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Eine immer wieder äußerst praxis-relevante Frage der Transportrechtspraxis ist die rechtliche Position sog. Handlingagenten. Diese lässt sich – wie sogleich aufgezeigt werden wird – in das klassische System der Beteiligten einer Transportkette schwer einordnen.
Was tun Handlingagenten?
Handling-Agenten kümmern sich – vereinfacht ausgedrückt – an Frachtumschlagplätzen umfassend darum, dass die Frachtgüter von Frachtführer A zum Frachtführer B gelangen.
Ihr Geschäft ist es, z.B. an Flughäfen Luftfrachtsendungen, die an Flughäfen eintreffen oder von dort verschickt werden, in Empfang zu nehmen, zu verwahren und abzuwickeln. Der Handlingagent holt die Ware unmittelbar an dem eintreffenden Flugzeug ab, nimmt diese in sein Lager und gibt diese schließlich an den jeweiligen Empfänger oder Spediteur heraus. Welche Dienste der Handlingagent dabei im Einzelnen anbietet, hängt von der Art der Sendung ab.
Üblicherweise ist es so, dass ein Absender einen Luftfrachtführer, in der Regel eine Airline, beauftragt, einen Lufttransport durchzuführen. Häufig agieren auch Speditionen, die die Gesamtdurchführung eines Transportes übernommen haben, als Absender im transportrechtlichen Sinn. Die Airline ist zur tatsächlichen Durchführung des Lufttransportes darauf angewiesen, dass die jeweilige Sendung an dem Startflughafen in Empfang genommen, in das jeweilige Flugzeug geladen und am Zielflughafen abgeladen und schließlich an den jeweiligen Empfänger herausgegeben wird. Diese Dienste erledigen die Airlines nicht selbst, sondern bedienen sich hierbei der Dienste der Klägerin.
Gerade mit Blick auf das Beispiel Flughafen ist nachvollziehbar, warum es solcher Handlingagent bedarf. Insbesondere Flughäfen unterliegen besonderer Kontroll bzw. Sicherheitsbestimmungen. Landet ein Frachtflugzeug, so kann nicht einfach der weiterbefördernde Frachtführer mit seinem LKW an das Flugzeug heranfahren, um die Ware aufzunehmen. Gleiches gilt umgekehrt, wenn ein Frachtführer Güter zum Weitertransport per Flugzeug anliefert. An dieser Stelle kommen die Handlingagenten mit ihrer Kerntätigkeit ins Spiel, die typischerweise darin besteht als Beauftragter (Erfüllungsgehilfe) der Luftfrachtgesellschaften dafür zu sorgen, dass die Frachtgüter bestimmungsgemäß in die jeweilige Richtung weitertransportiert werden, was regelmäßig auch eine Zwischenlagerung einschließt.
Einordnung des Handlingagenten in den Beförderungsvorgang
Betrachtet man die vorbeschriebene Tätigkeit, stellt sich die Frage, wie die Position des Handlingagenten in der Transportkette einzuordnen ist. Einzig klar ist, dass er regelmäßig vertraglich mit den Fracht-Airlines verbunden ist und insofern natürlich Ansprüche unterschiedlicher Art zwischen Handlingagent und Airline in Betracht kommen.
Wie steht es aber um das Rechtsverhältnis des Handlingagenten mit den übrigen Beteiligten der Transportkette, mit denen vertragliche Beziehung regelmäßig nicht bestehen:
Bei einem Frachtvertrag im Sinne des § 407 HGB beauftragt der Absender einer Ware eine Spedition oder ein Transportunternehmen als Frachtführer mit der Vornahme einer Beförderung. Der Absender und der Frachtführer sind die Parteien des Frachtvertrages. Ziel des Frachtvertrages ist die Ablieferung bei dem Empfänger. Der Handlingagent hat selbst keinen Vertrag mit dem Absender, Empfänger oder Frachtführer. Vielmehr wird der Handlingagent von Fracht-Airlines bezahlt, die den Lufttransport der Ware für den Absender erbringt und hierbei auf die Dienste des Handlingagenten angewiesen ist.
Fakt ist nach allem: Der Handlingagent ist transportrechtlich nicht als Frachtführer – auch nicht als Unter-Frachtführer oder ausführender Frachtführer – anzusehen, da keinerlei vertragliche Beziehung zum Absender besteht.
Ansprüche gegen den Handlingagenten?
An einem Beispielfall seien denkbare Ansprüche eines anliefernden Frachtführers gegenüber dem Handlingagenten erläutert:
Ein Mitarbeiter des Handlingagenten nimmt Frachtgut eines anliefernden Frachtführers für den Weitertransport durch der Auftraggeber des Handlingagenten (= Luftfrachtführer) entgegen und übernimmt für dem Fahrer des Frachtführers „freundlicherweise“ das Labeling der Sendung, bei dem ihm ein Fehler unterläuft, was zur Fehlleitung des Gutes führt.
Schon stellt sich die Frage, ob der Handlingagent gegenüber dem anlieferenden Frachtführer einer Haftung unterliegt? Im Ergebnis lautet die Antwort: Nein. Denn es fehlt an einer Anspruchsgrundlage:
Für einen etwaigen Anspruch auf Schadensersatz gemäß den §§ 311 1, II Nr. 3, 280 1, 241 II, 278 BGB fehlt es an dem Tatbestandsmerkmal eines ähnlichen geschäftlichen Kontaktes. Davon werden nämlich seitens der Rechtsprechung nur Sonderverbindungen erfasst, die gemäß § 242 BGB Schutz- und Treuepflichten begründen. Anerkannt wurden dabei sehr spezielle Fälle wie Verkauf einer gemeinsamen Sache (BGH NJW 1980, 2464), nichtige Verträge (BGH NJW 2005, 3208, 3209), Leistungserbringung durch einen Monopolverband (BGH NZG 2015, 1282). Das bloße Übergeben von Ware an das nächste Unternehmen der Transportkette begründet jedoch keinen solchen ähnlichen geschäftlichen Kontakt, dem der Gesetzgeber bei Schaffung der Norm vorschwebte. Würde man dieser Fallgruppe erfassen, würde der Anwendungsbereich der Norm, der nur Ausnahmecharakter hat und spezielle Konstellationen, bei denen eine quasi-vertragliche Schadensersatzhaftung ohne Vertrag greifen soll, zu weit ausgedehnt.
Denkbare Ansprüche aus den §§ 426 1, II BGB würden voraussetzen, dass Handlingagent und der jeweils beteiligte Frachtführer zusammen von einem gemeinsamen Auftraggeber in Anspruch genommen werden.
Ein Anspruch aus den §§ 677, 670, 683 S. 1 BGB ist ebenfalls nicht gegeben. Es liegt bereits kein fremdes oder auch-fremdes Geschäft vor. Der Handlingagent agiert im Zweifel allein im Interesse seines Auftraggebers.
Auch ein Anspruch aus § 831 BGB ist fernliegend, da der objektive Tatbestand einer unerlaubten Handlung kaum vorliegen dürfte.
Schließlich scheidet auch ein Anspruch aus § 437 HGB aus. Es ist schon nicht ersichtlich, inwiefern ein Handling-Agent ausführender Frachtführer im Sinne dieser Vorschrift sein könnte. Selbst wenn der Handlingagent für einen beteiligten Frachtführer dessen Aufgabe des Labelns vornimmt, hat diese Verpflichtung nichts mit einer Ortsveränderung des Frachtguts zu tun, sondern dient der Kennzeichnung bzw. Etikettierung der Ware.
Ansprüche des Handlingagenten?
Wiederum soll dies anhand eines Beispiels erläutert werden:
Handlingagent benachrichtigt den frachtvertragsgemäß für den Weitertransport ab Flughafen beauftragten Frachtführer über die Ankunft des Gutes. Frachtführer holt das Gut erst zwei Wochen später ab und hat damit rein tatsächlich Lageleistungen des Handlingagenten beansprucht.
In Betracht kommt hier zunächst ein vertraglicher Anspruch. Handlingagenten haben regelmäßig Preislisten über die von ihnen angebotenen Leistungen, die sie Spediteuren, mit denen ein regelmäßiger Kontakt besteht, auch zur Verfügung stellen.
Wenn ein vertraglicher Anspruch im Einzelfall ausscheidet, wird man einen gesetzlichen Anspruch auf Lagergeld gemäß § 354 Abs. 1 HGB annehmen müssen: Bei beiden Seiten handelt es sich um Kaufleute, wobei der Handlingagent in Ausübung seines Handelsgewerbes für den Frachtführer tätig wurde, § 354 Abs. 1 HGB. Durch das grundsätzlich beim Frachtführer bestehende bzw. zu unterstellende Interesse, dass sich jemand der Ware ihres Kunden annimmt, ist der Handlingagent wohl auch im Wege der Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag zur Leistung i.S.d. Vorschrift berechtigt.
Fazit: Handlingagent ist Exot der Transportkette
Der Handlingagent ist Exot in der Transportkette. Ansprüche für/gegen Handlingagenten lassen sich in der Regel nicht über die klassischen gesetzlichen transportrechtlichen Anspruchsgrundlagen lösen.
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