verbraucher nach allem nur insoweit, dass er durch ein Vertragsangebot nicht Irre geführt wird, z.B. indem für ihn wesentliche Vertragskonditionen nicht hinreichend erkennbar sind. Hierfür ist allerdings das Wettbewerbsrecht zuständig, das dieser Aufgabe seit jeher hinreichend gerecht wird.
Fazit
Das geplante „Kostenfallen-Gesetz“ bedeutet im Hinblick auf die Begrenzung von Vertragslaufzeiten eine nicht zu rechtfertigende (weitere) Beschneidung der Vertragsfreiheit und einen weiteren Schritt in Richtung einer politisch gewollten oder zumindest billigend in Kauf genommenen Verabschiedung vom Grundsatz der Privatautonomie.
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