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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

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Ratgeber Internationales Zivilprozessrecht: Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Problembeschreibung

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

 

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

 

Der BGH ist deutschen Betroffenen in einem sehr bedeutsamen, vielen noch unbekannten Urteil „zur Seite gesprungen“ und hat zu deren Gunsten geurteilt, dass der Verstoß eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung in der Regel zum Schadensersatz verpflichtet. Das Urteil betrifft einen deutsch-amerikanischen Fall, erscheint nach Auffassung des Autors jedoch auf andere Drittlandskonstellationen übertragbar.

Litigation between the countries of the USA and Israel for the gold riches of their countries

BGH-Urteil vom 17.10.2019; Az. III ZR 42/19; BGHZ 223, 269

Mit Urteil vom 17.10.2019 hat der BGH entschieden, dass ein US-Kläger, der unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung in den USA eine Klage erhebt, der anderen Partei zum Schadensersatz hinsichtlich der durch diese Klage entstehenden Kosten verpflichtet ist (vgl. BGH-Urteil vom 17.10.2019; Az. III ZR 42/19; BGHZ 223, 269). Die einprägsamen Leitsätze des Urteils lauten:

  1. Die Vereinbarung eines inländischen Gerichtsstands kann eine Verpflichtung begründen, Klagen nur an diesem Gerichtsstand zu erheben.
  2. Verletzt eine Vertragspartei schuldhaft diese Verpflichtung durch die Klage vor einem US-amerikanischen Gericht, das die Klage wegen fehlender Zuständigkeit abweist und entsprechend US-amerikanischem Prozessrecht („American rule of costs“) eine Kostenerstattung nicht anordnet, ist sie gemäß § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet, der anderen Partei die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung zu ersetzen.

Die Lektüre der Entscheidungsgründe legt nahe, dass gemäß BGH in so gut wie jede internationale Gerichtsstandsvereinbarung – über die rein prozessuale Vereinbarung eines Gerichtsstandes hinaus – auch die materielle Pflicht hineinzulesen ist, sich an diese Vereinbarung auch zu halten:

Ausgangslage

Bisher wurde Gerichtsstandsvereinbarungen von Juristen nur eine prozessuale Wirkung zugeschrieben. Demnach beschränkte sich ihre Bedeutung auf die Begründung und/oder den Ausschluss einer bestimmten Gerichtszuständigkeit.

Eine darüberhinausgehende verpflichtende Wirkung wurde hingegen abgelehnt, sodass Klagen, die gegen eine solche Vereinbarung verstießen, keinen Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB auslösen konnten. Besonders problematisch war dies in Fällen, in denen unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung Klagen in Ländern ohne prozessualen Kostenerstattungsanspruch erhoben wurden. So ist beispielsweise gemäß der „American Rule of Costs“ in den USA die Erstattung von Anwaltskosten der obsiegenden Partei ausgeschlossen. Mit Blick auf die in den USA bekanntermaßen besonders horrenden Anwaltshonorare ist dies für den Betroffenen besonders bitter.

Von dieser Sichtweise ist der BGH nun – sehr begrüßenswert – abgekommen.

Keine grundsätzlichen Bedenken gegen materiell-rechtlichen Bestandteil

Schon nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei einer Gerichtsstandsvereinbarung um einen materiell-rechtlichen Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen.

Den Parteien ist es, wie der BGH zutreffend ausführt, im Rahmen der Vertragsfreiheit ohne weiteres möglich, in einem Vertrag neben rein prozessualen Verpflichtungen ergänzend auch materielle Pflichten zu vereinbaren.

Hierzu stellt der BGH zunächst fest, dass eine solche Annahme mit Blick auf das nationale und auch europäische Zivilprozessrecht keinen Bedenken begegnen würde, da der materiell-rechtliche Teil der Vereinbarung außerhalb des Anwendungsbereichs der Zivilprozessordnung und der EuGVVO liege.

Dies gelte in Drittlandsfällen ohne weiteres auch mit Blick auf die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs zu sog. „anti-suit-injunctions“, da dann der innerhalb der EU geltende Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens nicht berührt sei. Im Übrigen seien so oder so dann keine Wertungswidersprüche erkennbar, wenn das derogierte Gericht, also das unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung angerufene Gericht, in Kenntnis aller relevanten Umstände seine Zuständigkeit verneint hat.

In Gerichtsstandsvereinbarungen kann ein schuldrechtlich verpflichtender Inhalt hineingelesen werden

Ein schuldrechtlicher Inhalt kann gemäß der sehr überzeugenden Ausführungen des BGH in eine Gerichtsstandsvereinbarung im Wege der Auslegung hineingelesen werden.

Hierzu stellt der BGH zunächst fest, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung „nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise von einem redlichen und verständigen Vertragspartner“ dahin zu verstehen ist, dass damit die gemäß § 280 Abs. 1 BGB sanktionierte schuldrechtliche Verpflichtung eingegangen worden ist, nicht an einem anderen Gerichtsstand als dem Vereinbarten zu klagen.

Zitierenswert ist folgende Passage des Urteils, in der sich der BGH mit der typischen Interessenlage der Parteien auseinandersetzt (Rn. 37 des Urteils):

„Die Vereinbarung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts sowie eines Gerichtsstands bringt das Interesse beider Parteien zum Ausdruck, Rechtsstreitigkeiten sowohl in materiell-rechtlicher als auch in prozessualer Hinsicht planbar zu machen. Mit ihr wollen gerade die im internationalen Rechtsverkehr tätigen Vertragsparteien Rechtssicherheit schaffen und – auch wirtschaftliche – Prozessrisiken berechenbar machen (Eichel aaO S. 224). Sie bezwecken mit der Festlegung auf einen konkreten Gerichtsort die Auswahl eines bestimmten Gerichtsstands und wollen insbesondere ein nachträgliches forum shopping durch eine Vertragspartei verhindern.“

Schutzbedürftigkeit der betroffenen Partei

Diese typische und dabei schützenswerte Interessenlage beinhalt auch, unnötige Kosten für die Anrufung eines unzuständigen Gerichts zu vermeiden. Der  Schutzzweck einer solchen Vereinbarung kann, wenn er durch die Anrufung eines Gerichts unter Verstoß gegen die Vereinbarung konterkariert wird, nur dadurch verwirklicht werden, dass der dadurch belasteten Partei ein Anspruch auf Kostenerstattung zugestanden wird.

Es bestehe nach den Zwecken der oben genannten Prinzipien kein Grund dafür, eine Partei, die unter Verstoß gegen die Vereinbarung eines inländischen Gerichtsstands ein ausländisches Gericht anruft, vor den materiell-rechtlichen Kostenfolgen zu schützen, die sie bei einem reinen Inlandssachverhalt – unabhängig von der Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens – im Fall ihres Unterliegens nach dem Prozessrecht zu tragen hätte.

Die dargestellte Schutzbedürftigkeit ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen werde auch durch Art. 31 Abs. 2 und 3 der EuGVVO bestätigt, wobei der Anwendungsbereich dieser Regelung nur begrenzt und ihr Schutz hinsichtlich der Kostenfolgen der Anrufung eines unzuständigen Gerichts auch unzureichend ist.

Fazit des BGH

Nach allem sieht der BGH in einer Klage, die vom vereinbarten internationalen Gerichtsstand abweicht, einen zum Schadensersatz verpflichtenden Pflichtverstoß; dies jedenfalls dann, wenn es sich um einen Drittlandsfall (Nicht-EU) handelt und das Drittland keinen ausreichenden Erstattungsanspruch vorsieht.

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Bewertung

Das BGH-Urteil hat Bedeutung nicht nur bei Klagen in US-Fällen.

Zumindest bei Verträgen mit Partnern aus Nicht-EU-Staaten empfiehlt sich im Falle einer Verletzung der getroffenen, ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung die Prüfung des vom BGH bejahten Schadensersatzanspruchs hinsichtlich der Kosten, die eine Rechtsverteidigung im Drittland ausgelöst hat und deren Erstattung vom dortigen Prozessrecht nicht abgedeckt ist.

Aber auch bei reinen EU-Sachverhalten erscheint nach Auffassung des Autors auf Basis des oben besprochenen BGH-Urteils ein materiell-rechtlicher Schadensersatzanspruch möglich.

Eine unter Verstoß gegen eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung erhobene Klage zwingt die von der Gerichtsstandsvereinbarung begünstigte Partei vertragswidrig dazu, sich in einem fremden Rechtskreis zu – jedenfalls aus deutscher Sicht – oft deutlich höheren Kosten mit dem Vertragspartner auseinanderzusetzen.  Oftmals wird in diesen Fällen der Kostenerstattungsanspruch, den das vertragswidrig angerufene Gericht zuspricht, nicht ausreichen, um die für die Rechtsverteidigung „in der Fremde“ erforderlich gewordenen Kosten zu decken. Wie vom BGH selbst zutreffend bemerkt, sieht auch der EU-Gesetzgeber eine besondere Schutzbedürftigkeit der von einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung begünstigten Partei.  Die hierauf zurückgehende Regelung des Art.  31 Abs. 2 der EUGVVO reicht aber allein nicht aus, da sie eine unzulässig erhobene Klage zwar „stoppen“ hilft, aber eben nicht gewährleistet, dass die betroffene Partei tatsächlich alle Kosten erstattet erhält.

Zu den Möglichkeiten im Übrigen, sich gegen Klagen, die unter Verstoß gegen eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung erhoben werden, zu Wehr zu setzen, lesen Sie hier!

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

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Sachverständiger befangen – Vorhandenes Gutachten dennoch vom Gericht verwertbar?

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Sachverständiger befangen – Vorhandenes Gutachten dennoch vom Gericht verwertbar?

In einem praxisrelevanten Urteil hat sich der BGH klarstellend dazu geäußert, ob und in welchen Fällen das Gutachten eines für Befangen erklärten Sachverständigen vom Gericht verwertet werden darf.

Problembeschreibung: Neues Gutachten bei Befangenheit des Sachverständigen, § 412 Abs. 2 ZPO

In § 412 Abs. 2 ZPO heißt es:

„(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.“

Die Formulierung „kann“ in § 412 Abs. 2 ZPO legt die Annahme nahe, dass bereits erstellte Gutachten trotz Befangenheit des Gutachters nach weitgehend freiem Ermessen des Gerichts verwertet werden dürfen.

Die hohe Arbeitsbelastung in deutschen Gerichten dürfte viele Richter in Versuchung bringen, die sich – vermeintlich – aus § 412 Abs. 2 ZPO ergebenen Spielräume zu Lasten der von der Befangenheit betroffenen Partei ausnutzen.

Dem hat nun der BGH zu Recht einen Riegel vorgeschoben!

Das BGH-Urteil vom 05.12.2023 – VI ZR 34/22

Mit seinem Urteil vom 05.12.2023 (Az. VI ZR 34/22) hat der BGH zunächst klargestellt, dass ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO (Stichwort: „kann“) das Gutachten eines abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht verwertet werden darf.

Ausnahmen sind gemäß den weiteren Ausführungen des BGH nur in engsten Grenzen möglich, nämlich dann, wenn

„die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist.“

Zu Recht hat der BGH zu diesem Ausnahmentatbestand weiter ausgeführt, dass es für die Annahme, bei Erstellung des Gutachtens habe eine Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit noch nicht vorgelegen, nicht ausreichen kann, dass der Anknüpfungspunkt für die Annahme der Unvoreingenommenheit erst später, also nach Gutachtenerstellung, zutage getreten war. Der BGH wörtlich:

„Daraus, dass eine (mögliche) Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit sich nicht schon früher offenbart hat, folgt nicht, dass eine solche auch nicht vorgelegen hat.“

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Fazit – Gutachten eines abgelehnten Sachverständigen praktisch nie verwertbar

Der Fall, dass das Gutachten eines wegen Befangenheit abgelehnten Sachverständigen trotzdem verwertet werden darf, hat im Ergebnis eine rein theoretische Natur. Denn:

Sollte der Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert worden sein, dann dürfte bereits die Ablehnung des Sachverständigen aus diesem Grund scheitern.

Ist er dann aber erst einmal abgelehnt, ist regelmäßig ungeachtet der konkreten Umstände nicht auszuschließen, dass die festgestellte Besorgnis der Befangenheit bereits bei Gutachtenerstellung vorgelegen hat.

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Kurz-Überblick: Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile („HAVÜ“)

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Kurz-Überblick: Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile

Zum 1. September 2023 ist EU-weit das Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- oder Handelssachen („HAVÜ“) in Kraft getreten.

Überblick HAZÜ

Die Ukraine hatte das Übereinkommen im August 2022 ratifiziert. In Folge dieser Ratifikation und des vorausgegangenen Beitritts der Europäischen Union war die erforderliche Anzahl von Mitgliedsstaaten erreicht, und das Übereinkommen konnte ein Jahr später in Kraft treten.

Im EU-Raum (ausgenommen Dänemark) ergänzt das HAVÜ künftig die EUGVVO, das Luganer Übereinkommen sowie das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen.

Neben der EU und der Ukraine haben noch fünf weitere Staaten (Costa Rica, Israel, Russland, USA und Uruguay)  das HAVÜ unterzeichnet, aber bislang nicht ratifiziert. Die praktische Bedeutung ist somit noch auf das Verhältnis zur Ukraine beschränkt, denn unter den EU-Mitgliedstaaten hat insbesondere die EUGVVO Vorrang.

Das HAVÜ sieht vor, dass Urteile eines Vertragsstaates, die dort wirksam und vollstreckbar sind, in den anderen Vertragsstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken sind. Voraussetzung ist, dass das ausländische Gericht seine internationale Zuständigkeit auf einen in Art. 5 HAVÜ genannten Grund stützt.

Art. 7 Abs. 1 HAVÜ definiert sechs Fallkonstellationen, in denen die Anerkennung und Vollstreckung versagt werden können. Es handelt sich dabei um folgende, auch in der EUGVVO enthaltene Fälle:

  • Mangelhaft Zustellung
  • Betrügerische Erlangung des Urteilstitels
  • Verstoß gegen den odre public
  • Verstoß gegen Gerichtsstandsvereinbarung
  • Entgegenstehendes Urteil im ersuchten Staat
  • Entgegenstehende ältere Entscheidung
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Fazit zum HAZÜ

Innereuropäisch hat das HAZÜ wegen des Vorrangs der EUGVVO vorläufig keine Bedeutung. Über die EU-Grenzen hinaus zielt das HAZÜ vor allem auf den überaus wichtigen Wirtschaftspartner USA, der das HAZÜ aber bislang nicht ratifiziert hat. Entsprechend kommt dem HAZÜ vorläufig nur eine sehr begrenzte Bedeutung zu. Lesen Sie ergänzend auch meinen ausführlichen Beitrag zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile ind Deutschland.

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Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen: Was tun bei einer Klage aus dem Ausland trotz entgegenstehender ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung?

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Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen: Was tun bei einer Klage aus dem Ausland trotz entgegenstehender ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung?

Problembeschreibung

Um kostspielige und unangenehme Rechtsstreitigkeiten im Ausland zu verhindern, ist es ratsam, mit ausländischen Geschäftspartnern ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen abzuschließen, die ausschließlich deutsche Gerichte als zuständig festlegen. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass der Geschäftspartner im Streitfall, entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung, Klage in seinem eigenen Land einreicht. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Was kann man zur Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen tun?

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Verfahren zur Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen: Artikel 31 Abs. 2 EUGVVO

Eine wenig bekannte, im europäischen Raum geltende Regelung zur Lösung dieses Problems ist in der Europäischen Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, kurz: EUGVVO, enthalten. Artikel 31 Absatz 2 der EUGVVO besagt:

„Wird ein Gericht eines Mitgliedstaats angerufen, das gemäß einer Vereinbarung nach Artikel 25 ausschließlich zuständig ist, so setzt das Gericht des anderen Mitgliedstaats unbeschadet des Artikels 26 das Verfahren so lange aus, bis das auf der Grundlage der Vereinbarung angerufene Gericht erklärt hat, dass es gemäß der Vereinbarung nicht zuständig ist.“

Diese Regelung, die 2015 zum Schutz ausschließlicher Gerichtsstände geschaffen wurde, erweist sich in der beschriebenen Situation als äußerst hilfreich. Der Vertragspartner, der mit einer ausländischen Klage konfrontiert ist, kann vor seinem Heimatgericht feststellen lassen, dass nur dieses Gericht zuständig ist. Gleichzeitig kann er diese Klage nutzen, um den Streitfall vor dem zuständigen deutschen Gericht klären zu lassen, insbesondere bei Zahlungsklagen, gegebenenfalls durch eine negative Feststellungsklage (weitere Informationen dazu finden Sie in meinem separaten Beitrag).

Das ausländische Gericht, das gemäß nach Artikel 31 Abs. 2 EUGVVO über diese Klage zu informieren ist, hat dann umgehend das eigene Verfahren von Amts wegen auszusetzen. Damit wäre die lästige ausländische Klage zunächst einmal gestoppt.

Sobald das deutsche Gericht seine ausschließliche Zuständigkeit festgestellt hat, muss sich in der Folge das ausländische Gericht für unzuständig erklären. Damit wäre der unangenehme Auslandsrechtsstreit beigelegt.

Fazit

Im Detail gibt es zu dem beschriebenen Verfahren zur Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen noch viele Fragen zu klären, insbesondere da die Vorschrift relativ neu ist und nur wenige gerichtliche Entscheidungen dazu vorliegen. Wer also den Weg des Artikel 31 Absatz 2 EUGVVO beschreiten möchte, betritt in weiten Teilen Neuland. Es könnte sich als lohnenswert erweisen. Lesen Sie zu den Handlungsmöglichkeiten im Falle einer ausländischen Klage auch meinen Beitrag „Klage aus dem Ausland

Übrigens:

Wussten Sie schon, dass der Bundesgerichtshof (BGH) Verstöße gegen Gerichtsstandsvereinbarungen als Pflichtverletzung ansieht? Dies führt dazu, dass dem Geschädigten ein wertvoller Schadensersatzanspruch entsteht! Weitere Informationen dazu finden Sie in meinem bald veröffentlichten Beitrag.

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Anerkennung und Vollstreckung von EU-Urteilen in Deutschland

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Anerkennung und Vollstreckung von EU-Urteilen in Deutschland – Ein Leitfaden

Einführung

Mit der Internationalisierung des Geschäftsverkehrs geht einher, dass der Frage, ob und wie ein im Heimatland des Gläubigers ergangenes Urteil im hiervon abweichenden Heimatstaat des Schuldners vollstreckt werden kann, eine hohe praktische Bedeutung zukommt. Denn die leidliche Erfahrung auch des Verfassers dieses Beitrags zeigt, dass viele Schuldner zur freiwilligen Leistung nicht bereit sind.

Nachfolgender Beitrag verschafft einen Überblick, wie ein in der EU in Zivil- und/oder Handelssachen erlassenes Urteil in anderen EU-Mitgliedstaaten – hier am Beispiel Deutschland – vollstreckt werden kann.

Europe

Grundlage: EU-Verordnung 1215/2012 (EUGVVO)

Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der EU ist in Zivil- und/oder Handelssachen in der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geregelt (bekannt als: „EUGVVO“).

Automatische Anerkennung von in anderen EU-Mitgliedstaaten erlassenen Urteilen nach Artikel 36 EuGVVO

Nach den Artikel 36 Abs. 1 der EuGVVO werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen auch in anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.  Artikel 36 Abs. 1 der EUGVVO lautet:

„Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.“

Mögliche Einwände und Prüfung nach Artikel 45 EuGVVO

Allerdings erfolgt auf Antrag der Gegenpartei im Rahmen der Grenzen des Artikel 45 EuGVVO dennoch eine Prüfung bestimmter Anerkennungsvoraussetzungen.

Artikel 45 Abs. 1 EuGVVO lautet:

„Die Anerkennung einer Entscheidung wird auf Antrag eines Berechtigten versagt, wenn

 

  1. a) die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Mitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde;

  2. b) dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleich wertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte;

  3. c) die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien im ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist;

  4. d) die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat erfüllt, oder

  5. e) die Entscheidung unvereinbar ist

  6. i) mit Kapitel II Abschnitte 3, 4 oder 5, sofern der Beklagte Versicherungsnehmer, Versicherter, Begünstigter des Versicherungsvertrags, Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer ist, oder

  7. ii) mit Kapitel II Abschnitt 6.“

Demnach darf insbesondere die internationale Entscheidungszuständigkeit nicht überprüft werden. Dies stellt Artikel 45 Abs. 3 S. 1 der EuGVVO klar, wonach die Vorschriften über die Zuständigkeit nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public) gehören.

Ziel ist es, dass Entscheidungen eines Mitgliedstaates mit möglichst wenig zusätzlichem Aufwand in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden können.

Die wie gesagt nur auf Antrag erfolgende Prüfung der genannten Anerkennungsvoraussetzungen ist Teil des Vollstreckungsverfahrens (dazu sogleich).

Vollstreckung ohne vorherige Vollstreckbarkeitserklärung

Die bedeutsamste, mit der Neufassung der EuGVVO geschaffene Neuerung im Rechtsverkehr innerhalb der EU ist die Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.

So ist eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung nach Artikel 39 EuGVVO in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar, ohne dass es einer gesonderten Vollstreckbarerklärung bedarf. Ausländische EU-Entscheidungen werden im Hinblick auf ihre Vollstreckung damit im Grundsatz inländischen Entscheidungen gleichgestellt (Art. 41 Abs. 1 EuGVVO, § 794 Abs. 1 Nr. 9 ZPO).

Die Streichung des sog. Exequaturverfahrens zielt auf eine Beschleunigung der Vollstreckung, indem dem Schuldner die Möglichkeit genommen wird, Rechtsbehelfe in diesem Verfahren zur Verschleppung einzusetzen.

 

Berücksichtigungsfähige Vollstreckungsversagungsgründe

Eine Anerkennung und damit eine Vollstreckung kann in den eng auszulegenden Grenzen des Artikel 46 in Verbindung mit Artikel 45 der EuGVVO versagt werden. Allerdings werden die möglichen Versagungsgründe nur auf Antrag des Schuldners nach den Artikeln 46 ff. der EuGVVO als Einwendung geltend zu machen und werden mithin nicht von Amts wegen geprüft.

Als Versagungsgründe kommen nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Artikel 46 der EuGVVO nur die in Artikel 45 der EuGVVO genannten Gründe in Betracht. Darüberhinausgehende materiellrechtliche Einwendungen gegen den Titel bleiben nach zutreffender Auffassung außer Betracht.

Zu den möglichen Versagungsgründen im groben Überblick das Folgende:

„Offensichtlicher“ Verstoß gegen Ordre Public, Artikel 45 Abs. 1 a EUGVVO

Artikel 45 Abs. 1 a) der EUGVVO setzt einen „offensichtlichen“ Verstoß gegen den ordre public voraus.

Wie auch bei „normalen“ Drittlandsurteilen, ist dem ersuchten Gericht eine allgemeine Überprüfung des Urteils untersagt (Verbot der sog. révision au fond). Es spielt also für die Anerkennungsfähigkeit insbesondere keine Rolle, ob das Urteil Ergebnis eines ordnungsgemäßen Verfahrens gewesen ergangen ist, und ob das Ursprungsgericht die Tatsachen zutreffend ermittelt und gewürdigt hat.

Es geht bei einem beachtlichen „offensichtlichen“ ordre public Verstoß lediglich um krasse und daher sehr seltene Fälle, in denen aus Sicht des ersuchten Staates eine Anerkennung als geradezu unerträglich erschiene.

Die Grenzen, die hierbei anzulegen sind, ergeben sich grundsätzlich aus dem anerkennungsfreundlichen Europarecht, obwohl der ordre public von Staat zu Staat unterschiedlich ist.

Beachte:

Ausdrücklich (vgl. Art. 45 Abs. 3 S. 2 EuGVVO) nicht unter den ordere public fallen die Vorschriften über die Zuständigkeit. Dies bedeutet, dass selbst ein von einem unzuständigen Gericht erlassenes EU-Urteil in Deutschland vollstreckt werden kann, ohne dass dagegen die mangelnde Zuständigkeit eingewendet werden könnte. Besondere Abwehrmöglichkeiten existierten im Falle einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung gemäß der wenig bekannten Regelung in Artikel Art 31 Abs. 2 EUGVVO. Lesen Sie hierzu meinen gesonderten Beitrag.

Nicht ordnungsgemäße Verfahrenseinleitung, Artikel 45 Abs. 1 b) EUGVVO

Nicht jeder Fehler in der Verfahrenseinleitung begründet ein Anerkennungshindernis.

So führt das Fehlen einer an sich erforderlichen Übersetzung nicht ohne weiteres zur Versagung der Anerkennung. Dies gilt zum Beispiel dann, wenn der Beklagte im Ausgangsverfahren mit einem dort eingelegten Rechtsmittel geltend gemacht hat bzw. geltend machen konnte, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht in der gehörigen Form zugeleitet worden war.

Als Faustformel lässt sich festhalten, dass das maßgebliche Kriterium in der Frage liegt, ob dem Beklagten des Erstverfahrens rechtliches Gehör möglich gewesen ist. Im Detail ist zu dieser Frage vieles streitig und bedarf einer Würdigung in jedem Einzelfall.

Unvereinbarkeit mit anderer Entscheidung, Artikel 45 Abs. 1 c) und d) EUGVVO

Artikel 45 Abs. 1 c) und d) der EUGVVO betreffen Fälle, in denen die in Rede stehende Entscheidung mit einer anderen inländischen (lit c) oder mit einer ausländischen, also einer Entscheidung, die entweder in einem anderen als dem „ersuchten“ Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat ergangen ist, unvereinbar ist. Unvereinbar meint, dass die in den Urteilen festgestellten Rechtsfolgen einander ausschließen.

Soweit die vorbeschriebene Konfliktlage gegeben ist, hat eine im ersuchten Staat ergangene Entscheidung stets Vorrang, selbst dann, wenn sie später ergangen ist. Dies kann zur Folge haben, dass eine ausländische Entscheidung vorübergehend Wirkung entfaltet und diese Wirkung dann später ex nunc infolge einer entgegenstehenden inländischen Entscheidung entfällt.

Handelt es sich um eine Entscheidung aus einem anderen Mitgliedsstaat oder einem Drittland, so wird die Konfliktlage über das Prioritätsprinzip aufgelöst. Soweit das Urteil aus dem anderen Mitgliedsstaat oder dem Drittland früher ergangen ist, hat es Vorrang.

Missachtung von Sonderzuständigkeiten, Artikel 45 Abs. 1 e) EUGVVO

Artikel 45 Abs. 1 e) der EUGVVO behandelt schließlich den Verstoß gegen besondere Zuständigkeitsregelungen der EUGVVO, z.B. im Falle von Versicherungssachen und bei Verbraucherangelegenheiten.

Verfahrensablauf

Durch die Abschaffung eines Exequaturverfahrens erfolgt die Prüfung von Vollstreckungsversagungsgründen erst im Vollstreckungsverfahren, Art. 46 ff. EuGVVO.

Das Verfahren setzt einen Antrag des für das Vorliegen von Versagungsgründen auch darlegungs- und beweisbelasteten Schuldners voraus (Art. 46 EuGVVO), der bei den von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 75 lit. a EuGVVO mitgeteilten Gerichten zu stellen ist. In Deutschland sind dies gemäß § 1115 Abs. 1 ZPO ausschließlich die Landgerichte.

Soweit ein Gericht – dies nur auf Antrag – in einem Vollstreckungsverfahren eine Vollstreckung ablehnt, weil nach Auffassung dieses Gerichts ein Grund zur Versagung der Anerkennung vorliegt, so handelt es sich hierbei um eine Inzidententscheidung und hat nur Wirkung für das jeweilige Verfahren. Es ist also möglich, dass ein anderes Gericht des ersuchten Mitgliedsstaates hinsichtlich des identischen Urteils eine andere Auffassung vertritt, was widersprüchliche Entscheidungen innerhalb eines Mitgliedstaates bedeuten würde.

Da dies unbefriedigend wäre, sieht die EUGVVO den Antrag nach Artikel 36 Abs. 2 vor:

„Jeder Berechtigte kann gemäß dem Verfahren nach Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 die Feststellung beantragen, dass keiner der in Artikel 45 genannten Gründe für eine Versagung der Anerkennung gegeben ist.“

Ist vom ersuchten Gericht auf Antrag nach Artikel 36 Abs. 2 EUGVVO festgestellt worden, dass der fraglichen Entscheidung kein Anerkennungshindernis entgegensteht, so ist diese Entscheidung im ersuchten Staat und zwischen den Verfahrensbeteiligten rechtskräftig und kann inter partes nicht mehr in Frage gestellt werden. Dies folgt unmittelbar aus dem Unionsrecht, auch wenn die Verordnung selbst hierzu keine Aussage enthält. Gleiches gilt umgekehrt, wenn das Gericht infolge eines solchen Antrags festgestellt hat, dass ein Versagungsgrund vorliegt, Artikel 45 Abs. 4 EUGVVO.

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FAZIT

Anders als bei Urteilen aus Drittstaaten sind die Abwehrmöglichkeiten gegenüber Urteilen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten leider gering. Dennoch lohnt es sich selbstverständlich, die dargestellten möglichen Einwendungen genau zu prüfen, um so eventuell einer Vollstreckung entgehen zu können.

 

 

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

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Urkundenklage im Zivilprozess: Definition, Ablauf und Kontext mit dem Mahnverfahren

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Urkundenklage im Zivilprozess: Definition, Ablauf und Kontext mit dem Mahnverfahren

Dieser Ratgeber erklärt bündig die Urkundenklage im deutschen Zivilprozess, ihre Unterschiede zum Mahnverfahren und gibt Tipps, wann sie sinnvoll ist.

Was versteht man unter einer Urkundenklage?

Eine Urkundenklage bzw. ein Urkundenprozess bietet als beschleunigtes Verfahren die Möglichkeit, eine Klage – zunächst – nur mittels Urkunden zu führen, vgl. § 592 ZPO.  

Im sog. Urkundenprozess werden folglich keine Zeugen vernommen und keine Gutachten erstellt. Es wird nur der Anspruch aus der Urkunde geprüft. Die Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten sind spiegelbildlich auf Urkunden beschränkt. Letzteres bedeutet: 

Selbst wenn der mittels Urkunden geltend gemachte Anspruch unbegründet ist, dies vom Beklagten jedoch nicht mittels Urkunden belegt werden kann, wird die Klagepartei den Urkundenprozess zunächst gewinnen und erhält so einen – vorläufig – vollstreckbaren Titel.  

Der Beklagte hat dann allerdings die Möglichkeit, in einem sog. Nachverfahren (§ 600 ZPO) alle ihm im Urkundenprozess verwehrt gebliebenen Einwände gegen die Klageforderung zu erheben. Im Erfolgsfalle ist der Kläger, der aufgrund des im Urkundenprozess erwirkten Titels Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat, gegenüber dem Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet.

Urkundenklage vs. Mahnverfahren

Der vorstehend in Grundzügen dargestellte Urkundenprozess ist im Zusammenhang mit dem Mahnverfahren zu sehen. Beide Verfahren stellen eine Möglichkeit dar, in im Vergleich zur regulären Klage deutlich kürzerer Zeit einen Vollstreckungstitel zu erhalten.

Während im Mahnverfahren ein unbegründeter Widerspruch des Beklagten ohne weiteres dazu führt, dass der Kläger seinen Anspruch im regulären Klageverfahren weiterverfolgen muss, bietet die Urkundenklage die Chance, über eine Urkunde, die den fraglichen Anspruch geeignet verbrieft, zu einem Vollstreckungstitel zu gelangen. Hier reicht also ein Widerspruch des Beklagten allein nicht aus. Nur dann, wenn es dem Beklagten gelingt, die Begründetheit des Anspruchs aus der Urkunde heraus zu Fall zu bringen, muss der Kläger – wie im Falle des Mahnverfahrens – seinen Anspruch im regulären Klageverfahren weiterverfolgen.

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Bewertung: Wann ist die Urkundenklage das richtige Verfahren für Sie?

Die Urkundenklage soll der Verfahrensbeschleunigung dienen, kann jedoch ihre Vorteile nur dann voll ausspielen, wenn der Anspruch eindeutig aus der Urkunde hervorgeht und der Beklagte keine substantiierten Einwendungen erhebt. Andernfalls kann – eher: wird – das Verfahren in ein reguläres Klageverfahren (Nachverfahren) übergehen mit der Folge, dass sich der Kläger besser von vornherein für das normale Verfahren hätte entscheiden sollen.

Auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erhebung einer Urkundenklage vorliegen, ist diese daher nicht in jedem Fall die beste Wahl.

Dem Kläger ist insbesondere zu raten, den potenziellen Widerstand des Beklagten im Voraus zu antizipieren und entsprechend zu planen. Wenn ein Widerstand des Beklagten wahrscheinlich erscheint, ist es im Zweifel sinnvoller, direkt ein reguläres Klageverfahren zu wählen, um Zeit und Ressourcen zu sparen.

Jedoch sollte vor der Wahl dieses Verfahrens immer der spezifische Sachverhalt betrachtet und eine Abwägung der Vor- und Nachteile vorgenommen werden.

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

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Offenkundige Tatsachen im Zivilprozess – gerichtliche Beweisaufnahme erforderlich?

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Ratgeber ZPO: Offenkundige Tatsachen im Zivilprozess – Benötigen im Internet recherchierbare Fakten eine gerichtliche Beweisaufnahme?

In der digitalen Ära, in der Suchmaschinen wie Google eine zentrale Rolle spielen, gewinnen „offenkundige Tatsachen im Zivilprozess“ zunehmend an Bedeutung. Die Zivilprozessordnung (ZPO) stellt in § 291 nämlich klar, dass „offenkundige Tatsachen“, im Zivilprozess keiner Beweiserhebung bedürfen. Doch was genau unter einer „offenkundigen Tatsache“ zu verstehen ist und wie sie verwertet werden darf, wirft in der Praxis häufig Fragen auf.

Female judge on the bench in a court room

Wesentliche Klarstellungen durch das BGH-Urteil vom 27. Januar 2022 (Az. III ZR 195/20)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jüngst in einem sehr praxisrelevanten Urteil wichtige Punkte in Bezug auf „offenkundige Tatsachen“ klargestellt.

Er bestätigte zunächst, dass im Internet auffindbare Informationen als „offenkundige Tatsachen“ im Sinne des § 291 ZPO gelten können. Darüber hinaus gab der BGH wertvolle Hinweise für die Gerichte, wie sie mit solchen Tatsachen umzugehen hat.

Vorgaben des BGH für die Verwertung „offenkundiger Tatsachen“

Der BGH unterstrich in seinem Beschluss vom 27. Januar 2022 (Az. III ZR 195/20) insbesondere die Notwendigkeit, dass ein Gericht den Parteien die Möglichkeit zur Stellungnahme geben muss, bevor es eine „offenkundige Tatsache“ in seine Entscheidung einfließen lässt. Das gilt selbst dann, wenn diese Tatsache dem Internet entnommen wurde. Ein Hinweis kann lediglich dann entfallen, wenn beide Parteien bereits Kenntnis von der fraglichen Tatsache und ihrer Entscheidungsrelevanz haben.

Der BGH hat wörtlich ausgeführt:

„(…) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (…) darf ein Gericht seiner Entscheidung keine Tatsachen zugrunde legen, ohne den Parteien vorher Gelegenheit zu geben, sich zu ihnen zu äußern. Das gilt auch dann, wenn es sich um offenkundige Tatsachen im Sinne des § 291 ZPO handelt. Zu diesen gehören auch solche, die das Gericht dem Internet entnommen hat; will es diese zur Grundlage seines Urteils machen, muss es das Ergebnis seiner Ermittlungen den Parteien zugänglich machen und ihnen durch einen Hinweis (…).“

Ausnahme: Für die Parteien ist die Offenkundigkeit und Erheblichkeit der Tatsache „ohne Weiteres gegenwärtig“.

Eines gerichtlichen Hinweises soll es allerdings ausnahmsweise dann nicht bedürfen, wenn es sich um Tatsachen bzw. Umstände handelt, die den Parteien „ohne Weiteres gegenwärtig sind und von deren Entscheidungserheblichkeit sie wissen“.

Expertenbewertung

Mit dieser Entscheidung des BGH wurde das grundrechtlich verankerte Recht beider Parteien auf rechtliches Gehör respektiert und betont. Die Gerichte müssen die betroffene Partei auf die beabsichtigte Verwertung einer „offenkundigen Tatsache“ hinweisen. Nur so erhält die Partei die Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Ausnahmen sind lediglich bei allgemein bekannten Umständen und ihrer klaren Relevanz für den Fall zulässig.

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

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Zur Hinweispflicht des Gerichts im Zivilprozess

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Zur Hinweispflicht des Gerichts im Zivilprozess – Hinweiserteilung erst in der Verhandlung ist zu spät!

Am Beispiel der Hinweispflicht des Gerichts zeigt sich, dass die Gerichte ihren aus der Zivilprozessordnung (ZPO) resultierenden Pflichten den Parteien gegenüber oftmals nur unzureichend nachkommen.

So ist es zum Beispiel nicht selten, dass Gerichte bis zum ersten Verhandlungstermin – bis dahin können im schlimmsten Fall Jahre vergehen – schlichtweg schweigen. Die Parteien wissen so über lange Zeit nicht, wo sie stehen und erwarten mit großer Spannung den Verhandlungstermin, von dem sie sich endlich Erkenntnisse zur Sichtweise des Gerichts erhoffen. Erst während des Gerichtstermins erteilen Richter dann oft sog. gerichtliche Hinweise nach § 139 Abs. 2 u. 3 ZPO.

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Gerichtliche Hinweise erst in der Gerichtsverhandlung sind nicht rechtzeitig!

Dieses Vorgehen ist rechtswidrig und kann ein Berufungsgrund sein! Gerichte müssen – dies besagt ausdrücklich § 139 Abs. 4 ZPO – Hinweise so früh wie möglich erteilen. Anderenfalls wurde der Hinweispflicht des Gerichts nicht Genüge getan.

Es ist daher begrüßenswert, dass der BGH auf diesen Umstand in seiner Revisionsrechtsprechung immer wieder (siehe auch diesen Beitrag) deutlich hinweist. Mal wieder mit Beschluss vom 21.01.2020 (Az. VI ZR 346/18) hat der BGH diesen Hinweis an die Instanzgerichte wiederholt und ausgeführt (Anmerkung: der zugrundeliegende Fall betraf einen verspäteten Hinweis des Berufungsgerichts):

„(…) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags einer Partei haben. Lässt ein Gericht den Vortrag einer Partei unberücksichtigt, ohne dass dies im Prozessrecht eine Stütze findet, verletzt es damit deren Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. nur Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2018 – VI ZR 213/17 , NJW 2019, 1082 Rn. 6; BVerfGE 69, 141, 143 f. [BVerfG 30.01.1985 – 1 BvR 393/84] ; jeweils mwN). Die Verfahrensweise des Berufungsgerichts findet im Gesetz keine Stütze mehr.

 

Der Bundesgerichtshof entnimmt Art. 103 Abs. 1 GG in ständiger Rechtsprechung, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, vom Berufungsgericht einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und auf Grund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält; der Hinweis muss dabei grundsätzlich so rechtzeitig erteilt werden, dass der Berufungsbeklagte noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung reagieren kann (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2019 – V ZR 4/19 Rn. 7, juris; vom 11. April 2018 – VII ZR 177/17 , NJW 2018, 2202 Rn. 8; vom 21. Januar 2016 – V ZR 183/15 Rn. 5, juris; vom 4. Juli 2013 – V ZR 151/12 , NJW-RR 2014, 177 Rn. 8; ferner Senatsbeschluss vom 25. Mai 2018 – VI ZR 370/17, VersR 2018, 1001 [BGH 29.05.2018 – VI ZR 370/17] Rn. 15; jeweils mwN). Erteilt das Berufungsgericht den Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, so muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben. Ist offensichtlich, das sich die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, so muss das Gericht, wenn es nicht ins schriftliche Verfahren übergeht, die mündliche Verhandlung auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BGH, Beschlüsse vom 11. April 2018 – VII ZR 177/17 , NJW 2018, 2202 Rn. 8; vom 27. September 2013 – V ZR 43/12 Rn. 12 ff., juris; vom 4. Juli 2013 – VII ZR 192/11 , NJW-RR 2013, 1358 Rn. 7).

Gegen diese Pflichten hat das Berufungsgericht verstoßen. (…)“

Bewertung

Nach Auffassung des Verfassers hat diese Rechtsprechung auch für die Hinweispflichten in erster Instanz Geltung. Dies folgt schon aus § 139 Abs. 4 ZPO, wonach Hinweise so früh wie möglich zu erteilen sind. Verstößt das Gericht hiergegen, indem es mit seinen Hinweisen bis zum Verhandlungstermin wartet, muss es späteren Vortrag der Partei auch ohne Beantragung eines auf die Hinweise bezogenen Schriftsatznachlasses berücksichtigen, um nicht gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör zu verstoßen.

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Bezugnahme auf USB-Stick im Klageantrag

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Neues zur Digitalisierung IM Zivilprozess – Bezugnahme auf USB-Stick im Klageantrag ZULÄSSIG

Die Bezugnahme auf auf einen USB-Stick im Klageantrag ist zulässig. Dies hat der BGH in einem noch jungen Urteil vom 14.07.2022 (Az. I ZR 97/21) klargestellt.

Problembeschreibung: Digitalisierung Im Zivilprozess

Die Digitalisierung schreitet voran – auch im Zivilprozess. Schon nach dem Gesetz (vgl. § 130a Abs. 1 ZPO) dürfen Anlagen zu Klageschriften oder sonstigen Schriftsätzen unter Beachtung bestimmter Vorgaben als „elektronische Dokumente“ bei Gericht eingereicht werden. § 130a Abs. 1 ZPO lautet:

„Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der folgenden Absätze als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.“

Problematisch ist, dass sich die vorstehend zitierte Erlaubnis auf die digitale Einreichung von auch in Schriftform vorhandenen bzw. produzierbaren Gegenständen beschränkt. In der Realität haben wir es aber zunehmend mit rein digitalen Gegenständen bzw. Sachverhalten zu tun. Für diese immer häufiger vorkommende Konstellation hat der BGH nun für die Praxis wertvolle Klarstellungen getroffen.

Woman plugging a USB flash drive into her laptop

Das BGH Urteil vom 14.07.2022 (Az. I ZR 97/21) – Die Digitalisierung des Zivilprozesses umfasst auch die Bezugnahme auf einen USB-Stick im Klageantrag

In seinem Urteil vom 14.07.2022 (Az. I ZR 97/21) hat der BGH klargestellt, dass auch ein Klageantrag, aus dem im Erfolgsfalle vollstreckt werden soll, die Bezugnahme auf einen USB-Stick erlaubt ist. Der BGH hat ausgeführt:

„Die Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren von
Amts wegen zu prüfen (BGH, Urteil vom 16.
Dezember 2021 – I ZR 201/20,
GRUR 2022, 229 [juris Rn. 21] = WRP 2022, 318 – ÖKO-TEST III, mwN).
Nach
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1
Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st.
Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2021 – I ZR 90/20, BGHZ 231, 38 [juris Rn. 19] – Influencer I, mwN). Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn auf die konkrete Verletzungshandlung Bezug genommen wird und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Wettbewerbsverstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2018 – I ZR 108/17, GRUR 2019, 627 [juris Rn. 15]=WRP2019,731 – Deutschland-Kombi; Beschluss vom 4. Februar 2021 – I ZR79/20,K&R 2021, 333 [juris,Rn.12]).

Danach ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass
die Bezugnahme auf den von der Klägerin als Anlage K 1 zu den Akten gereichten USB-Stick, der das beanstandete Telemedienangebot als konkrete Verletzungsform unstreitig vollständig dokumentiert, zur Konkretisierung der Unterlassungsanträge der Klägerin ausreicht.“

Meine Bewertung zur Zulässigkeit der Bezugnahme auf einen USB-Stick im Klageantrag

Das Urteils stellt begrüßenswert klar, dass die Digitalisierung des Zivilprozesses nicht bei der Einreichung von Dokumenten im Rahmen eines Gerichtsverfahrens halt macht.   
§ 130a Abs. 1 ZPO hilft dann nicht weiter, wenn der eigentliche Streitgegenstand in einem Verfahren ein digitales Produkt ist. Dann nämlich ist es schlichtweg kaum möglich, in einem Urteilspruch auf die Bezugnahme auf eine außerhalb des Urteils liegende digitale Quelle (hier: USB-Stick) zu verzichten.

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Klageabweisung als „derzeit unbegründet“

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Ratgeber Baurecht: Zur Rechtskraft einer Klageabweisung als „derzeit unbegründet“

Gerade in baurechtlichen Streitigkeiten ist eine Klageabweisung als „derzeit unbegründet“ keine Seltenheit. Oft geht es dabei z.B. um die Fälligkeit von Vergütungsansprüchen, weil die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung fraglich ist. In diesen Fällen kommt es dann immer wieder zu Urteilen, die eine Klage als derzeit unbegründet abweisen.

Der BGH hat jüngst mit detaillierter Begründung festgestellt, dass in solchen Fällen die Rechtskraft des abweisenden Urteils auch die Urteilsgründe umfasst, soweit darin die übrigen – also die derzeit nicht fehlenden – Anspruchsvoraussetzungen positiv festgestellt bzw. bejaht worden sind.

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BGH zur Rechtskraftwirkung einer Klagebweisung als derzeit unbegründet

Der BGH hat in seinem Urteil vom 9. Dezember 2022 (Az. V ZR 72/21) zur Begründung ausgeführt:

„(…)

Geklärt ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass bei der Abweisung einer Zahlungsklage als derzeit unbegründet gemäß § 322 Abs. 1 ZPO in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger bis zu dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch gegen den Beklagten hatte (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 6. Oktober 1989 – V ZR 263/86, WM 1989, 1897, 1898; BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – VII ZR 180/10, NJW-RR 2011, 1528 Rn. 12; Beschluss vom 23. Januar 2014 – VII ZB 49/13, NJW 2014, 1306 Rn. 11).

(…)

Umstritten war bisher, inwieweit einer Klageabweisung als zurzeit unbegründet neben dieser „negativen“ Rechtskraftwirkung zu Lasten des Klägers auch eine „positive“ Rechtskraftwirkung dahingehend zukommen kann, dass zu Gunsten des Klägers das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen des Anspruchs feststeht.

 (…)

Diese Frage hat der III. Zivilsenat in einer nach Verkündung des Urteils des Berufungsgerichts ergangenen Entscheidung in einem Fall, in dem in einem Vorprozess ein Amtshaftungsanspruch gegen einen Notar (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO) umfassend geprüft und sodann allein wegen des Bestehens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit abgewiesen worden war, bejaht (vgl. Urteil vom 9. Juni 2022 – III ZR 24/21, NJW 2022, 2754 Rn. 17 ff. mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand). Danach erstreckt sich die Rechtskraft eines die Klage als zurzeit unbegründet abweisenden Urteils auch darauf, dass im Übrigen die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind, wenn und soweit diese in den Entscheidungsgründen bejaht bzw. positiv festgestellt worden sind. Für die Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft seien bei klageabweisenden Urteilen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend heranzuziehen.

(…)

Der überzeugenden Argumentation des III. Zivilsenats schließt sich der V. Zivilsenat an und hält sie auch in dieser Konstellation für einschlägig.

 

Allerdings erwächst nicht der gesamte Urteilsinhalt in Rechtskraft. Die Rechtskraft beschränkt sich vielmehr auf die Rechtsfolge, die den Entscheidungssatz bildet, den das Gericht aus dem Sachverhalt durch dessen Subsumtion unter das objektive Recht erschlossen hat. Bei einer klagabweisenden Entscheidung ist jedoch der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Urteilsbegründung.

(…)

Bejaht das Gericht in dem Vorprozess, in dem der Beklagte die unbeschränkte Klageabweisung beantragt, die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs mit Ausnahme des Eintritts von aufschiebenden Bedingungen, handelt es sich bei der Bejahung der Anspruchsvoraussetzungen nicht allein um ein Element der Urteilsbegründung und eine Vorfrage, sondern gemessen an dem Rechtsschutzziel des Beklagten um einen ausschlaggebenden Abweisungsgrund. Der Beklagte, der eine unbeschränkte Klageabweisung beantragt, ist aufgrund seines weitergehenden Rechtsschutzziels beschwert, soweit (lediglich) eine Abweisung als derzeit unbegründet erfolgt.

(…)

Er kann daher – jedenfalls mit einem Rechtsmittel – erreichen, dass gerichtlich geprüft wird, inwieweit der geltend gemachte Anspruch unbeschränkt abzuweisen ist, weil er endgültig nicht besteht.

(…)

Dann ist es aber folgerichtig, dass die Bejahung der Anspruchsvoraussetzungen „positiv“ zugunsten des Klägers wirkt. Dieses Ergebnis ist auch deswegen überzeugend, weil andernfalls der Kläger in einem Folgeprozess gegebenenfalls gezwungen wäre, die bereits geprüften und bejahten Anspruchsvoraussetzungen nochmals zu beweisen. Der Beklagte könnte also durch erneutes Bestreiten erreichen, dass eine umfassende Prüfung derselben Anspruchsvoraussetzungen sowohl im Vorprozess als auch im Folgeprozess stattfindet. Ein derartiges Ergebnis wäre aus prozessökonomischer Sicht unsinnig, weil es die Ergebnisse des Vorprozesses entwertete.(…)“

 

Bewertung dieser Sichtweise zur Klageabweisung als „derzeit unbegründet“

Das Urteil ist grundsätzlich zu begrüßen, da es in der Tat unsinnig wäre, bereits geprüfte und bejahte Anspruchsvoraussetzungen in einem Folgeprozess erneut prüfen zu müssen.

Vorsicht ist für Betroffene solcher Konstellationen aber insofern geboten, als diese Rechtsprechung auch Tücken in sich birgt – jedenfalls dann, wenn man die aufgeführten Grundsätze auf jeden erdenklichen Fall einer Klageabweisung als „derzeit unbegründet“ wegen Fehlens einer einzelnen Anspruchsvoraussetzung ausdehnt. Beispielhaft sei der Fall genannt, dass der Kläger gegen ein solches Urteil Berufung einlegt mit dem Ziel, dass das Berufungsgericht auch die fehlende Anspruchsvoraussetzung bejaht und damit der Klage stattgibt.  Streng genommen wäre dann die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts auf die Frage des Vorliegens dieser einzelnen Fälligkeitsvoraussetzung beschränkt. Die vom Erstgericht bejahten, übrigen Anspruchsvoraussetzungen bildet ja keine Beschwer des die Berufung einlegenden Klägers. Damit also das Berufungsgericht (zugunsten des Beklagten I. Instanz) auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen überprüft, müsste der Beklagte Anschlussberufung einlegen.

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

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