Zur Verjährung von Frachtansprüchen – Ausnahme ist beim Frachtvergütungsanspruch die Regel!

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1, 2 oder 3? Zur Verjährung von Frachtansprüchen - Ausnahme ist beim Frachtvergütungsanspruch die Regel!

 

Das Frachtgeschäft ist Massengeschäft. Daher ist die Branche darauf angewiesen, einzelne Frachtaufträge zeitnah „ad acta“ legen zu können. Das internationale Frachtrecht, das die Frachtbranche schützen will, sieht aus diesem Grund für transportrechtliche Ansprüche eine gegenüber der Regelverjährung stark verkürze Verjährungsfrist vor. Nicht einfach ist die Frage zu beantworten, welche Frist für die Verjährung von Frachtansprüchen im konkreten Fall nun eigentlich gilt. 1, 2 oder 3?

Verjährung bei der Luftfracht

Beim Lufttransport ist die Frage noch relativ einfach zu beantworten. Hier gilt im Allgemeinen eine sog. Ausschlussfrist von 2 Jahren (vgl. Art. 35 MÜ). Zu beachten ist aber, dass diese Frist nur für Schadensersatzansprüche gegen den Frachtführer gilt. Zudem gilt diese Frist auch im Falle eines sog. qualifizierten Verschuldens, bei dem das Landfrachtrecht (dazu sogleich) eine Sonderregelung vorsieht. Für alle sonstigen Ansprüche gelten im Bereich der Luftfracht die einschlägigen allgemeinen Verjährungsregeln.

Verjährung bei Landtransporten

Im Landfrachtrecht wird es komplizierter:

Hier gilt für alle Ansprüche „aus einer Beförderung“ grundsätzlich eine kurze Frist von nur einem Jahr. Diese beginnt mit Ablieferung des Frachtguts bzw. ab dem Tag, an dem hätte abgeliefert werden müssen. Diese Rechtslage gilt – bezogen auf den Landtransport – im Wesentlichen gleichermaßen im nationalen (439 HGB) wie im internationalen Bereich (Art. 32 CMR).

3-jährige Verjährung von Frachtansprüchen bei qualifiziertem Verschulden – Beim Frachtvergütungsanspruch die Regel

Abweichend gilt – wiederum national wie international – eine 3-jährige Frist, wenn dem Anspruchsgegner ein sog. qualifiziertes Verschulden trifft.

Bezogen auf den Hauptanspruch (Primäranspruch) des Frachtführers lohnt sich dabei ein näherer Blick auf die Rechtslage:

Beim Frachtanspruch (Vergütungsanspruch des Frachtführers) ist bereits umstritten, ob die transportrechtlichen Verjährungsregeln überhaupt einschlägig sind. Legt man die transportrechtlichen Verjährungsvorschriften zugrunde, so haben  § 439 Abs. 1 S.2 HGB bzw. Art. 32 Abs. 1 S. 2 CMR beim Frachtvergütungsanspruch besondere Relevanz. Nach diesen Regelungen verjähren transportrechtliche Ansprüche erst in drei Jahren, wenn dem Anspruchsgegner ein sog. qualifiziertes Verschulden zur Last fällt. Im Falle der Verweigerung der Frachtzahlung dürfte dies oftmals der Fall ein.

Im Einzelnen:

BGH-Urteil vom 23.04.2010 (Az. I ZR 31/08) – § 439 HGB umfasst auch den Erfüllungsanspruch (Frachtanspruch)

Da die Verjährungsregeln vor allem darauf gerichtet sind, den Zeitraum zu begrenzen, in dem der Versender Ansprüche wegen Verlust, Beschädigung oder Verzögerung geltend machen kann, ist durchaus die Frage berechtigt, ob die kurze transportrechtliche Verjährungsfrist auch den Anspruch auf Vergütung der Transportleistung betrifft. Nahe liegt  ein Verständnis, wonach wie bei der Luftfracht (Art. 35 MÜ) nur Schadensersatzansprüche umfasst sind. Diese früher einmal „heiß“ diskutierte Frage dürfte mittlerweile durch den BGH als geklärt gelten. In seinem Urteil vom 23.04.2010  hat der BGH ausgeführt (Az. I ZR 31/08):

„(…) Gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB beträgt die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einer den §§ 407 bis 452 HGB unterliegenden Beförderung grundsätzlich ein Jahr. (…)

Der Kläger verlangt der Sache nach eine Frachtvergütung für die im Februar 2004 nicht erteilten Einzelaufträge, (…) Ob die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf primäre Erfüllungs- und vertragliche Aufwendungsersatzansprüche aus Frachtverträgen anwendbar ist, ist umstritten. (…)

Der Senat schließt sich der Ansicht an, die eine Anwendung des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf Primärleistungsansprüche bejaht.

Ausnahme ist beim Frachtanspruch die Regel – Frachtansprüche verjähren in der Praxis oft in der Frist des § 439 Abs. S. 2 HGB bzw. Art. 32 Abs.  S. 2 CMR

Wesentlicher Grund dafür, warum die Anwendung des § 439 Abs. 1 HGB auf Frachtansprüche umstritten war, ist die Ausnahme des § 439 Abs. 1 S. 2 HGB.  Danach gilt im Falle eines qualifizierten Verschuldens auch im Transportrecht eine 3-jährige Verjährungsfrist. Dies hat nämlich in der Praxis häufig zur Folge, dass Frachtansprüche im Ergebnis erst nach 3 Jahren verjähren, weil die Verweigerung der Frachtzahlung in vielen Fällen ein eben solches qualifiziertes Verschulden begründen dürfte.  Mag der BGH dies mit der Begründung anders sehen, dass das Zivilrecht Rechtsirrtümer als Entlastungsgrund vorsieht, tatsächlich dürfte Folge der jetzt herrschenden BGH-Rechtsprechung sein, dass in vielen Fällen der Frachtanspruch erst nach 3 Jahren verjährt.

Verweigerung der Frachtzahlung regelmäßig vorsätzliche Nichterfüllung – OLG Frankfurt, Urteil vom 15. April 2005, Az. 24 U 11/05

Das OLG Frankfurt, das aus gleichen Gründen die Anwendung des § 439 Abs. 1 S. 2 HGB auf Erfüllungsansprüche abgelehnte, hat ausgeführt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 15. April 2005, Az. 24 U 11/05):

„(…) Praktisch betrachtet nämlich ist jede Nichterfüllung eines vertraglichen Vergütungsanspruches und meist auch jede Nichterfüllung eines vertraglichen Aufwendungsersatzanspruches seitens der Spediteurin, der Unterspediteurin wie des Frachtführers eine vorsätzliche Nichterfüllung. Kraft fachlicher Kenntnis wie konkret getroffener Vereinbarung wie erhaltener Rechnung wissen die Beteiligten des Fracht- bzw. Speditionsvertrages immer sehr genau, dass und was sie für die vertragliche Leistung der anderen Seite zu zahlen haben, welche Leistungen zur Erfüllung der vertraglich übernommenen Transport- bzw. Besorgungsaufgaben erforderlich werden und geworden sind. Eine „Nichtzahlung in unverschuldeter Unkenntnis“ ist praktisch gesehen kaum denkbar.“

Dem ist zuzustimmen. Die Nichtzahlung einer Frachtrechnung dürfte im Regelfall ein qualifiziertes Verschulden des Auftraggebers bedeuten.

Beispiel: Aufrechnungsverbot

Nahezu eindeutig ist dies insbesondere dann, wenn nach dem zugrunde liegenden Vertrag ein Aufrechnungsverbot mit bestrittenen Forderungen gilt. Nach den in vielen Fällen vereinbarten ADSP ist dies die Regel (vgl. Art. 19 ADSP). Denn in diesem Fall verstößt der Auftraggeber eindeutig und vorsätzlich gegen den Frachtvertrag mit der Folge, dass ihn ein qualifiziertes Verschulden trifft.

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Fazit zur Verjährung von Frachtansprüchen und Praxis-Tipp

Wenn nach allem der Auftraggeber die Fracht nicht zahlt, obwohl es sich ihm aufdrängen muss, dass die Zahlungsverweigerung unrechtmäßig ist, liegt die Annahme eines qualifizierten Verschuldens nahe.

Bei nach Ablauf eines Jahres noch offenen Frachtansprüchen sollten Sie daher stets prüfen, ob der Grund, den der Auftraggeber ihrem Anspruch entgegenhält, wirklich stichhaltig ist. Wenn nicht, lohnt sich eine nähere Prüfung, ob ihr Anspruch aus vorbeschriebenen Gründen noch unverjährt sein könnte.

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Gesetz zur Begrenzung von Vertragslaufzeiten – Gute Nacht, Vertragsfreiheit ?

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Gesetz zur Begrenzung von Vertragslaufzeiten - Gute Nacht, Vertragsfreiheit ?

 

Das Bundesjustizministerium macht mit seinem Plan zur Begrenzung von Vertragslaufzeiten ernst. Mitte August 2019 wurde über die Presse öffentlich, dass das Gesetzesvorhaben zum „Schutz vor Kostenfallen“ weit fortgeschritten sei. Inhaltlich geht es dabei u.a. um die durchaus begrüßenswerte Beseitigung diverser Missstände (z.B. im Bereich Telefonwerbung). Weiterer, weniger begrüßenswerter Gegenstand des Vorhabens ist Begrenzung von Vertragslaufzeiten in bestimmten Branchen, z.B. in den Bereichen Mobilfunk und Energieversorgung. Der entsprechende Gesetzentwurf sei auf der Zielgeraden.

Betrachtet man das Gesetzesvorhaben näher, kommen hinsichtlich der geplanten Laufzeitenbegrenzung aus juristischer Sicht erhebliche Bedenken auf. Das geplante Gesetz schränkt die Vertragsfreiheit als elementarem Bestandteil der grundgesetzlich geschützten Privatautonomie elementar ein. Die erforderliche Rechtfertigung dieser Beschneidung der Vertragsfreiheit ist nicht ersichtlich.

Der Plan des Bundesjustizministerium zur Begrenzung von Vertragslaufzeiten

Gemäß seinem Eckpunktepapier „Schutz vor Kostenfallen“ plant das Bundesjustizministerium folgende Änderungen:

„Das Vertragslaufzeiten und –verlängerungen betreffende Klauselverbot in § 309 Nummer 9 BGB soll dahingehend geändert werden, dass durch AGB künftig keine längere Laufzeit als ein Jahr vereinbart werden kann. Eine automatische Verlängerung des Vertrages soll nur noch um jeweils drei Monate möglich sein, wenn nicht spätestens einen Monat vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gekündigt wird.“

Die Rechtfertigung des Vorhabens gemäß dem Eckpunktepapier „Schutz vor Kostenfallen“

Das Bundesjustizministerium rechtfertigt das geplante Vorhaben in seinem Eckpunktepapier „Schutz vor Kostenfallen“ wie folgt:

  • „Das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Wirtschaft und Verbrauchern führt häufig dazu, dass (…) Verbraucher sich auf vertragliche Regelungen einlassen müssen, die nicht interessengerecht bzw. heute nicht mehr zeitgemäß sind. Oft ist dann der Ärger groß.“

  • „Verbraucher haben bei Verträgen über Warenlieferungen, Dienst- oder Werkleistungen regelmäßig kein großes Interesse an langen vertraglichen Bindungen.“

  • „Die derzeit möglichen zweijährigen Laufzeiten von Verträgen und die automatische Verlängerung des Vertrags um jeweils ein weiteres Jahr sind nicht mehr interessengerecht. Ein besonderes verbraucherpolitisches Ärgernis stellen die Verlängerungsklauseln in AGB dar. Sie werden von vielen Verbrauchern schlicht übersehen oder geraten wieder in Vergessenheit, so dass nicht mehr gewollte Verträge sich oft gegen den Willen der Verbraucher um weitere Jahre verlängern, weil eine rechtzeitige Kündigung versäumt wurde.“

 

Rechtliche Beurteilung des Vorhabens

Meines Erachtens ist die geplante Laufzeitenbegrenzung von Verträgen mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht zu vereinbaren. Die vom Bundesjustizministerium herangezogenen Argumente vermögen die geplante Einschränkung nicht zu rechtfertigen:

Der Grundsatz der Vertragsfreiheit

Unter Vertragsfreiheit ist das Recht eines jeden Individuums zu verstehen, frei darüber zu entscheiden

  • einen Vertrag zu schließen (sog. Abschlussfreiheit), sowie
  • frei über den Inhalt eines Vertrages zu entscheiden (sog. Gestaltungsfreiheit).

Die Vertragsfreiheit ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, sie gehört zum verfassungsrechtlich geschützten Prinzip der Privatautonomie, wonach jedem Einzelnen das Recht eingeräumt ist, seine privaten Lebensverhältnisse frei zu gestalten.

Bestandteil hiervon ist die Freiheit, Verträge zu schließen und auch ihren Inhalt zu bestimmen. Um Letzteres geht es vorliegend.

Zulässige Einschränkungen der Vertragsfreiheit

Beide Ausprägungen der Vertragsfreiheit – also Abschlussfreiheit und Gestaltungsfreiheit – unterliegen anerkanntermaßen Beschränkungen.

So existiert in bestimmten Sachverhaltskonstellationen ein Kontrahierungszwang. Als Beispiel lässt sich die KFZ-Haftpflichtversicherung nennen. Dort besteht für die Versicherungsunternehmen nach § 5 Pflichtversicherungsgesetz ( mit dort geregelten Einschränkungen) ein Kontrahierungszwang. Die Erforderlichkeit liegt hier auf der Hand.

Auch die Gestaltungsfreiheit unterliegt zum Schutz höherwertiger Interessen gewissen Beschränkungen. So gibt es in diversen Rechtsbereichen gesetzliche Regelungen, die zwingender Natur sind und vertraglich nicht abbedungen werden können, solche Regelungen finden sich beispielsweise im AGB-Recht, das in erster Linie zum Schutze der Verbraucher bestimmte Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für nichtig erklärt. Weitere Einschränkungen ergeben sich aus gesetzlichen Formzwängen (Schriftform, notarielle Form etc.) sowie der gesetzlichen Nichtigkeitsanordnung bezüglich solcher Regelungen, die gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) verstoßen.

Keine Rechtfertigung der geplanten Beschränkung der Gestaltungsfreiheit ersichtlich

Wie eingangs ausgeführt, lässt sich meines Erachtens die geplante Begrenzung von Vertragslaufzeiten nicht ansatzweise rechtfertigen:

Gesetz betrifft alle künftigen Verträge der betroffenen Branchen

Zunächst ist vor Augen zu führen, dass das AGB-Recht nicht nur das sprichwörtlich „Kleingedruckte“ betrifft. In der Praxis – gerade in den hier betroffenen Branchen – unterfällt im Ergebnis jeder Vertrag dem AGB-Recht, da es schlicht nicht umsetzbar wäre, mit jedem Verbraucher Vertragslaufzeiten individualvertraglich zu vereinbaren. Kurz: Das Gesetzesvorhaben umfasst faktisch jeden künftigen Vertrag der betroffenen Branchen.

Vollständiger Fortfall der Option von 2-Jahres-Verträgen

Dies hat zur Folge, dass künftig die Option zum Abschluss eines Zwei-Jahres-Vertrages, der sich bei fehlender Kündigung jeweils um ein Jahr verlängert, nicht mehr zur Verfügung steht.

Womit ist zu rechtfertigen, dass man den Parteien diese Option nimmt? Meines Erachtens durch nichts:

Vertragsfreiheit bedeutet, dass die Parteien in den Grenzen der guten Sitten und der anerkannten allgemeinen die Vertragsfreiheit begrenzenden Gesetze selbst bestimmen können (und auch müssen), was für sie subjektiv richtig ist. Diese Entscheidung kann und darf ihnen niemand abnehmen.

Der Gesetzgeber, soweit er denn an der Privatautonomie festhalten will, muss diese Selbstbestimmung der Rechtssubjekte achten und darf sich nicht – z.B. getrieben von politischen Stimmungen – dazu verleiten lassen, durch die Vertragsfreiheit (unzulässig) begrenzende Gesetze seinerseits zu bestimmen, was richtig ist.

„Verbraucherschutz“ als nur vorgeschobenes Motiv zur Begrenzung Vertragslaufzeiten

Der Verbraucherschutz ist ein im Grundsatz nicht anzuzweifelndes Motiv für die Einschränkung der Vertragsfreiheit. Verbraucherschutz darf aber nicht missbräuchlich – wie meines Erachtens im vorliegenden Fall – vorgeschoben werden, um politisch getriebene Vorhaben zu rechtfertigen.

Das Bundesjustizministerium ist nach eigenen Angaben der Meinung, Laufzeiten von zwei Jahren seien „unfair“ und für die Verbraucher ein „Ärgernis“. Es übersieht dabei, dass den Verbrauchern in allen ins Visier genommenen Branchen (Mobilfunk, Energieversorgung etc.) unterschiedlichste Vertragsmodelle von einer Vielzahl von Anbietern zur Wahl stehen. Insbesondere haben Verbraucher stets die Möglichkeit, Verträge auch ohne jede Bindung einzugehen. Umgekehrt steht ihnen – jedenfalls bislang – zur Wahl, Bindungen einzugehen und im Gegenzug oft erhebliche Vorteile gewährt zu bekommen (z.B. deutlich günstigere Konditionen, vergünstigte Hardware etc.). Mit anderen Worten: Der Verbraucher kann heute zwischen einer Vielzahl von Vertragsmodellen wählen und selbst entscheiden, was für ihn „richtig“ ist. Hierzu gehört auch die allein von ihm – dem Verbraucher – obliegende Einschätzung der Nachteile, die mit einer Vertragsbindung einhergehen. Es kann daher aus gesetzgeberischer Sicht keine Relevanz haben, dass sich Verbraucher nach einiger Zeit über eine bestehende, vor einiger Zeit bewusst eingegangene Vertragsbindung „ärgern“ mögen.

Wettbewerbsrecht bietet bereits hinreichenden Schutz

Schutz bedarf der Verbraucher nach allem nur insoweit, dass er durch ein Vertragsangebot nicht Irre geführt wird, z.B. indem für ihn wesentliche Vertragskonditionen nicht hinreichend erkennbar sind. Hierfür ist allerdings das Wettbewerbsrecht zuständig, das dieser Aufgabe seit jeher hinreichend gerecht wird.

Fazit

Das geplante „Kostenfallen-Gesetz“ bedeutet im Hinblick auf die Begrenzung von Vertragslaufzeiten eine nicht zu rechtfertigende (weitere) Beschneidung der Vertragsfreiheit und einen weiteren Schritt in Richtung einer politisch gewollten oder zumindest billigend in Kauf genommenen Verabschiedung vom Grundsatz der Privatautonomie.

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Die transportrechtliche Verjährung nach § 439 HGB

 

 

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Die transportrechtliche Verjährung nach § 439 HGB

Die transportrechtliche Verjährung  nach § 439 HGB beträgt ein Jahr ab Ablieferung des Transportgutes und ist damit deutlich kürzer als die 3-jährige Regelverjährung nach  § 195 BGB.

Aufgrund dieser deutlichen Verkürzung der Verjährung kommt der Frage der Reichweite des Anwendungsbereichs der transportrechtlichen Verjährung große Bedeutung zu. Aus Erfahrung kann ich berichten, dass die Frage, ob ein Anspruch der transportrechtlichen Verjährung oder aber der Regelverjährung unterliegt, oftmals Schwierigkeiten aufwirft. Es existieren insoweit zwei „Lager“, von denen eines eine enge Auslegung, und eines – zu Recht – eine weite Auslegung vertritt.

Nachfolgender Beitrag fasst die Rechtslage zusammen.

Gesetzeswortlaut: Ansprüche „aus einer Beförderung“

Gemäß § 439 Abs. 1 S.1 HGB verjähren Ansprüche „aus einer Beförderung“ nach den Vorschriften der §§ 407-450 HGB innerhalb eines Jahres ab Ablieferung des Gutes.

Die transportrechtliche Verjährungfrist  nach 439 HGB umfasst alle Ansprüche im Zusammenhang mit einer Beförderung

Auch wenn § 439 HGB seinem Wortlaut nach die Verjährung von Ansprüchen „aus einer Beförderung“ regelt, so werden nach vorzugswürdiger Auffassung alle Ansprüche erfasst, die mit der Beförderung in einem inneren Zusammenhang stehen.

Sinn und Zweck der einheitlichen Verjährungsvorschrift ist es, die Verjährungsbestimmungen zu vereinfachen und übersichtlicher zu gestalten. Etwaigen Rechtsunsicherheiten aufgrund unterschiedlicher Verjährungsregelungen für Ansprüche aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt soll entgegen gewirkt werden (vgl. BT-Drucksache 13/8445 zu § 439 HGB).

Erfasst werden somit beispielsweise auch Ansprüche aus Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Organisation des Transports, Ansprüche aus Verzollung und Auskunftsansprüche (vgl. OLG Nürnberg vom 26.11.1974, NJW 1974, 501).

Die Verjährungsregelung gilt also insbesondere auch unabhängig davon, von welcher Seite der Anspruch geltend gemacht wird und auf welchem Rechtsgrund dieser beruht. Gleichgültig ist somit, ob der Frachtführer gegen den Auftraggeber vorgeht oder umgekehrt. (vgl. BT-Drucksache 13/8445 zu § 439 HGB).

Die transportrechtliche Verjährungfrist nach 439 HGB ist nicht lediglich eine Haftungsbeschränkung oder -befreiung im Sinne der §§ 434, 436 HGB

Unzutreffend ist die gegenläufige Auffassung, wonach es sich bei § 439 HGB um eine Haftungsbeschränkung bzw. -befreiung im Sinne der §§ 434, 436 HGB handeln soll. Dies hätte insbesondere zur Folge, dass § 439 HGB allein auf Ansprüche der Parteien des betroffenen Transportvertrages anwendbar wäre. Diese Auffassung lässt sich nicht stichhaltig begründen. Zur Anwendung des § 439 HGB gelangt man nicht nur über § 434 Abs. 1 HGB oder § 436 HGB:

Gesetzesbgründung

Wie oben ausgeführt, ist Sinn und Zweck der einheitlichen Verjährungsvorschrift des § 439 HGB, die Verjährungsbestimmungen zu vereinfachen und übersichtlicher zu gestalten (Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetzes, BT-Drs. 13/8445, S. 77). Die Verjährungsregel des § 439 HGB stellt allein darauf ab, ob die Beförderung als solche den Bestimmungen der §§ 407 ff. HGB unterliegt. Denn nur so kann ein Gleichlauf aller unmittelbar mit der Beförderung zusammenhängenden Ansprüche erreicht werden (vgl. BT-Drs. 13/8445, S. 77).

Der Hinweis auf § 439 HGB in der Gesetzesbegründung zu § 434 HGB und damit die Klarstellung der systematischen Verhältnisse in den transportrechtlichen Regelungen des HGB ist eindeutig, so dass kein ernster Zweifel an der Reichweite des § 439 HGB aufkommen kann. Der entscheidende Satz sei wie folgt zitiert:

Auf die Reichweite der Verjährungsregelung wird nicht gesondert hingewiesen, da bereits die Verjährungsvorschrift selbst (§ 439 HGB-E) in Übereinstimmung mit der Parallelvorschrift des Artikels 32 CMR alle aus einer Beförderung erwachsenden Ansprüche, somit auch außervertragliche Ansprüche, erfaßt.“.

BGH-Rechtsprechung

Nichts anderes besagt die absolut eindeutige Rechtsprechung des BGH, der (Urteil v. 10.1.2008, Az. I ZR 13/05, Tz. 13) ausgeführt hat:

„Die Bestimmung des § 439 Absatz I HGB knüpft für die Anwendung der eigenständigen frachtrechtlichen Verjährungsregelung allein daran an, dass sich der geltend gemachte Anspruch aus einer den Vorschriften dieses Unterabschnitts unterliegenden Beförderung ergibt. Ist von einer solchen Beförderung auszugehen, weil ein wirksamer Frachtvertrag i.S. von § 407 HGB zu Stande gekommen ist, so unterfallen alle Ansprüche, die mit dieser Beförderung in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, der Verjährungsregelung des § 439 HGB, unabhängig davon, von welcher Seite sie geltend gemacht werden und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen (vgl. Begr. z. RegE des Transportrechtsreformgesetzes, BT-Dr 13/8445, S. 77; BGH, NJOZ 2006, 1068).“.

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Fazit: § 439 HGB umfasst den gesamten „Sachverhalt“ im Zusammenhang mit einer Beförderung

Die transportrechtliche Verjährung knüpft nicht (allein) an einen Transportvertrag und den aus diesem resultierenden Ansprüchen an.

Umfasst von der kurzen Verjährung des § 439 HGB ist vielmehr jeder im Zusammenhang mit einer Beförderung stehende Anspruch. Insbesondere gilt die kurze Verjährung damit auch außerhalb des betroffenen Beförderungsvertrages, soweit der in Frage stehende Anspruch einen „inneren“, z.B. wirtschaftlichen, Zusammenhang mit der Beförderung aufweist.

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Bauvertragsrecht: Vergütung für „zusätzliche Leistungen“ bei Pauschalpreisverträgen

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Vergütung für „zusätzliche" Leistungen bei Pauschalpreisverträgen

Die Vergütung für „zusätzliche Leistungen“ bei Pauschalpreisverträgen im Falle von Nachtragsangeboten des Unternehmers, ist komplex. Grundsätzlich muss sich die aufgrund des Nachtrags zusätzlich geforderte Vergütung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen (Anlagen-)Bauvertrag ergeben. Handelt es sich hierbei um einen Pauschalpreisvertrag, kommt es oftmals auf die Details des vereinbarten Leistungsumfangs an, der zum vereinbarten Pauschalpreis geschuldet sein soll.

Nachfolgender Beitrag soll Betroffenen, die einen VOB/B-Pauschalpreisvertrag geschlossen haben, als Hilfestellung bei der Frage dienen, ob im konkreten Fall ein (zusätzlicher) Vergütungsanspruch besteht oder nicht.

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VOB/B-Grundsatz: Kein Anspruch auf eine andere Vergütung als den Pauschalpreis

Gemäß § 2 Abs. 7 Satz 1 VOB/B sind grundsätzlich Änderungen am vertraglich vereinbarten Preis ausgeschlossen. Das bedeutet, dass sich der Auftraggeber grundsätzlich darauf verlassen darf, für die beauftragte Leistung nicht mehr als den festgelegten Gesamtpauschalfestpreis zahlen zu müssen.

VOB/B-Ausnahmen

Von dem Grundsatz der Unveränderlichkeit des Pauschalpreises gibt es nach VOB/B folgende Ausnahmen:

Die beiden erstgenannten Fälle verdienen besonderes Interesse:

Unzumutbarkeit des Festhaltens am Pauschalpreis

Auch bei Pauschalpreisen kann der ursprünglich vereinbarte Preis gemäß § 2 Abs. 7 Nr. 1 Satz 2 VOB/B geändert werden, wenn die ausgeführte Leistung von der vorhergesehenen Leistung so erheblich abweicht, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme für eine der Parteien nicht mehr zumutbar ist. In diesem Fall wird die unzumutbare Belastung ausgeglichen, indem die Mehr- oder Minderkosten gewährt werden.

Der Maßstab für die Unzumutbarkeit ergibt sich dabei aus § 313 BGB, der Störung der Geschäftsgrundlage. Verlangt wird hierfür ein krasses Missverhältnis zwischen der Leistung und der Pauschalsumme. Dabei werden äußerst strenge Anforderungen gestellt und eine Bewertung je nach Einzelfall getroffen.

Das Risiko für die richtige Kalkulation trägt bei der Vereinbarung eines Pauschalpreises der Auftragnehmer, soweit er hätte erkennen können, dass seine Leistungsbeschreibung unrichtig oder unvollständig ist, kann er sich im Nachhinein nicht auf einen unzumutbaren Pauschalpreis berufen. Ist ein „Festpreis“ vereinbart, bestehen für den Auftragnehmer besonders hohe Hürden, eine unzumutbare Belastung nachzuweisen.

Vergütung für „zusätzliche“ oder „geänderte“ Leistungen

Einen Anspruch auf Vergütung, die neben dem vereinbarten Pauschalpreis gefordert werden kann, gewährt § 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B, wonach die Regelungen der § 2 Abs. 5, 6 VOB/B (Vergütung für zusätzliche oder geänderte Leistungen) auch dann gelten, wenn eine Pauschalsumme vereinbart wurde.

Dabei ist entscheidend, ob es sich bei der Leistung tatsächlich um eine „zusätzliche“ oder „geänderte“ Leistung handelt.

Das ist nur dann der Fall, wenn die Leistung nicht bereits in dem ursprünglich vereinbarten Leistungssoll enthalten ist. Es ist umstritten, wer die Beweislast dafür trägt, dass es die Leistung nicht Teil des ursprünglichen Leistungssolls ist.

Diese Frage bestimmt sich immer danach, was die Parteien konkret vereinbart haben:

Systematisch wird unterschieden zwischen einem Globalpauschalvertrag und einem Detailpauschalvertrag. In der Praxis gibt es eine Vielzahl von Mischformen, so dass die Zuordnung zu einem reinen Vertragstypus eher ungewöhnlich zu sein scheint. Die Einstufung kann aber Argumente dafür bieten, ob eine bestimmte Leistung bereits vertraglich geschuldet ist oder nicht. Lesen Sie zur Abgrenzung zwischen Globlpauschalvertrag und Detailpauschalvertrag meinen gesonderten BEITRAG. Nachfolgend daher nur folgende Stichpunkte:

Globalpauschalvertrag

In einem Globalpauschalvertrag wird die Leistung funktional beschrieben, der Auftragnehmer trägt das besondere Risiko, dass er auf jeden Fall die ursprüngliche grobe Leistungsbeschreibung ergänzen muss.

Detailpauschalvertrag

Im Detailpauschalvertrag hingegen wird nicht die Leistung pauschaliert, sondern der Preis. Diesem Vertrag liegt regelmäßig ein detailliertes Leistungsverzeichnis zugrunde. Der Pauschalpreis umfasst dann auch nur die im Leistungsverzeichnis beschriebenen Leistungen.

Verträge mit sog. Komplettheitsklausel

Bei sogenannten Komplettheitsklauseln, wonach der Auftragnehmer verpflichtet ist, alle erforderlichen Leistungen ohne gesonderte Vergütung zu erbringen, kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, wer das Risiko von nicht vorhersehbaren Leistungen tragen soll. Bei Detailpauschalverträgen soll das Risiko sich dabei auf erhöhte Mengen beschränken, gänzlich neue Leistungen sollen nicht zu Lasten des Auftragnehmers gehen.

Zusammenfassung

Ob eine Vergütung für „zusätzliche Leistungen“ bei Pauschalpreisverträgen berechtigt ist, bestimmt sich vor allem danach, ob die fragliche Leistung, für die eine zusätzliche Vergütung gefordert wird, über das ursprünglich vereinbarte Leistungssoll hinausgeht. Ist dies nicht der Fall, dürfte eine zusätzliche Vergütung nur in seltenen Ausnahmefällen berechtigt sein.

Nach allem kommt der Vereinbarung des geschuldeten Leistungssolls bei (Anlagen)-Bauverträgen überragende Bedeutung zu. Es empfiehlt sich aus vielfacher Erfahrung, den Leistungsumfang mit größter Sorgfalt und möglichst hohem Detailgrad zu bestimmen. Hierbei kann es im Streitfall entscheidende Bedeutung haben, Auslegungsspielräume nach Möglichkeit vermieden zu haben.

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Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen: Was tun bei einer Klage aus dem Ausland trotz entgegenstehender ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung?

Um kostspielige und unangenehme Rechtsstreitigkeiten im Ausland zu verhindern, ist es ratsam, mit ausländischen Geschäftspartnern ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen abzuschließen, die ausschließlich deutsche Gerichte als zuständig festlegen. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass der Geschäftspartner im Streitfall, entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung, Klage in seinem eigenen Land einreicht. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Was kann man zur Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen tun?

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Anerkennung und Vollstreckung von EU-Urteilen in Deutschland

Mit der Internationalisierung des Geschäftsverkehrs geht einher, dass der Frage, ob und wie ein im Heimatland des Gläubigers ergangenes Urteil im hiervon abweichenden Heimatstaat des Schuldners vollstreckt werden kann, eine hohe praktische Bedeutung zukommt. Denn die leidliche Erfahrung auch des Verfassers dieses Beitrags zeigt, dass viele Schuldner zur freiwilligen Leistung nicht bereit sind.

Nachfolgender Beitrag verschafft einen Überblick, wie ein in der EU in Zivil- und/oder Handelssachen erlassenes Urteil in anderen EU-Mitgliedstaaten – hier am Beispiel Deutschland – vollstreckt werden kann.

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Die negative Feststellungsklage zur Verhinderung einer ausländischen Klage

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Die negative Feststellungsklage zur Verhinderung einer ausländischen Klage

Die negative Feststellungsklage zur Verhinderung einer ausländischen Klage hat Relevanz in der folgenden, nach Erfahrung des Autors nicht seltenen Fallkonstellation:

Kommt es mit einem ausländischen Geschäftspartner zum Streit, z.B. hinsichtlich vermeintlicher Ansprüche aus einem Vertrag, ist es aus Sicht des deutschen Vertragspartners ratsam, sich frühzeitig über mögliche prozessuale Szenarien Gedanken zu machen für den Fall, dass eine Einigung scheitert. Ist entgegen der getroffenen Vereinbarungen damit zu rechnen, dass der ausländische Partner eine Klage im Heimatland beabsichtigt, so sollten Sie umgehend über die Erhebung einer präventiven sog. negativen Feststellungsklage am vereinbarten deutschen Gerichtsstand nachdenken. Dies legt allein schon der Umstand nahe, dass die Rechtsverfolgungskosten im Ausland meist sehr erheblich höher sind als in Deutschland. Zudem wird es dem deutschen Partner meist an einem geeigneten anwaltlichen Kontakt im betreffenden Land fehlen.

Zu richten wäre eine solche Klage, die ein ausländisches Verfahren verhindern soll, auf die Feststellung, dass die vom ausländischen Partner behaupteten Ansprüche nicht bestehen.

Nachfolgender Beitrag zeigt überblicksmäßig auf, was bei der negativen Feststellungsklage zur Verhinderung einer ausländischen Klagezu beachten ist.

Ausgangspunkt: Schneller sein!

Um die Erfolgsaussichten der beabsichtigten negativen Feststellungklage nicht grundlegend zu gefährden, sollten Sie unbedingt schneller sein als der ausländische Partner, um so den Einwand einer der negativen Feststellungklage entgegenstehenden anderweitigen internationalen Rechtshängigkeit zu vermeiden.

Die Berücksichtigung einer entgegenstehenden internationalen Rechtshängigkeit setzt voraus, dass eine Identität der Parteien in beiden Verfahren gegeben ist, der Streitgegenstand identisch ist und dass die ausländische Rechtshängigkeit vor der Rechtshängigkeit bei einem deutschen Gericht eingetreten ist (Prioritätsprinzip).

Rechtshängigkeit tritt mit wirksamer Zustellung der jeweiligen Klage ein. Es genügt mithin nicht, schnellstmöglich die negative Feststellungsklage bei Gericht einzureichen. Erforderlich ist darüber hinaus, dass die Klage auf rechtlich wirksame Art und Weise die andere Partei erreicht. Zu empfehlen ist daher, die Zustellung der negativen Feststellungklage nicht einfach dem angerufenen deutschen Gericht zu überlassen und abzuwarten. Es hat sich bewährt, in direkten Kontakt mit dem zuständigen Richter zu treten und mit diesem die schnellstmögliche Zustellung abzustimmen.

Zuständigkeit des deutschen Gerichts

Die Abwehr einer Leistungsklage im Ausland mittels der negativen Feststellungsklage hat allein dann Aussicht auf Erfolg, wenn tatsächlich aus rechtlicher Sicht das deutsche Gericht für die Leistungsklage zuständig wäre.

Die Zuständigkeit des deutschen Gerichts  folgt im Allgemeinen aus dem herrschenden Grundsatz, dass der Kläger einer negativen Feststellungsklage an seinem Wohn- bzw. Geschäftssitz, also dort, wo umgekehrt die Leistungsklage gegen ihn zu erheben wäre, klagen kann (Volkommer in: Zöller, ZPO, 29. Auflage 2012, § 12 Rn. 3).

Eine  Gerichtsstandsvereinbarung, wonach sich die Parteien auf einen Gerichtsstand am Sitz des deutschen Geschäftspartners verständigt haben, würde die Zuständigkeit des deutschen Gerichts zusätzlich bzw. alternativ begründen:

Gerichtsstandsvereinbarungen halten im Allgemeinen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand: Es ist bereits im nationalen Rechtsverkehr anerkannt, dass die in § 38 ZPO ausdrücklich vorgesehenen Gerichtsstandsklauseln zwischen Unternehmern prinzipiell nicht zu beanstanden sind (vgl. etwa OLG Schleswig, Beschluss vom 21. 6. 2006, Az.: 2 W 88/06; OLG Karlsruhe NJW 1996, 2041). Im internationalen Rechtsverkehr ist das Bedürfnis für Gerichtsstandsvereinbarungen noch erheblich größer. Denn nur durch sie können die Parteien im Voraus das Verfahrensrecht und indirekt damit auch das maßgebliche Sachrecht bestimmen, nach dem sich die Wirksamkeit der vertraglichen Regelungen richtet. Gerichtsstandsvereinbarungen sind Kern jedes transnationalen Vertrages. Grundsätzlich sind Gerichtsstandsklauseln in AGB daher auch und erst Recht im internationalen Rechtsverkehr weder überraschend noch als solche inhaltlich unangemessen (vgl. Wurmnest in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 307 Rn. 249).

Sonderfall: Mehrere deutsche Kläger

Für den Fall, dass es auf deutscher Seite mehrere Beteiligte gibt, von denen sich nur einer auf eine Gerichtsstandsvereinbarung berufen kann, hat das Oberlandesgericht München eine begrüßenswerte Entscheidung getroffen.  Das OLG München hat  zutreffend festgestellt (Beschluss vom 18.08.2009, Az.: 31 AR 355/09):

„Ist es dem Kläger ausnahmsweise gestattet, an seinem Wohnsitz zu klagen, so können mehrere Kläger als aktive Streitgenossen unter den verschiedenen Wohnsitzgerichten der Kläger auch dann wählen, wenn der Klägergerichtsstand nicht ausschließlich ist (hier: Klägergerichtsstand für negative Feststellungsklage).

Hieraus ist abzuleiten, dass sich einer zulässig in Deutschland erhobenen negativen Feststellungsklage weitere Kläger, soweit sich der Streitgegenstand deckt, anschließen können.

Bestehen eines Feststellungsinteresses für eine negative Feststellungsklage zur Verhinderung einer ausländischen Klage

Neben der Zuständigkeit des deutschen Gerichts erfordert die negative Feststellungsklage zur Verhinderung einer ausländischen Klage ein Feststellungsinteresse des Klägers.

Das für eine negative Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entsteht regelmäßig dann, wenn der Beklagte sich eines Anspruchs berühmt (vgl. z.B. BGH NJW 2008, 2842).

In der vorliegenden Konstellation geht es dem Kläger darum, eine Leistungsklage im Ausland zu verhindern. Gleichzeitig möchte er Rechtssicherheit hinsichtlich der vom ausländischen Partner behaupteten Ansprüche schaffen.

Dies begründet hinreichend ein Feststellungsinteresse zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage.

Kein Wegfall des Feststellungsinteresses – Ausnahmsweise keine Subsidiarität der negativen Feststellungsklage bei Unzulässigkeit der Leistungsklage

Das zunächst begründete Feststellungsinteresse entfällt nach zutreffender Ansicht auch nicht, wenn der ausländische Beklagte eine Leistungsklage vor seinem Heimatgericht erhebt.

Eine solche Leistungsklage wäre in der vorliegenden Konstellation nicht geeignet, die negative Feststellungsklage zu verdrängen. Sie ist nicht vorrangig, denn auf die Leistungsklage hin kann keine Sachentscheidung ergehen, da die Leistungsklage mangels Zuständigkeit des ausländischen Gerichts unzulässig ist.

Grundsatz: Vorrang der Leistungsklage

Die Subsidiarität der negativen Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage über denselben Streitgegenstand ist ein grundlegendes Prinzip des Prozessrechts und wird mit Erwägungen der Prozessökonomie und des Rechtsschutzes begründet (Foerste in: Musielak, Kommentar zur ZPO, 10. Auflage 2013, § 256, Rn 16).

Die Voraussetzungen für diesen Grundsatz wurden bereits durch das Reichsgericht formuliert und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur weitergetragen (statt aller: Urteil des BGH vom 21. Dezember 2012, X ZR 17/03).

Demnach entfällt das Feststellungsinteresse nicht automatisch aufgrund der Erhebung einer Leistungsklage. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Leistungsklage geeignet ist, das schon laufende Verfahren zur Feststellungsklage zu verdrängen oder ob anerkannte Ausnahmen von dem Grundsatz der Subsidiarität vorliegen, die die Fortführung des Verfahrens gebieten (Urteil des Reichsgerichts vom 25. März 1936, Seite 69 ganz oben).

Ausnahme: Auf Leistungsklage könnte kein Sachurteil ergehen

Die wesentliche Voraussetzung für die Verdrängung der zuerst rechtshängigen negativen Feststellungsklage ist, dass die Leistungsklage ein Sachurteil hervorbringen kann.

Der Reichsgerichtshof hat dazu grundlegend erklärt (Urteil des Reichsgerichts vom 25. März 1936, Seite 69 ganz unten):

„(… Es kommt) allein darauf an, dass zur Zeit der Schlussverhandlung im gegenwärtigen Rechtsstreit anzunehmen war, der Berliner Rechtsstreit [Anm.: Leistungsklage] werde zur sachlichen Entscheidung führen.“

Grund für die Verdrängung der negativen Feststellungsklage ist also, dass die Entscheidung über die Leistungsklage die Feststellungsklage überflüssig macht und der Prozess daher nicht mehr weitergeführt zu werden braucht. Dieser Umstand muss aber auch zwingend gegeben sein, um die Beendigung des laufenden Verfahrens zu rechtfertigen.

So führte der Bundesgerichtshof aus (BGH-Urteil vom 18. Oktober 1967, Rn 63):

„Es ist zwar denkbar, daß das Feststellungsinteresse bei einer leugnenden Feststellungsklage ausgeräumt wird, wenn der Gegner Klage auf Erfüllung der Forderung erhebt, deren Nichtbestehen festgestellt werden soll, und diese Klage nicht mehr einseitig zurücknehmen kann (RGZ 151, 65 f). Das kann aber nur gelten, wenn die Leistungsklage in einer prozeßwirtschaftlich ebenso geeigneten Weise wie die leugnende Feststellungsklage das streitige Rechtsverhältnis klärt, es also zur Beseitigung der Unsicherheit nicht mehr des Feststellungsurteils bedarf.“

Nur wenn sachlich über den Streit im Rahmen der Leistungsklage entschieden werden kann, entfällt das Feststellungsinteresse und die Leistungsklage genießt Vorrang (Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 256, Rn 61). Die Vorrangwirkung der Leistungsklage setzt also ein Sachurteil voraus. Ein Sachurteil kann nur ergehen, wenn die Leistungsklage zulässig ist. Auf eine unzulässige Klage ergeht kein Sachurteil. Aus diesem Grund bleibt die unzulässige Leistungsklage ohne Einfluss.

Dies stellte der Bundesgerichtshof ausdrücklich fest (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1996 – VIII ZR 154/95):

„Das Feststellungsinteresse entfällt ausnahmsweise dann nicht, wenn […] die in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage auf Leistung […] unzulässig ist.“

Daraus folgt, dass eine unzulässige Leistungsklage keine Vorrangwirkung hat.

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Fazit

Die negative Feststellungsklage zur Verhinderung einer ausländischen Klage hat sich in der anwaltlichen Praxis des Autors bereits mehrfach bewährt. Droht im Konfliktfall mit einem ausländischen Partner ein Gerichtsverfahren im Heimatland des Partners, lässt sich dies über den Weg der negativen Feststellungsklage häufig verhindern und spart Ihnen viel Ärger und vor allem Kosten. Erforderlich ist, dass:

  • die deutschen Gerichte für den Konflikt zuständig sind,
  • Sie dem ausländischen Partner zeitlich zuvorkommen, und
  • der ausländische Partner bereits irgendwie angedeutet hatte, Forderungen gegen Sie einklagen zu wollen.

Sollten Sie demgegenüber bereits eine Klage aus dem Ausland erreicht haben, lesen Sie in meinem diesen Fall betreffenden Beitrag, welche Reaktionsmöglichkeiten für Sie dann in Betracht kommen.

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Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen: Was tun bei einer Klage aus dem Ausland trotz entgegenstehender ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung?

Um kostspielige und unangenehme Rechtsstreitigkeiten im Ausland zu verhindern, ist es ratsam, mit ausländischen Geschäftspartnern ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen abzuschließen, die ausschließlich deutsche Gerichte als zuständig festlegen. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass der Geschäftspartner im Streitfall, entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung, Klage in seinem eigenen Land einreicht. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Was kann man zur Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen tun?

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Mit der Internationalisierung des Geschäftsverkehrs geht einher, dass der Frage, ob und wie ein im Heimatland des Gläubigers ergangenes Urteil im hiervon abweichenden Heimatstaat des Schuldners vollstreckt werden kann, eine hohe praktische Bedeutung zukommt. Denn die leidliche Erfahrung auch des Verfassers dieses Beitrags zeigt, dass viele Schuldner zur freiwilligen Leistung nicht bereit sind.

Nachfolgender Beitrag verschafft einen Überblick, wie ein in der EU in Zivil- und/oder Handelssachen erlassenes Urteil in anderen EU-Mitgliedstaaten – hier am Beispiel Deutschland – vollstreckt werden kann.

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Bauvertragsrecht: Global-Pauschalvertrag oder Detail-Pauschalvertrag?

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Globalpauschalvertrag oder Detailpauschalvertrag - Wann besteht ein Vergütungsanspruch für nicht ausdrücklich vereinbarte Leistungen?

In (Anlagen-)Bauprojekten sind bauvertragsrechtliche Streitigkeiten um die am Ende gegenüber dem ausführenden Unternehmer geschuldete Vergütung keine Seltenheit. Liegt ein Pauschalvertrag vor oder nicht? Gegebenenfalls bereitet regelmäßig die Abgrenzung zwischen Globalpauschalvertrag und Detailpauschalvertrag große Schwierigkeiten.

Hintergrund ist der Umstand, dass in vielen Fällen bei Vertragsschluss kaum bis ins letzte Detail bestimmbar ist, welche Leistungen das gegenständliche (Anlagen-)Bauprojekt genau erfordert. Vor diesem Hintergrund stellt sich bei so gut wie jedem (Anlagen-)Bauvertrag die Frage, welche Partei in welchem Umfang das Risiko hinsichtlich unvorhergesehener Leistungen, die sich für den Projekterfolg als erforderlich herausstellen, tragen soll.

Nachfolgender Beitrag versucht, die gängigen Vertragstypen, ihre Bedeutung für das Kalkulationsrisiko sowie typische Abgrenzungsprobleme im Überblick darzustellen:

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Einheitspreisvertrag

Der Bau-Unternehmer wird sich stets einen sog. Einheitspreisvertrag wünschen. Bei solchen sind die geschuldeten Leistungen und Mengen positionsweise aufgeführt und mit Preisen je Einheit versehen. Nach Fertigstellung der gesamten Leistung erfolgt nach auf dieser Basis die Schluss-Abrechnung. Das eingangs beschriebene Risiko liegt damit beim Einheitspreisvertrag vollständig beim Auftraggeber.

Ausgewogener verteilt sind die Risiken bei Pauschalverträgen. Hier wird üblicherweise unterschieden zwischen dem sog. Global-Pauschalvertrag und dem sog. Detailpauschalvertrag:

Global-Pauschalvertrag

Beim Global-Pauschalvertrag wird unterschieden zwischen dem erweiterten Global-Pauschalvertrag und dem komplexen Global-Pauschalvertrag. In beiden Fällen wird neben dem Preis auch die Leistung pauschaliert, wenngleich in unterschiedlichem Umfang.

Erweiterter Global-Pauschalvertrag

Beim erweiterten Global-Pauschalvertrag wird durch den Auftraggeber die Entwurfs- oder Genehmigungsplanung des Bauvorhabens zur Verfügung gestellt, auf deren Basis der Auftragnehmer sodann die erforderlichen Leistungen nach Art und Umfang, selbständig zu ermitteln hat.

Kalkulationsrisiko beim Auftragnehmer

Rechtsfolge ist, dass das Kalkulationsrisiko beim Auftragnehmer liegt, so dass Leistungen, die im Leistungsverzeichnis nicht enthalten, zur Umsetzung aber erforderlich sind, mit vom Pauschalpreis umfasst sind (Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 20). Zusätzliche vergütungspflichtige Leistungsänderungen können daher im Ergebnis nur anfallen, wenn der Auftraggeber nachträglich seine Planung ändert und dabei Anweisungen i.S.d. § 2 Abs. 5 VOB/B erteilt.

Eine solche Änderung kann auch dann bestehen, wenn der Auftragnehmer einer technischen Leistung „nach Erfordernis“ zu leisten hat und sich die dem Vertragsverhältnis zugrunde liegende Bauplanung geändert hat (vgl. dazu Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 20).

Für eigene Planungsfehler haftet der Auftraggeber

Für eigene Planungsfehler haftet der Auftraggeber grundsätzlich selbst. Dieses Risiko kann er auch nicht durch AGB auf den Auftragnehmer überbürden (Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 21). Notwendige Leistungen sind vom Auftragnehmer im Rahmen seiner Leistungsermittlung zu berücksichtigen und daher ohnehin bereits Vertragsgegenstand (Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 22).

Komplexer Global-Pauschalvertrag

Beim komplexen Global-Pauschalvertrag erfolgt eine rein funktionale Leistungsbeschreibung durch den Auftraggeber, bei dem auch die Planung vollständig vom Auftragnehmer zu stellen ist mit der Rechtsfolge, dass das gesamte Planungs- und Kalkulationsrisiko beim Auftragnehmer liegt, der so auch für Fehler in der Planung einstehen muss. Er trägt das volle Risiko der Vollständigkeit in qualitativer und quantitativer Hinsicht (Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 23, 25)

Detail-Pauschalvertrag

Bei einem sog. Detail-Pauschalvertrag wird der Preis betragsmäßig festgelegt, der von den tatsächlich für die Bauausführung erforderlichen Mengen und Massen abgekoppelt ist, wobei dem Pauschalpreis für die Gesamtleistung ein detailliertes Leistungsverzeichnis zugrunde liegt (Leupertz, in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht 2. Aufl. 2012, Kapitel K, Rn. 19). Es wird also lediglich die Vergütung pauschaliert, nicht aber die dafür geschuldete Bauleistung (Kimmich/Bach, VOB für Bauleiter 6. Aufl. 2014, Kapitel D, Rn. 526).

Geschuldete Leistung folgt der detaillierten Leistungsbeschreibung

Der verpreiste Leistungsumfang ergibt sich aus der detaillierten Leistungsbeschreibung. Erweisen sich nur die zugrunde gelegten Mengenannahmen als unzutreffend, bleibt es beim Pauschalpreis (vgl. § 2 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B), sodass der Auftragnehmer lediglich das quantitative Mengenrisiko durch Pauschalierung des Preises trägt (Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 10).

Mehrvergütung für Leistungen außerhalb der Leistungsbeschreibung

Für Leistungen, die für die Erreichung des geschuldeten Bauerfolges oder infolge von Bauplanänderungen bzw. sonstigen Anordnungen des Auftraggebers über die in der Leistungsbeschreibung enthaltenen Arbeiten hinaus erbracht werden, kann der Auftragnehmer – beim VOB/B-Vertrag gem. § 2 Abs. 5, Abs. 6 i.V.m. § 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B – eine zusätzliche Vergütung verlangen (Leupertz, in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht 2. Aufl. 2012, Kapitel K, Rn. 20; Kimmich/Bach, VOB für Bauleiter 6. Aufl. 2014, Kapitel D, Rn. 529 m.w.N. aus der Rspr.).

Vollständigkeitsrisiko liegt beim Auftraggeber

Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, vergessene Leistungen für die Pauschale zu komplettieren, nur weil sie bautechnisch notwendig sind, um eine funktionsgerechte Bauleistung herzustellen (vgl. Kimmich/Bach, VOB für Bauleiter 6. Aufl. 2014, Kapitel D, Rn. 527 m.w.N. aus der Rspr.); das Vollständigkeitsrisiko in qualitativer Hinsicht trägt daher grundsätzlich der Auftraggeber (Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 11). Dies ist allerdings umstritten bei offensichtlicher Unvollständigkeit einer Leistungsbeschreibung (Kapellmann, in Kapellmann/ Messerschmidt, VOB-Kommentar, Teil A/B, 5. Aufl. 2015, § 2 Rn. 28: Risiko Auftragnehmer; a.M. Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 169).

Bedeutung einer detaillierten Leistungsbeschreibung für die Risikoverteilung

Aus Vorstehendem folgt, dass aus dem Vorliegen eines detaillierten Leistungsverzeichnisses nicht ohne Weiteres auf die Art des Pauschalvertrages geschlossen werden kann. Zwar gilt dieses als kennzeichnend für einen Detail-Pauschalvertrag, es liegt aber ebenso einem Global-Pauschalvertrag zugrunde, wenn der Auftragnehmer aufgrund der durch den Auftraggeber zur Verfügung gestellten Entwurfs- oder Genehmigungsplanung des Bauvorhabens die erforderlichen Leistungen nach Art und Umfang, selbständig zu ermitteln hat, vgl. dazu BGH, Urt. v. 30. 6. 2011, Az. VII ZR 13/10. Der BGH hat in vorzitiertem Urteil u.a. ausgeführt:

„Der Abschluss eines Vertrags über eine komplett funktional beschriebene Bauleistung zu einem Pauschalpreis schließt es nicht aus, dass die Parteien zu einzelnen Leistungen besondere Vereinbarungen treffen (sog. Detaillierung). So können sie etwa vereinbaren, dass einzelne Leistungen überhaupt nicht vom Auftragnehmer erbracht werden (BGHZ 90, 344 [346] = NJW 1984, 1676), oder sie können eine Leistungsbeschreibung zum Gegenstand ihrer Vereinbarung machen, aus der sich ergibt, dass die Pauschalpreisvereinbarung bestimmte, für die Funktionalität erforderliche Leistungen nicht oder nicht vollständig erfasst (vgl. BGHZ 176, 23 [29 ff.] = NJW 2008, 2106 = NZBau 2008, 437). „

Vollständigkeits- bzw. Komplettheitsklauseln in Detail-Pauschalverträgen

Über eine sog. Vollständigkeits- bzw. Komplettheitsklauseln versucht der Auftraggeber bei einem Detail-Pauschalvertrag den durch Pauschalpreis abgegoltenen Leistungsumfang über den Inhalt der Leistungsbeschreibung hinaus zu erweitern.

Unwirksam, wenn Leistungsbeschreibung vom Auftraggeber stammt

Faktisch wird damit nicht mehr das Bau-Soll, sondern ein Erfolgs-Soll implantiert. Diese wäre dann nicht mehr mit der Grundstruktur des Detail-Pauschalvertrages in Einklang zu bringen, wenn die den Preisabsprachen zugrunde liegende detaillierte Leistungsbeschreibung vom Auftraggeber stammt (Leupertz, in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht 2. Aufl. 2012, Kapitel K, Rn. 21). Etwas anderes kann gelten, wenn das Vollständigkeitsrisiko individualvertraglich überbürdet wird ( so wohl Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 13, ).

Aunahmsweise wirksam, wenn Auftragnehmer das Leistungsverzeichnis erstellt hat

Dagegen ist eine solche Klausel nach wohl einhelliger Ansicht nicht unwirksam, wenn ausnahmsweise der Auftragnehmer die Ausführungsplanung und das Leistungsverzeichnis (lückenhaft) erstellt hat, was regelmäßig bei komplexen Global-Pauschalverträgen der Fall ist (Leupertz, in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht 2. Aufl. 2012, Kapitel K, Rn. 21; Kimmich/Bach, VOB für Bauleiter 6. Aufl. 2014, Kapitel D, Rn. 546). Dies soll allerdings insoweit nicht gelten, als auch bei ordnungsgemäßer Planung eine erhöhte Vergütung gezahlt worden wäre und sich der Auftragnehmer auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen und jedenfalls grundsätzlich die entsprechende Mehrvergütung beanspruchen kann (so jedenfalls Kandel, BeckOK VOB/B, 20. Ed. 1.7.2015. § 2 Abs. 7 Rn. 14).

Unzumutbarkeit des Festhaltens am Pauschalpreis

Auch bei Pauschalpreisen kann der ursprünglich vereinbarte Preis gemäß § 2 Abs. 7 Nr. 1 Satz 2 VOB/B geändert werden, wenn die ausgeführte Leistung von der vorhergesehenen Leistung so erheblich abweicht, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme für eine der Parteien nicht mehr zumutbar ist. In diesem Fall wird die unzumutbare Belastung ausgeglichen, indem die Mehr- oder Minderkosten gewährt werden.

Der Maßstab für die Unzumutbarkeit ergibt sich dabei aus § 313 BGB, der Störung der Geschäftsgrundlage. Verlangt wird hierfür ein krasses Missverhältnis zwischen der Leistung und der Pauschalsumme. Dabei werden äußerst strenge Anforderungen gestellt und eine Bewertung je nach Einzelfall getroffen.

Das Risiko für die richtige Kalkulation trägt bei der Vereinbarung eines Pauschalpreises der Auftragnehmer, soweit er hätte erkennen können, dass seine Leistungsbeschreibung unrichtig oder unvollständig ist, kann er sich im Nachhinein nicht auf einen unzumutbaren Pauschalpreis berufen (Vygen/Kratzenberg, VOB/B, 17. Auflage 2010, § 2 Abs. 7, Rn 15). Ist ein „Festpreis“ vereinbart, bestehen für den Auftragnehmer besonders hohe Hürden, eine unzumutbare Belastung nachzuweisen (Vygen/Kratzenberg, VOB/B, 17. Auflage 2010, § 2 Abs. 7, Rn 15).

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Fazit

Vorstehende Darstellung dürfte aufgezeigt haben, dass die Verhandlung und anschließende Ausgestaltung von Bauverträgen, nach meiner Erfahrung insbesondere im Bereich des Anlagenbaus, ganz besonderer Sorgfalt bedarf, und nicht im Hinblick auf die wirtschaftliche Kalkulation später ein böses Erwachen erleben zu müssen.

Lesen Sie zum Bauvertragsrecht insbesondere auch meinen praxisrelevanten Beitrag zur Frage des Fertigstellungsgrades des Werkes als Abnahmevorausetzung. Auch diesbezüglich entfacht oft Streit, ist doch die Abnahme regelmäßig wesentliche Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütung.

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Prozessrecht: Der untätige Sachverständige

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Prozessrecht: Der untätige Sachverständige -Verschärfungen durch Reform des Sachverständigenrechts mit Wirkung seit 15.10.2016

Der untätige Sachverständige bedeutet für Betroffene ein großes Dilemma. Der Gesetzgeber hat dies durchaus erkannt und hat mit einer Reform des Sachverständigenrechts mit Wirkung seit 15.10.2016 (Gesetz v. 11.10.2016, BGBl. I S. 2222) durchaus relevante Verschärfungen im Zivilprozessrecht verankert.

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick hinsichtlich der Problematik um den untätigen Sachverständigen sowie der geltenden Rechtslage seit der jüngsten Reform des Sachverständigenrechts. 

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Problembeschreibung: Der untätige Sachverständige

Sachverständigengutachten haben im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten eine erhebliche praktische Bedeutung. Gerade in haftungsrechtlichen Streitigkeiten hängt die Frage der Berechtigung eines Anspruchs regelmäßig von Fragen ab, die das zur Entscheidung berufene Gericht mangels hinreichender eigener Sachkunde nicht selbst beantworten kann. Dann kommt es unweigerlich zur Beauftrag eines (vermeintlich) geeigneten Sachverständigen durch das Gericht.

Auf diese Weise rückt ein Sachverständiger regelmäßig in den Mittelpunkt von Zivilprozessen, in denen es nicht selten um Forderungen in Millionenhöhe geht.

Mit Blick auf diese erhebliche Bedeutung der Sachverständigen im Zivilprozess überrascht es, dass die Zivilprozessordnung wenig Handhabe bietet, wenn – was nicht selten der Fall ist – der Sachverständige seiner Pflichten zur Erstellung des beauftragten Sachverständigengutachtens nicht bzw. nur unzureichend nachkommt. Insbesondere der säumige oder gar untätige Sachverständige bedeutet faktisch den Stillstand des betroffenen Zivilprozesses und stellt daher ein großes Ärgernis für die Betroffenen dar.

Der Gesetzgeber hat Schwächen der gesetzlichen Rahmenbedingungen erkannt und durchaus beachtenswerte Verschärfungen im Rahmen einer Reform des Sachverständigenrechts (Gesetz v. 11.10.2016, BGBl. I S. 2222) mit Wirkung seit 15.10.2016 eingeführt. Nach ersten Erfahrungen des Autors fehlt es bislang an einer konsequenten Anwendung dieser verschärften Vorschriften durch die Gerichte.

Rechtslage: Der untätige Sachverständige im Zivilprozess

Die Rechtslage stellst sich seit 15.10.2016 wie folgt überblicksmäßig dar:

Überblick: Sachverständigenrecht der ZPO

Versäumt es ein Sachverständiger, das beauftragte Gutachten in angemessener Zeit zu erstellen, kommt die Frage auf, welche rechtlichen Grundlagen existieren, hierauf zu reagieren.

Die relevanten Regelungen in der Zivilprozessordnung (ZPO) stellen sich wie folgt dar:

Ausgangspunkt bildet § 407 ZPO:

§ 407 ZPO
Pflicht zur Erstattung des Gutachtens

(1) Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt oder wenn er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist.

(2) Zur Erstattung des Gutachtens ist auch derjenige verpflichtet, der sich hierzu vor Gericht bereit erklärt hat.“

Demnach ist der einmal bestellte Sachverständige zur Erstellung des Gutachtens gesetzlich verpflichtet. Gründe zur Verweigerung des Gutachtens beschränken sich nach § 408 ZPO auf solche, die auch einen Zeugen zur Aussageverweigerung berechtigten würden. Diese Konstellation kann vorliegend außer Acht bleiben.

Die Folgen bei Ausbleiben des Gutachtens ergeben sich aus den §§ 409, 411 (Abs. 1 u. 2) ZPO:

409 ZPO
Folgen des Ausbleibens oder der Gutachtenverweigerung

(1) 1Wenn ein Sachverständiger nicht erscheint oder sich weigert, ein Gutachten zu erstatten, obgleich er dazu verpflichtet ist, oder wenn er Akten oder sonstige Unterlagen zurückbehält, werden ihm die dadurch verursachten Kosten auferlegt. 2Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt. 3Im Falle wiederholten Ungehorsams kann das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt werden.

(2) Gegen den Beschluss findet sofortige Beschwerde statt.

Vorzitierte Norm befasst sich mit dem Fall, dass der Gutachter zu verstehen gibt, dass er das Gutachten trotz übernommener Pflicht nicht erstatten will. Zwingende Rechtsfolge ist konsequenterweise die Verhängung eines Ordnungsgeldes sowie die Auferlegung der aus der Verweigerung resultierenden Kosten

Von größerer praktischer Bedeutung ist § 411 ZPO, der das Procedere bei – was die Regel ist – Beauftragung eines schriftlichen Gutachtens regelt:

411 ZPO
Schriftliches Gutachten

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) 1Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. 2Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. 3Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. 4Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. 5§ 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

Wichtigste Erkenntnis dieser im Rahmen der Reform des Sachverständigenrechts mit Wirkung ab 15.10.2016 verschärften Norm lautet, dass das Gericht dem Sachverständigen zur Erstellung des Gutachtens von vornherein eine Frist setzen muss (früher: „soll“).

Versäumt der „Gutachtenverweigerer“ diese zwingend zu setzende Frist, „soll“ ein Ordnungsgeld von maximal 3000 Euro festgesetzt werden. Dies gilt allerdings erst, nachdem ihm zunächst die Festsetzung eines solchen Ordnungsgeldes angedroht worden war. Im Falle einer nochmaligen Säumnis kann – dies einmalig (!) – ein Ordnungsgeld nochmals festgesetzt werden.

Wohl größte Relevanz dürfte der Möglichkeit zukommen, dem Sachverständigen seinen Vergütungsanspruch zu entziehen oder zumindest zu kürzen. Hierzu folgt aus § 8a des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG):

§ 8a JVEG
Wegfall oder Beschränkung des Vergütungsanspruchs

(1) Der Anspruch auf Vergütung entfällt, wenn der Berechtigte es unterlässt, der heranziehenden Stelle unverzüglich solche Umstände anzuzeigen, die zu seiner Ablehnung durch einen Beteiligten berechtigen, es sei denn, er hat die Unterlassung nicht zu vertreten.

(2) Der Berechtigte erhält eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er

1.gegen die Verpflichtung aus § 407a Absatz 1 bis 4 Satz 1 der Zivilprozessordnung verstoßen hat, es sei denn, er hat den Verstoß nicht zu vertreten;

2.eine mangelhafte Leistung erbracht hat;

3.im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig oder vorsätzlich Gründe geschaffen hat, die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen; oder

4.trotz Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes seine Leistung nicht vollständig erbracht hat.

Soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt, gilt sie als verwertbar.“

Demnach kann dem Sachverständigen seine Vergütung entzogen oder zumindest gekürzt werden, wenn er die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Im vorliegenden Kontext ist § 8a Abs. 2 Nr. 4 JVEG von besonderer Bedeutung:

Denn hieraus folgt für den Fall eines zweimalig fruchtlos auferlegten Ordnungsgeldes nach § 411 Abs. 2 ZPO, dass dem Sachverständigen in diesem Fall seine Vergütung entzogen werden kann. Näheres zu dieser Regelung ist der zugrunde liegenden Gesetzesbegründung zu entnehmen (BT -Drucksache 17/11471; S. 259):

„Nur für den Fall, dass die gesetzlich beschriebenen Ordnungsmittel (Ordnungsgeld wegen Fristversäumnis und wegen wiederholter Fristversäumnis) fruchtlos bleiben, soll nach der vorgeschlagenen Nummer 4 der Vergütungsanspruch gemindert werden. In diesem Zusammenhang erscheint eine Minderung vorzugswürdig, weil im Falle von fristgerecht erbrachten und verwertbaren Teilleistungen ein vollständiger Wegfall unangemessen erscheint. Auch für die sonstigen Fälle des Absatzes 2 soll die Vergütung nicht generell vollständig entfallen, sondern (nur) für die verwertbaren Leistungen gewährt werden. Soweit jedoch verwertbare Leistungen oder Leistungsteile nicht festgestellt werden, soll der Vergütungsanspruch vollständig entfallen.“

Es lässt sich feststellen, dass im Falle des Ausbleibens verwertbarer Ergebnisse trotz zweifach festgesetzten Ordnungsgeldes der Vergütungsanspruch vollständig zu versagen ist.

Zwischenfazit zum Sachverständigenrecht der ZPO

Die existenten Regelungen zum praktisch sehr bedeutsamen Problem des untätigen Sachverständigen sind erstaunlich dünn. Erfreulich ist, dass mit der Reform des Sachverständigenrechts mit Wirkung ab 15.10.2016 ein bereits mit Beauftragung des Gutachtens in Gang zu setzender Sanktionsmechanismus eingeführt worden ist:

Verweigert ein Sachverständiger trotz zweifache Festsetzung eines Ordnungsgeldes i.S.d. § 4011 Abs. 2 ZPO, droht ihm der vollständige Verlust seiner Vergütung, soweit im Zeitpunkt des fruchtlosen Verstreichens der letzten Frist ein verwertbares Ergebnis nicht vorliegt.

Der untätige Sachverständige: Interessante Rechtsprechung

Wie vorstehend dargelegt, ist die Gesetzeslage betreffend den untätigen Sachverständigen äußerst dünn bzw. lückenhaft. Umso mehr Bedeutung kommt der Rechtsprechung zu, der sich (auszugsweise) folgende Erkenntnisse entnehmen lassen.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.5.2019 (8 W 103/19): Gutachtenauftrag bedeutet „hoheitliche Beanspruchung“

Zur Rechtsstellung des gerichtlich beauftragten Sachverständigen hat das OLG Stuttgart in einer neueren Entscheidung zurecht darauf hingewiesen, dass der Sachverständige eine hoheitliche Position innehat:

„Die Heranziehung eines Sachverständigen durch das Gericht ist eine staatlich hoheitliche Beanspruchung, die nicht den Regeln des Vertragsrechts unterliegt (OVG Berlin, JurBüro 2001, 485; Hartmann, Kostengesetze, 48. Auflage, § 1 JVEG, Rn. 11).“ 

Diese Feststellung des OLG Stuttgart belegt einerseits die besondere Pflichtenstellung des Sachverständigen. Kehrseite hiervon ist allerdings eine äußerst schwache Rechtsposition der Parteien, die auf das Gutachten angewiesen sind. Der Gutachtenauftrag entfaltet insbesondere keine Schutzwirkungen zugunsten der Parteien. (Schadensersatz-)Ansprüche einer Partei gegen den Sachverständigen wegen verzögerter Erstellung des Gutachtens sind deshalb nur sehr schwer auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. Im Falle einer grob fahrlässigen Falschbegutachtung gilt die Spezialregelung des § 839a BGB.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 9. 6. 2011 (1 W 30/11): Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde, wenn Gericht/Sachverständiger überlange untätig bleiben – sog. „Tu-was-Beschwerde“

Unter anderem das OLG Frankfurt hat zutreffend die Möglichkeit einer sog. Untätigkeitsbeschwerde für zulässig erklärt, wenn ein Sachverständigengutachten unangemessen lange auf sich warten lässt.Das OLG Frankfurt (Beschluss vom 9. 6. 2011, Az. 1 W 30/11) hat in seinem ersten Leitsatz festgestellt:

„Eine Untätigkeitsbeschwerde ist aus Verfassungsgründen ausnahmsweise statthaft, wenn das Ausgangsgericht nicht oder nicht mit gebotener Beschleunigung tätig wird (sog. „Tu-was-Beschwerde“).

Anknüpfungspunkt ist dabei nicht der Sachverständige, sondern das Gericht, welches es versäumt, in geeigneter Form den Sachverständigen zum Tätigwerden zu bewegen.

BGH, Beschluss vom 27. 7. 2006 (VII ZB 16/06): Streitverkündung gegenüber Sachverständigen rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig.

Ungeachtet dessen, dass eine Haftung des Sachverständigen wegen aus seiner Untätigkeit resultierender Schäden (wohl) ohnehin nicht in Betracht kommt, hat der BGH bereits 2006 klargestellt, dass eine Streitverkündung gegenüber einem Sachverständigen im selben Verfahren unzulässig ist. Im entsprechenden Leitsatz heißt es (vgl. Beschluss vom 27. 7. 2006, Az. VII ZB 16/06):

Die Streitverkündung gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen gegen diesen aus angeblich fehlerhafter, im selben Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen ist unzulässig.“

Hintergrund der Entscheidung sind Fälle, in denen sich aus Sicht einer Partei abzeichnet, dass ein Sachverständiger sein Gutachten zu Lasten dieser Partei (grob) fahrlässig unrichtig erstellt. Dann nämlich kommt ggf. eine Haftung des Sachverständigen nach § 839a BGB in Betracht. Über eine Streitverkündung lässt gemäß dem BGH eine Haftungsklage gegen den Sachverständigen nicht vorbereiten.

Fazit zum untätigen Sachverständigen

Die Zivilprozessordnung hält für den Fall des untätigen Sachverständigen nur wenige Regelungen vor. Vor allem bedeutsam und daher nochmals hervorzuheben ist der mit der  Reform des Sachverständigenrechts mit Wirkung ab 15.10.206 eingeführte Sanktionsmechanismus, an dessen Ende für den untätigen Sachverständigen der vollständige Verlust seiner Vergütung stehen kann.

Das wirkungsvollste Mittel, untätige Sachverständige zur Pflichterfüllung zu animieren, liegt damit meines Erachtens darin, dem säumigen Sachverständigen geeignet vor Augen zu führen, dass ihm bei wiederholter Fristversäumung der vollständige Verlust seiner Vergütung droht. Dies setzt freilich einiges voraus:

  1. Das Gericht muss dem Sachverständigen eine Frist gesetzt haben, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.
  2. Nach Versäumung der vorgenannten Frist muss dem Sachverständigen unter Setzung einer Nachfrist zur vollständigen Erbringung der Leistung ein Ordnungsgeld angedroht worden sein.
  3. Dieses Ordnungsgeld muss verhängt sein.
  4. Dem Sachverständigen muss unter Setzung einer weiteren Nachfrist zur vollständigen Erbringung der Leistung ein weiteres Ordnungsgeld angedroht worden sein.
  5. Das weitere Ordnungsgeld muss rechtskräftig verhängt sein.
  6. Mit der Rechtskraft des Weiteren Ordnungsgeldbeschlusses erlischt der Anspruch des Sachverständigen. Eine weitere Fristsetzung ist nicht erforderlich, auch keine allgemeine weitere Verschuldensprüfung.
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Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen: Was tun bei einer Klage aus dem Ausland trotz entgegenstehender ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung?

Um kostspielige und unangenehme Rechtsstreitigkeiten im Ausland zu verhindern, ist es ratsam, mit ausländischen Geschäftspartnern ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen abzuschließen, die ausschließlich deutsche Gerichte als zuständig festlegen. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass der Geschäftspartner im Streitfall, entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung, Klage in seinem eigenen Land einreicht. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Was kann man zur Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen tun?

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Anerkennung und Vollstreckung von EU-Urteilen in Deutschland

Mit der Internationalisierung des Geschäftsverkehrs geht einher, dass der Frage, ob und wie ein im Heimatland des Gläubigers ergangenes Urteil im hiervon abweichenden Heimatstaat des Schuldners vollstreckt werden kann, eine hohe praktische Bedeutung zukommt. Denn die leidliche Erfahrung auch des Verfassers dieses Beitrags zeigt, dass viele Schuldner zur freiwilligen Leistung nicht bereit sind.

Nachfolgender Beitrag verschafft einen Überblick, wie ein in der EU in Zivil- und/oder Handelssachen erlassenes Urteil in anderen EU-Mitgliedstaaten – hier am Beispiel Deutschland – vollstreckt werden kann.

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Die Zustellung von Vertragserklärungen per E-Mail

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Die Zustellung von Vertragserklärungen per E-Mail

Egal, ob gewöhnlicher Brief, Telefax, E-Mail  etc. für die Übermittlung von (Vertrags-)Erklärungen und/oder Dokumenten zum Einsatz gelangen, stets kann im Ausgangspunkt der jeweilige Zugang und/oder der Inhalt der Vertragserklärung bestritten werden. Soweit keine besonderen Formerfordernisse – die E-Mail erfüllt nicht die Schriftform! – entgegenstehen, ist die Zustellung von Vertragserklärungen per E-Mail  ein praktisches Übermittlungs-Instrument. Hierbei ist Folgendes zu beachten:

Der Zugang per E-Mail und dessen Nachweis

Eine Erklärung per E-Mail gilt  im Geschäftsverkehr dann als zugegangen, wenn sie unmittelbar nach ihrer Absendung in den Empfangsbereich des Empfängers gelangt.

Der Empfänger hat sie dann noch während der üblichen Geschäftszeit zur Kenntnis zu nehmen, also von seinem Mailserver abzurufen. Tut er das nicht, gilt die Mail trotzdem spätestens mit Geschäftsschluss als zugegangen. Es genügt also die Abrufbarkeit beim Empfänger.

Kurz: Wenn Sie eine E-Mail versenden, gilt sie in aller Regel als taggleich zugegangen, egal ob der Empfänger sie gelesen hat.

Die Tatsache des Zugangs (Abrufbarkeit) ist allerdings  nicht allein durch eine bloße“ Receipt-Meldung“ des Mailprotokolls zuverlässig beweisbar. Hier hilft z.B. die Lesebestätigungsfunktion des Mail-Systems. Wenn Ihnen eine solche Bestätigung vorliegt, dürfte es Ihr Geschäftspartner sehr schwer haben, den Zugang zu leugnen. Allerdings:

Was gilt, wenn der Empfänger auf die Frage des Mail-Systems: “ Wollen Sie eine Lesebetätigung senden“ mit NEIN antwortet? Dies könnte zu Unsicherheiten führen. Besser ist es daher – soweit in Ihrem Mail-Programm verfügbar – auf die Funktion „Übermittlungsbestätigung anfordern“ zurückzugreifen. In diesem Fall sendet Ihnen das Mail-System selbst eine Bestätigung.  Meines Erachtens dürfte mit dieser „Übermittlungsbestätigung“ in der Praxis in aller Regel ein erfolgreicher Nachweis möglich sein.

Die Zustellung von Vertragserklärungen per E-Mail nebst E-Mail-Anhängen

Betreffend E-Mail-Anhänge gilt grundsätzlich das bereits oben Gesagte. Allerdings gibt es hier tendenziell ein paar Unsicherheiten, z.B. könnte behauptet werden, der Anhang habe gefehlt oder sei nicht zu öffnen gewesen. Auch könnte behauptet werden, der Anhang sei „aus Sicherheitsgründen“ (Gefahr von Viren etc.) nicht geöffnet worden.

Zu empfehlen ist es daher, den wesentlichen Inhalt etwaiger Anhänge zusätzlich in die E-Mail selbst zu formulieren. Unbedingt nötig ist dies aber nicht. Denn ohnehin würde man vom Geschäftspartner erwarten dürfen, dass er darauf hinwiest, sollte es Probleme beim Öffnen von Anhängen geben.

E-Mail service

Fazit 

Die E-Mail ist eine praktische Möglichkeit, um (Vertrags-)Erklärungen und/oder Dokumente einem Geschäftspartner zu übermitteln. In sensiblen Fällen, in denen der Zugang besonders wichtig und zuggleich zeitkritisch ist,  sollte der folgende, praxisbewährte Weg der Übermittlung genutzt werden:

Die zu übermittelnde Erklärung sollte postalisch mit der Post-Zusatzleistung „Einwurf-Einschreiben“ versendet werden. Der Post-Beamte ist dann Zeuge dafür, dass der Brief in den Briefkasten gelangt ist, was für einen wirksamen Zugang ausreichend ist. Zusätzlich ist dadurch auch die genaue Uhrzeit des Zugangs belegbar. Ergänzend sollte der Brief unter Anwesenheit eines Zeugen eingetütet worden sein. Somit kann auch belegt werden, welchen Inhalt der Briefumschlag hatte.

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Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen: Was tun bei einer Klage aus dem Ausland trotz entgegenstehender ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung?

Um kostspielige und unangenehme Rechtsstreitigkeiten im Ausland zu verhindern, ist es ratsam, mit ausländischen Geschäftspartnern ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen abzuschließen, die ausschließlich deutsche Gerichte als zuständig festlegen. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass der Geschäftspartner im Streitfall, entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung, Klage in seinem eigenen Land einreicht. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Was kann man zur Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen tun?

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Anerkennung und Vollstreckung von EU-Urteilen in Deutschland

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Bundesgerichtshof schafft Klarheit zum Rechtsbegriff „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“

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Vertragsrecht: Bundesgerichtshof schafft Klarheit zum Rechtsbegriff „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20. März 2019 (Az. VIII ZR 213/18) im Bereich des Sachmangelgewährleistungsrechts praxisrelevante Klarstellungen zum Verständnis der „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ getroffen.

Dies betrifft den häufig anzutreffenden Fall, dass die Vertragsparteien eine bestimmte Eigenschaft der Kaufsache (oder der Werkleistung) zwar nicht über eine strengen Anforderungen unterliegende Beschaffenheitsvereinbarung vereinbart haben, aber dennoch nach den Umständen vertraglich vorausgesetzt haben.

Der BGH hat dazu klargestellt, dass lediglich „vertraglich vorausgesetzte“ Eigenschaften nicht mit einer „nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung“ i.S.d. § 434 Abs. S. 2 Nr. 1 BGB vermengt werden dürften. „Verwendung“ meine allein den Einsatzzweck eine Sache, der regelmäßig von bestimmten Eigenschaften unabhängig zu beurteilen sei.

Die Kernaussagen zur „nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung“

 Die wesentlichen Aussagen des BGH lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Das Fehlen bestimmter Eigenschaften begründet nahezu ausschließlich dann einen Sachmangel, wenn hinsichtlich der fraglichen fehlenden Eigenschaft eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden ist.An die Annahme einer solchen Beschaffenheitsvereinbarung sind sehr strenge Anforderungen zu stellen. Auf Basis des neuen Schuldrechts kommt gemäß BGH eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht mehr im Zweifel, sondern nur noch in eindeutigen Fällen in Betracht (Anmerkung: Mehr zu den Anforderungen an die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung lesen Sie hier ).
  • Wenn es an einer Beschaffenheitsvereinbarung fehlt, richtet sich die Frage der Mangelfreiheit einer Sache danach, ob sie die vertraglich vorausgesetzte, im Übrigen die gewöhnliche Verwendungstauglichkeit aufweist.Hinsichtlich der vertraglich vorausgesetzten Verwendungstauglichkeit hat der BGH nunmehr klargestellt, dass sich diese alleinig nach dem Einsatzzweck der Sache bestimmt.Demgegenüber müssen bei Bestimmung der vertraglich vorausgesetzten Verwendung Eigenschaften, die nach den Vorstellungen der Parteien Geschäftsgrundlage gewesen sein mögen, außer Betracht bleiben. Anderenfalls – so der BGH – würden über den Umweg des Kriteriums „vertraglich vorausgesetzte Verwendung“ die Anforderungen an eine Beschaffenheitsvereinbarung umgangen werden.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. März 2019, Az. VIII ZR 213/18

Das BGH-Urteil vom 20. März 2019 (Az. VIII ZR 213/18) und der ihm zugrunde liegende Sachverhalt seien nachfolgend  überblicksmäßig dargestellt.

Der Sachverhalt: Einsatzzweck einer Verpackungsmaschine ist das „Verpacken“, nicht eine bestimmte „Verpackungsgeschwindigkeit“

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. März 2019 lag zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin als Produzentin und Händlerin von Vogelfutter erwarb von der Beklagten zwecks Erweiterung ihrer Produktionskapazitäten eine zusätzliche Verpackungsmaschine, mit welcher von ihr hergestelltes Vogelfutter maschinell in Plastikbeutel verpackt, verschweißt und sodann in den Verkauf gebracht wird.

Im Rahmen der Vertragsverhandlungen kam mehrfach der Wunsch der Klägerin nach einer bestimmten Produktionsgeschwindigkeit zum Ausdruck, wobei im schließlich geschlossenen Kaufvertrag eine konkrete Vereinbarung zu einer bestimmten Produktionsgeschwindigkeit fehlte. „Lediglich in der Auftragsbestätigung fand sich der Hinweis „up to 40 pcs/min“.

Gemäß den vom Erstgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen erreichte die Maschine in der Praxis lediglich eine Verarbeitungsgeschwindigkeit von neun Beuteln je Minute. Unter anderem wegen eines hierauf gestützten Mangels begehrte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht waren der Auffassung der Klägerin gefolgt und haben die reduzierte Produktionsgeschwindigkeit als Mangel gewertet, weil eine höhere Produktionsgeschwindigkeit dem vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck entsprochen habe.

Urteilsgründe zur Abgrenzung der „nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung“

Dieser Auffassung hat der Bundesgerichtshof eine deutliche Absage erteilt und darauf hingewiesen, sich die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ allein nach dem Einsatzzweck der Kaufsache bestimme.

Das Berufungsgericht habe dem Gesetz zuwider (vgl. in der Tat: BT-Drucksache 14/6040, S.213 ) den Begriff „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ zu weit gefasst, in dem es hierbei auf bestimmte Eigenschaften Kaufsache abgestellt habe. Damit habe das Berufungsgericht die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ zu weit gefasst. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt (BGH-Urteil vom 20.03-2019, VIII ZR 213/18, Tz. 26/27/28):

Tz. 26:

§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB zielt mit dem Merkmal der „nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung“ nicht auf konkrete Eigenschaften der Kaufsache ab, die sich der Käufer vorstellt, sondern darauf, ob die Sache für die dem Verkäufer erkennbare Verwendung (Nutzungsart) durch den Käufer geeignet ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl., § 434 Rn. 21). Die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung kann sich dabei von der gewöhnlichen Verwendung der Kaufsache unterscheiden (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2017 – VIII ZR 80/16, aaO mwN; vom 16. März 2012 – V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078, Rn. 16). Letztlich wird der fehlenden Eignung für die Verwendung nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB in der Regel nur dann eine eigenständige Bedeutung gegenüber derjenigen nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zukommen, wenn die Parteien nach dem Vertrag eine andere als die gewöhnliche Verwendung vorausgesetzt haben.

Tz. 27:

(1) Das Berufungsgericht ist zwar zunächst von dem Tatbestandsmerkmal der „nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung“ ausgegangen, hat diesen Rechtsbegriff jedoch nicht hinreichend erfasst und stattdessen auf bestimmte Eigenschaften der Verpackungsmaschine – insbesondere eine konkrete Produktionsgeschwindigkeit – abgestellt, die aus Sicht der Klägerin wünschenswert waren, die sie aber, wie oben ausgeführt, nicht zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung gemacht hatte. Es hat damit die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ zu weit gefasst. Denn es hat nicht – wie angesichts der in § 434 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BGB vorgenommenen Unterscheidung zwischen Beschaffenheitsvereinbarung und Eignung zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck geboten – berücksichtigt, dass die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ allein nach dem Einsatzzweck (hier: Verpackung von Vogelfutter in zu verschweißende Plastikbeutel) zu bestimmen ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 213). Stattdessen hat es zusätzlich eine einzelne Eigenschaft der Maschine (Erreichen einer bestimmten Produktionsgeschwindigkeit) zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung erhoben.

Tz. 28:

(2) Ob das Fehlen einer bestimmten, nicht zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung gemachten Eigenschaft einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB darstellt, richtet sich nicht danach, ob diese „Geschäftsgrundlage“ des Vertrags geworden ist. Dies liefe – falls das Berufungsgericht mit dem Begriff „Geschäftsgrundlage“ gemeint haben sollte, dass die Parteien eine bestimmte Produktionsgeschwindigkeit oder von der Klägerin gewünschte Stückzahlen als konkrete Nutzung gemeinsam unterstellt hätten – im praktischen Ergebnis darauf hinaus, die an eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB zu stellenden (strengen) Anforderungen dem Gesetz zuwider zu unterlaufen.“

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Fazit: Enges Anwendungsfeld der „nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung“ unterstreicht die große Bedeutung von Beschaffenheitsvereinbarungen

Spätestens seit der vorbeschriebenen, klarstellenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs sollten sich die Vertragspartner von Kauf- und Werkverträgen im Rahmen ihrer Vertragsverhandlungen folgende zwei Punkte vergegenwärtigen:

Punkt 1: Erwartete Eigenschaften müssen als Beschaffenheit vereinbart sein

Bestimmte Eigenschaften bzw. Merkmale der Kaufsache oder der Werkleistung sind vom Verkäufer bzw. Auftragnehmer ausschließlich dann geschuldet, wenn entsprechendes in Form einer sogenannten Beschaffenheitsvereinbarung vereinbart ist. Hierbei sollten sich die Parteien im Klaren darüber sein, dass nach der nunmehr immer klarer werdenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zweifelsfällen eine solche Vereinbarung zu verneinen ist. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich für Käufer bzw. Auftraggeber dringend, erwartete Eigenschaften mit dem Vertragspartner ausdrücklich im Vertragsdokument als Beschaffenheit zu vereinbaren.

Punkt 2: „Vorausgesetzte Verwendung“ beschränkt sich auf den Einsatzzweck, in der Regel ohne Bedeutsamkeit konkreter Eigenschaften

Soweit die Parteien hinsichtlich bestimmter Eigenschaften eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht treffen, muss sich der Käufer bzw. Auftraggeber im Klaren darüber sein, dass ihm sein Vertragspartner „nur“ noch die vertraglich vorausgesetzte bzw. übliche Verwendungstauglichkeit schuldet. Dies meint, wie der BGH klargestellt hat, allein den jeweiligen Einsatzzweck der Sache bzw. des Werkes. Einem späteren Versuch des Käufers oder Auftragnehmers, über das Argument der „vertraglich vorausgesetzten Verwendung“ dennoch eine Haftung für bestimmte Eigenschaften zu erreichen, hat der Bundesgerichtshof eine klare Absage erteilt. Zudem:

Käufer bzw. Auftraggeber, die eine von der üblichen Verwendung abweichende Einsatztauglichkeit begehren, sollten darauf achten, dass dies in den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen auch hinreichend klar zum Ausdruck kommt.

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Um kostspielige und unangenehme Rechtsstreitigkeiten im Ausland zu verhindern, ist es ratsam, mit ausländischen Geschäftspartnern ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen abzuschließen, die ausschließlich deutsche Gerichte als zuständig festlegen. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass der Geschäftspartner im Streitfall, entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung, Klage in seinem eigenen Land einreicht. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Was kann man zur Durchsetzung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen tun?

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Der Vorvertrag

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Der Vorvertrag

In der Geschäftswelt sind laufend Entscheidungen zu treffen. Viele solcher Entscheidungen bestehen darin, sich in einem Projekt für einen bestimmten Partner entschieden zu haben, mit dem dann ein entsprechender Vertrag abzuschließen ist. Das häufige Problem ist dann: Es fehlt die Zeit bzw. auch einfach nur an bestimmten Klärungen tatsächlicher und/oder rechtlicher Art, den Vertrag „ adhoc“ schließen zu können. Oft ist es in solchen Situationen dann auch keine Option, einfach (unverbindlich) abzuwarten, bis alle offenen Punkte geklärt sind. Dann kommt der Vorvertrag ins Spiel, durch den die Parteien sofort eine Bindung herbeiführen können, obwohl noch offene, klärungsbedürftige Punkte existieren.

Der nachfolgende Beitrag soll Sie hinsichtlich der Problematiken rund um den Vorvertrag sensibilisieren.

Ausgangspunkt: § 154 BGB

Grundsätzlich gilt, dies ist wichtig zu wissen, dass das Gesetz davon ausgeht, dass es solange keinen Vertrag, und damit keine Bindung gibt, bis die Parteien über alle Punkte eine Klärung herbeigeführt haben. In § 154 Abs. 1 BGB heißt es:

Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.

Grunddefinition des Vorvertrages

Unter Vorvertrag ist ein Vertrag zu versehen, durch den für beide Teile oder auch nur für einen von ihnen die Verpflichtung begründet wird, den eigentlich angestrebten schuldrechtlichen Vertrag, den Hauptvertrag, abzuschließen.

Erforderlich für Vorvertrag: Entsprechender Rechtsbindungswille

Der Bundesgerichthof (BGH) hat die Rahmenkriterien zur Annahme eines Vorvertrages wie folgt herausgearbeitet (NJW 2006, 2843):

„Nach der Auslegungsregel von § 154 I 1 BGB kommt ein bindender Vertrag zwar erst zu Stande, wenn sich die Parteien über alle nach ihrer Vorstellung regelungsbedürftigen Punkte geeinigt haben. Die Regel gilt jedoch nur im Zweifel und hindert die Parteien nicht, sich durch den Abschluss eines Vorvertrags zunächst nur hinsichtlich einzelner Punkte zu binden und die Bereinigung der offen gebliebenen Punkte einer späteren Verständigung vorzubehalten (…) Im Hinblick auf § 154 I 1 BGB ist die Annahme eines Vorvertrags allerdings nur gerechtfertigt, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen, dass sich die Parteien ausnahmsweise vor der abschließenden Einigung über alle regelungsbedürftigen Punkte vertraglich binden wollten.(…)“

Damit ist der Kern des Vorvertrages treffend wie folgt herausgearbeitet:

Die Parteien eines Vorvertrages wollen eine Bindung, obwohl es zu diesem Zeitpunkt an einer abschließenden Einigung über alle regelungsbedürftigen Punkte noch fehlt.

Mindestinhalt des Vorvertrages

Zu seiner Wirksamkeit bedarf der Vorvertrag eines Mindestinhalts. Dies gilt unabhängig vom zum Ausdruck gebrachten Rechtsbindungswillen. Der BGH hat diesen Mindestinhalt am Beispiel des Kaufvertrages wie folgt auf den Punkt gebracht (NJW 1990, 1234):

„Ein Vorvertrag zu einem Kaufvertrag ist in der Regel hinreichend bestimmt, wenn Kaufgegenstand und Kaufpreis sowie die von den Vertragsparteien für wesentlich angesehenen Nebenpunkte geregelt sind oder sich bestimmen lassen.“

Faustformel zum Mindestinhalt ist: Es bedarf einer Einigung über alle vertragswesentlichen Punkte bereits im Vorvertrag.

Fehlt es nämlich an einer Regelung über alle vertragswesentlichen Punkte, ist eine spätere Lückenschließung nicht möglich. Hierzu der BGH (NJW 2006, 2843):

„Soweit die Einzelheiten der zu treffenden Regelungen dem abzuschließenden Vertrag vorbehalten sind, führt das Fehlen der Einigung der Vertragsparteien nur dann zur Unwirksamkeit des Vorvertrags, wenn die Parteien den nicht geregelten Punkt für wesentlich angesehen haben (…). In einem solchen Fall (…) ist die Feststellung dessen, was zu gelten hat, nicht möglich.

Rechtsfolge aus Vorvertrag: Einklagbare Verhandlungspflicht bezüglich des Hauptvertrages

In einem jeden Vorvertrag liegt daher für die Parteien, die sich hierzu entschließen, auch ein Risiko, das es abzuwägen gilt. Denn:

Man bindet sich, obwohl es über offene Punkte noch an einer Einigung fehlt. Jede Partei kann nach Abschluss des Vorvertrages von der anderen Seite den Abschluss des Hauptvertrages einfordern. Notfalls „hilft“ dann ein Gericht dabei, die vorhandenen Lücken entsprechend dem Vorvertrag zu schließen. Dazu der BGH im bereits zitierten Urteil:

Ein Vorvertrag verpflichtet beide Parteien, an dem Aushandeln der Bedingungen des abzuschließenden Vertrags mitzuwirken (…). Durch den Abschluss des Vorvertrags haben beide Vertragsparteien die Pflicht übernommen, sich mit den Vorschlägen der jeweils anderen Partei zum Inhalt des angestrebten Vertrags auseinanderzusetzen. Wird in einem gerichtlichen Verfahren um den Inhalt des abzuschließenden Vertrags gestritten, so ist jede Partei des Vorvertrags berechtigt, die Erfüllung der übernommenen Verpflichtung in Gestalt einer von ihr formulierten Vertragserklärung zu verlangen und zum Gegenstand einer Klage zu machen, sofern die andere Partei ihrer Verpflichtung zu ernsthaften Verhandlungen über den Inhalt des abzuschließenden Vertrags nicht nachkommt oder eine Einigung nicht zu erzielen ist. Sache der bekl. Partei ist es sodann, einen möglichen Gestaltungsspielraum einwendungsweise durch konkrete Alternativvorschläge geltend zu machen.“

Typischer Stolperstein beim Vorvertrag: Missachtete Formerfordernisse 

Streiten die Parteien eines Vorvertrages über den Abschluss des Hauptvertrages, ist es nicht selten ein übersehenes Formerfordernis, über das es der einigungsunwilligen Partei gelingt, sich aus dem Vorvertrag „zu befreien“.

Wenn nämlich für den Hauptvertrag zwingende Formvorschriften bestehen, können diese auch Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vorvertrag sein. Es kommt dann darauf an, welche Funktion der Formvorschrift zukommt:

Soll eine Formvorschrift den Hauptvertrag betreffend vor übereilter Bindung schützen (Warnfunktion), so verlangt dieser Formzweck bereits für den Vorvertrag die Beachtung der Form des Hauptvertrags. Demgemäß wurde vom BGH z.B. ein Vorvertrag, der auf eine Grundstücksveräußerung abzielte, für formbedürftig angesehen.

Dient die Formvorschrift für den Hauptvertrag hingegen (nur) der Klarstellung- und Beweissicherung, so ist der Vorvertrag formlos wirksam, da durch die Beachtung der für den Hauptvertrag vorgeschriebenen Form diesen Formzwecken Genüge getan wird.

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Fazit zum Vorvertrag

Wenn sich Parteien des Vorvertrages hinreichend darüber bewusst sind, welche Bindungen sie damit eingehen und zugleich auch wissen, welche Anforderungen für einen wirksamen Vorvertrag zu beachten sind, ist er ein praktikables Werkzeug im Wirtschaftsleben, operative Geschäftsprozesse zügig abzusichern. Das oft zeitintensive Aushandeln der Vertragsdetails kann so in Ruhe geschehen, ohne dass das „Ob“ des jeweiligen Deals noch in Frage steht.

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