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Ratgeber GmbH-Recht: Zu den Pflichten und Haftungsrisiken des Geschäftsführers einer GmbH

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Ratgeber GmbH-Recht: Geschäftsführertätigkeit in der GmbH – Zu den Pflichten und Haftungsrisiken des Geschäftsführers einer GmbH

Aus der jahrelangen Beratung mittelständischer Unternehmen ist beim Autor dieses Beitrags die Erkenntnis gewachsen, dass deren Geschäftsführer meist juristisch unerfahren und sich der mit ihrer Tätigkeit einhergehenden Pflichten und somit Haftungsrisiken, wenn diese nicht beachtet werden, nicht hinreichend bewusst sind.

A. Einführung

Die zentrale Gesetzesnorm, die Aufschluss  über die Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH gibt, ist § 43 Aba. 1 GmbHG:

„Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.“

Demnach haben die Geschäftsführer „in den Angelegenheiten der Gesellschaft“ mit der Sorgfalt  eines ordentlichen Kaufmanns zu agieren.

Grundsätzlich haftet den Gesellschaftsgläubigern für jedes vertragliche und außervertragliche

Verschulden ihrer Geschäftsführer (§§ 31, 278 BGB) nur die GmbH. Der Geschäftsführer muss regelmäßig die Verletzung ihm obliegender Pflichten auch lediglich der Gesellschaft gegenüber

verantworten. Gegenüber der GmbH machen sie sich schadensersatzpflichtig, wenn der Gesellschaft wegen einer sorgfaltswidrigen Pflichterfüllung ein Schaden entsteht. Dies regelt § 43 Abs. 2 GmbHG. Im Falle eines Vorsatzes kommt gar eine Strafbarkeit z.B. wegen Untreue (§ 266 StGB) in Betracht.

Im Außenverhältnis, also gegenüber Dritten, haftet zwar grundsätzlich nur die GmbH, die sich wie dargestellt bei ihren Geschäftsführern schadlos halten kann. Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine Außenhaftung der Geschäftsführer ausgeschlossen ist.

Neben der Eigenhaftung im Bereich des Steuer– und Sozialrechts  kommt eine Haftung des Geschäftsführers aus eigenen vertraglichen Verpflichtungen, aus veranlasstem Rechtsschein, wegen eines (Eigen-)Verschuldens bei Vertragsschluss sowie aus unerlaubter Handlung in Betracht.

Aus vorgenannten Gründen ist jedem Geschäftsführer einer GmbH dringend zu empfehlen, die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsführertätigkeit sowie die drohenden Konsequenzen im Innen- wie auch im Außenverhältnis möglichst genau zu kennen. Hierüber soll der nachfolgende Beitrag informieren.

B. Die Pflichten des Geschäftsführers

Voraussetzung für jedwede Haftung ist eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers.

Die Pflichten des Geschäftsführers ergeben sich aus dem Gesetz, dem Gesellschaftsvertrag sowie auch – sofern gegeben – aus seinem Anstellungsvertrag. Aus der Geschäftsordnung folgen im Falle mehrerer Geschäftsführer oft bindende, haftungsrelevante Zuständigkeitsverteilungen.

Nachfolgend sollen in erster Linie die aus dem Gesetz resultierenden Pflichten dargestellt werden.

I. Ausgangspunkt: Business Judgement Rule

Übergeordnet ist zunächst von erheblicher Bedeutung, dass dem Geschäftsführer bei der Führung der Geschäfte der GmbH ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt wird.

Eine etwaige Schadensersatzpflicht kommt überhaupt erst dann in Betracht, wenn die Grenzen
dieses ihm eingeräumten Handlungsspielraums überschritten sind.

Als Faustformel gilt, dass eine rechtmäßige Ermessensentscheidung vorliegt, soweit der betroffene Geschäftsführer „bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ (sogenannte business judgement rule). Dann ist eine Haftung wegen einer Pflichtverletzung grundsätzlich ausgeschlossen.

Hintergrund dieses weiten Handlungsspielraums ist, dass ein Handeln im Unternehmensinteresse notwendigerweise auch das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken beinhalten kann. Die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen ist dem immanent.

Kurz: Unternehmerisches Handeln ist stets mit Risiken verbunden. Erst ein als gänzlich verantwortungslos einzustufendes Handeln sprengt diesen Handlungsspielraum.

II. Pflicht zur sorgfältigen, ordnungsgemäßen Unternehmgensleitung

Aufgabe der Geschäftsführer ist es, die Gesellschaft zu leiten. Die Geschäftsführer haben dabei die Pflicht dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten rechtmäßig verhält. Dazu im Einzelnen:

1. Förderung des Gesellschaftszwecks

Die Geschäftsführung hat den satzungsmäßigen Gesellschaftszweck aktiv zu verfolgen.

Die Geschäftsführung hat demgemäß insbesondere das Tagesgeschäft zu leiten, die langfristige Unternehmenspolitik zu entwickeln und ggf. die von den Gesellschaftern beschlossene Unternehmenspolitik umzusetzen.

Maßstab für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Leitungspflichten ist dabei nach
§ 43 Abs. 1 GmbHG die „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“. Konkretisiert wird dies durch die Pflicht, die Entscheidungsgrundlagen sorgfältig zu ermitteln, sich ausschließlich am Unternehmenswohl zu orientieren und das Risiko nicht zu überspannen (business judgement rule!).

Wenn Vorstehendes vom Geschäftsführer beachtet wird, ist auch das Eingehen eines Risikos, das sich später verwirklicht, oder eine sonstige unternehmerische Fehlentscheidung nicht pflichtwidrig und löst deshalb auch keine Haftung aus.

2. Bindung an das Gesetz (sog. Legalitätspflicht)

Bei der Erfüllung gesetzlicher Pflichten führt ein Verstoß fast zwangsläufig zu einem Pflichtverstoß auch im Innenverhältnis. Gesetzliche Pflichten sind daher unbedingt zu beachten. Die Geschäftsführer können nicht davon ausgehen, dass die Gesellschafter diese Pflichten nicht erfüllen wollen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Pflichten aufgrund öffentlichen Rechts (z.B. Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht) oder aufgrund des Privatrechts bestehen (z. B. die Verkehrssicherungspflicht).

3. Keine zwingende Bindung an Verträge

Bei der Erfüllung privatrechtlicher Pflichten aus Verträgen sieht dies jedoch anders aus.

Es kann unternehmerisch durchaus Sinn machen, solche Pflichten nicht zu erfüllen
und stattdessen Schadensersatzansprüche abzuwarten und ggf. zu erfüllen
( sog. „nützliche“ Pflichtverletzung).

Sofern der Geschäftsführer nach pflichtgemäßer Abwägung zu diesem Ergebnis kommt, liegt ein Pflichtverstoß seinerseits im Verhältnis zur Gesellschaft in diesem Fall nicht vor.

III. Treuepflicht

Der Geschäftsführer hat gegenüber der Gesellschaft eine besondere organschaftliche Treuepflicht, aufgrund derer er in sämtlichen, das Interesse der Gesellschaft berührenden Angelegenheiten allein deren Wohl und nicht seinen eigenen Vorteil oder den Vorteil Dritter zu verfolgen hat.

Bedeutsam ist die Treuepflicht als besondere Pflicht gegenüber der allgemeinen Unternehmensleitungspflicht deshalb, weil bei Erfüllung der Treuepflicht kein unternehmerischer Handlungsspielraum besteht. Ausfluss dieser Treupflicht ist insbesondere auch die oben erwähnte Pflicht zu gesetzestreuem Verhalten.

Aus der Treuepflicht folgt unter anderem:

  • Jeder Geschäftsführer muss seine Arbeitskraft voll der Gesellschaft zur Verfügung stellen, auch Überstunden können geschuldet sein.
  • Ein Geschäftsführer darf sein Amt nicht ohne Rücksicht auf die GmbH niederlegen (keine „Amtsniederlegung zur Unzeit“).
  • Jeder Geschäftsführer unterliegt einem umfassenden Wettbewerbsverbot.
  • Wichtig: Der Geschäftsführer darf seine Stellung nicht zum eigenen Vorteil ausnutzen. Insbesondere darf er Geschäftschancen der GmbH nicht für sich nutzen oder sich auf irgendeine Weise zu Lasten der GmbH bereichern.
  • Jeden Geschäftsführer trifft eine umfassende Verschwiegenheitspflicht.

IV. Haftungsbefreiungen und -erleichterungen

Gewissermaßen eine Haftungsbefreiung stellt es dar, wenn der Geschäftsführer eine Pflicht ohne Verschulden verletzt hat. Denn ohne Verschulden gibt es in aller Regel keine Haftung.

Liegt eine Pflichtverletzung vor, wird das Verschulden des Geschäftsführers vermutet. Er müsste also beweisen, dass er mangels Verschulden im Einzelall nicht haftet.

In Betracht kommt z.B., dass sich der Geschäftsführer entlastend darauf beruft, dass er nicht wusste und auch nicht wissen musste, dass er eine Pflicht verletzt. Dies wäre im Einzelfall zu prüfen und zu würdigen.

Im Übrigen kommen folgende den einzelnen Geschäftsführer möglicherweise entlastende Fälle in Betracht:

1. Geschäftsverteilung bei mehreren Geschäftsführern

Mehrere Geschäftsführer sind, sofern der Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschlüsse
nichts anderes ergeben, gemeinsam berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft zu leiten.

Eine etwaige Abgrenzung der Aufgaben kann sich aus entsprechenden Gesellschafterbeschlüssen ergeben. Fehlen solche, können die Geschäftsführer selbst Aufgabenbereiche untereinander verteilen und abgrenzen. Dies erfordert, dass diese Aufteilung nach außen sichtbar, möglichst schriftlich, vorgenommen wird. Hinzu kommen muss, dass die fragliche Aufteilung qualifikationsgerecht erfolgt ist. Ferner ist zu beachten, dass nicht jede Aufgabe der Geschäftsführung zuweisbar ist.

Folge einer wirksam vorgenommenen Aufteilung ist, dass den einzelnen Geschäftsführer bezüglich seiner Mitgeschäftsführer nur noch Überwachungspflichten treffen. Für die einzelnen, vom Mitgeschäftsführer getroffenen Entscheidungen ist er grundsätzlich nicht mehr verantwortlich.

2. Pflichtendelegation

Grundsätzlich darf der GmbH-Geschäftsführer ihn obliegende Aufgaben unbeschränkt delegieren. Dabei versteht sich von selbst, dass eine solche zulässige Pflichtendelegation nicht automatisch zu einer Enthaftung führt. Vielmehr trifft den Geschäftsführer als Folge der Delegation eine umfassende Kontroll- und Überwachungspflicht. Lesen hierzu meinen gesonderten Beitrag.

3. Weisungen der Gesellschafter

Die Gesellschafter der GmbH können den Geschäftsführern jederzeit Weisungen erteilen. Weisungsberechtigt ist im Normalfall die Gesellschafterversammlung, nicht aber der einzelne
Gesellschafter.

Aus dem Weisungsrecht der Gesellschafter folgt die Pflicht der Geschäftsführer, sich an Weisungen zu halten. Geschieht dies nicht, ist dies ein Pflichtverstoß und kann zur
Haftung des Geschäftsführers führen. Umgekehrt sind die Geschäftsführer von jeder Haftung frei, wenn sie aufgrund einer zulässigen Weisung der Gesellschafterversammlung handeln.

Durch den Gesellschafterbeschluss wird also die Verantwortung für die betroffene Handlung von der Geschäftsführung auf die Gesellschafter verlagert. Dies gilt sogar grundsätzlich auch dann, wenn hierdurch die Gesellschaft bewusst geschädigt wird!

Grenzen findet diese Verlagerung der Verantwortung dort, wo das Gesetz den Gesellschaftern Grenzen setzt und dem entsprechenden Gesellschafterbeschluss die Wirksamkeit verweigert, diesen also für nichtig erklärt. Dies sind die Fälle des § 241 AktG, die auch auf die GmbH entsprechend anzuwenden sind.

4. Schließlich: Haftungserleichterungen im Anstellungsvertrag

Nach überwiegender Auffassung lässt sich die Haftung des Geschäftsführers über seinen Anstellungsvertrag begrenzen. Gründe des Gläubigerschutzes lassen dies allerdings fragwürdig erscheinen. Denn die Gläubiger der GmbH sind darauf angewiesen, dass die GmbH mit der notwendigen Sorgfalt geführt wird. Das Gesetz lässt aber letztlich eine Beschränkung zu. Anerkanntermaßen zulässig sind insbesondere folgende Haftungsbegrenzungen:

  • Haftungsausschluss für fahrlässige Pflichtverletzungen,
  • Begrenzung der Haftung auf einen Höchstbetrag,
  • Verkürzung der Verjährung.

C. Die Fälle einer Innenhaftung des Geschäftsführers

Die Standardhaftungsnorm bildet § 43 Abs. 2 GmbhG, die dann greift, wenn

• ein Geschäftsführer eine ihn treffende Pflicht verletzt hat (s.o.),
• ihn ein Verschulden trifft,
• auch sonst keine Haftungsbefreiung greift, sowie
• der Gesellschaft daraus ein Schaden erwachsen ist.

Darüber hinaus existieren die folgenden, spezielleren Haftungstatbestände:

I. Verschärfte Schadensersatzhaftung in Fällen des § 43 Abs. 3 GmbhG

§ 43 Abs. 3 GmbHG sieht für zwei bestimmte Sachverhalte eine verschärfte und unabdingbare Haftung der Geschäftsführer vor.

Diese Sachverhalte betreffen das Kapitalerhaltungsgebot und dienen dem Gläubigerschutz. Die verschärfte Haftung tritt ein, wenn entgegen

  • § 30 GmbHG Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft vorgenommen werden, § 43 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GmbHG, oder
  • den Bestimmungen des § 33 GmbHG eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben werden, § 43 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GmbH.

Der Tatbestand ist auch dann erfüllt, wenn eigenkapitalersetzende Darlehen i. S. d. § 30 GmbHG an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Dies ergibt sich unmittelbar daraus, dass diese dem Stammkapital gleichgestellt sind und daher ebenso wenig wie dieses zurückgezahlt werden dürfen. Anders sieht dies jedoch bei eigenkapitalersetzenden Darlehen nach §§ 32a, b GmbHG aus. Hier ist die Rückzahlung zulässig, jedoch besteht ggf. ein Erstattungsanspruch der Gesellschaft. Dementsprechend handeln die Geschäftsführer bei einer Rückzahlung nicht pflichtwidrig nach § 43 Abs. 3 GmbHG. Ob die Rückzahlung in der konkreten Situation dennoch pflichtwidrig ist, ist hiervon unabhängig zu beurteilen. Jedenfalls ist sie nach entsprechender Weisung der Gesellschafterversammlung zulässig.

Die Haftung der Geschäftsführer ist in den genannten Fällen zwingend, wobei wie auch sonst ein Verschulden des Geschäftsführers Voraussetzung seiner Haftung ist. Gegebenenfalls scheiden auch Haftungserleichterungen, also die Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit, Vorsatz oder eine betragsmäßige Beschränkung, aus. Ein Handeln auf Weisung der Gesellschafterversammlung entlastet den Geschäftsführer nach § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG nur dann, solange der Anspruch nicht zur Befriedigung der Gläubiger geltend gemacht wird.

II. Ersatzpflichten bei Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht, § 15a Abs. 1 InsO

Die früher in § 64 GmbHG a.F. geregelte Insolvenzantragspflicht des GmbH-Geschäftführers ist heute für alle juristischen Personen zentral in § 15a InsO geregelt.

Jeder Geschäftsführer ist bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes – Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen und so die Gesellschaft in ein Verfahren zu bringen, in dem die Forderungen der Gläubiger so weit wie möglich befriedigt werden.

Nach § 15b Abs. 1 InsO dürfen Geschäftsführer nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder deren Überschuldung keine Zahlungen mehr für diese vornehmen. Untersagt sind somit grundsätzlich Zahlungen ab Eintritt der Insolvenzantragspflicht. Denn der Geschäftsführer darf nicht einzelne Gläubiger durch Leistungen bevorzugen, die die verfügbaren Mittel zu Lasten der Gesamtheit der Gläubiger schmälern.

Eine Ausnahme gilt für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, § 15b Abs. 1 S.2 InsO. In diesen Fällen fehlt es gegebenenfalls von vornherein an einer Pflichtwidrigkeit der Zahlung. Beurteilungsmaßstab der zu beachtenden Sorgfaltspflicht ist dabei das objektive Gläubigerinteresse.

Die Frage, wann eine Zahlung als „mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar“ gilt, wird – als Novum zu früheren Rechtslage – in § 15b Abs. 2 und Abs. 3 InsO konkretisiert:

Nach § 15b Abs. 2 gelten Zahlungen, die „im ordnungsgemäßen Geschäftsgang“ erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die „zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich“ sind, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.

Gemäß § 15b Abs. 2 S. 2 InsO sind die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang getätigten Zahlungen im Sinne des § 15b Abs. 2 S. 1 InsO allerdings nur privilegiert, solange die Geschäftsführer– was sie darzulegen und zu beweisen haben – „Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben“.

§ 15b Abs. 3 InsO sieht vor, dass Zahlungen nach verstrichener Insolvenzantragsfrist des § 15a Abs. 1 InsO nicht mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Dies bedeutet, dass der Geschäftsleiter, der den Insolvenzantrag verspätet stellt und während der Verschleppungszeit masseschmälernde Zahlungen vorgenommen hat, regelmäßig nach § 15b Abs. 1 InsO haftet.

Folge einer verbotenen Zahlung ist dann eine entsprechende Erstattungspflicht des Geschäftsführers; § 15b Abs. 4 S.1 InsO.

D. Die Außenhaftung des Geschäftsführers

Eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten (Außenhaftung) ist die Ausnahme, weil der Gesetzgeber in § 43 Abs. 2 GmbHG eine grundsätzliche Entscheidung hin zu einer Innenhaftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft getroffen hat.

Folgende Fälle einer dennoch gegebenen Außenhaftung sind bedeutsam:

I. Zivilrechtliche Außenhaftung

Ein Außenhaftung des Geschäftsführers kann sich aus dem Zivilrecht wie folgt ergeben:

1. Vertragsähnliche Haftung wegen sog. culpa in contrahendo (c.i.c.), §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB

Eine Außenhaftung des Geschäftsführers kann sich auf vertraglicher Ebene aus § 311 Abs. 3 BGB ergeben.

Danach können rechtsgeschäftliche Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch für einen Dritten bestehen, der „in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst“.

Eine Haftung wird in folgenden Fällen diskutiert:

  • Wirtschaftliches Eigeninteresse

Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten kommt zunächst dann in Betracht, wenn er eine so enge (wirtschaftliche) Beziehung zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen hat, dass er letztlich als Vertreter in eigener Sache tätig wird.

Der Geschäftsführer haftet dann unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses. Die anzulegenden Maßstäbe für dieses Eigeninteresse sind streng. Nicht ausreichen soll es zum Beispiel, dass der verhandelnde Geschäftsführer gleichzeitig Allein- oder Mehrheitsgesellschafter der GmbH ist, oder er durch den Abschluss des Vertrages einen Provisionsanspruch erwirbt. Bejaht hat der BGH die Haftung für den Fall, dass die Tätigkeit des Geschäftsführers auf die Beseitigung von Schäden abzielt, für die er andernfalls von der Gesellschaft selbst haftbar gemacht werden könnte oder in Fällen, in denen der Geschäftsführer von Anfang an die vertragliche Leistung nicht an die Gesellschaft weiterleiten sondern von ihm selbst bestimmten Zwecken zuführen wollte.

  • Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens

Eine weitere Fallgruppe bildet die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens durch den Geschäftsführer. Dies meint Fälle, in denen er zusätzliches besonders auf sich bezogenes und über die normale Verhandlungsloyalität hinausgehendes Vertrauen bezüglich der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen hervorruft und der Willensentschluss des anderen Teils darauf beruht. Gefordert wird, dass der Geschäftsführer eine garantieähnliche Erklärung gegenüber dem Vertragspartner abgegeben hat.

2. Haftung aus unerlaubten Handlungen, § 823 Abs.1 und Abs. 2 BGB

Eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten kann sich auch aus dem Deliktsrecht ergeben.

Voraussetzung ist, dass der Geschäftsführer im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer einen Dritten schädigt und dabei entweder ein Schutzgut i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB oder ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB schuldhaft verletzt.

Die Gesellschaft selbst haftet gegebenenfalls neben dem Geschäftsführer gesamtschuldnerisch.

Zu unterscheiden ist zwischen aktivem Tun und Unterlassen:

Haftung wegen aktivem Tun

Verletzt eine eigene Handlung des Geschäftsführers ein in § 823 Abs. 1 BGB genanntes Rechtsgut wie insbesondere Leib, Leben oder das Eigentum eines Dritten, haftet er neben der Gesellschaft persönlich. Dies ist weitestgehend unumstritten.

Die Begehungshaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB erweitert die auf nur wenige benannte Rechtsgüter beschränkte Außenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB um eine zusätzliche
Schutzgesetzhaftung.

Während § 34 GmbHG kein Schutzgesetz ist, kommen als Schutzgesetze, deren Verletzung durch den Geschäftsführer eine Haftung auslösen kann, z.B. in Betracht: § 35a GmbHG, § 58 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 82 GmbHG, § 85 GmbHG, sowie § 15a Abs. 1 InsO.

Diverse weitere Schutzgesetze finden sich im Strafrecht, so z.B. § 266 StGB (Untreue), § 263 StGB (Betrug), §§ 266a Abs. 1 StGB, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Pflicht zur Weiterleitung der Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung) sowie §§ 283 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, 7, 283b Abs. 1 Nr. 1, 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Bankrottdelikte).

Verletzt der Geschäftsführer ein solches vorstehendes Schutzgesetz durch sein eigenes
Tun fahrlässig oder vorsätzlich rechtwidrig und schuldhaft, trifft ihn dafür neben seiner etwaigen Strafhaftung eine zivilrechtliche Außenhaftung direkt und persönlich gegenüber dem geschädigten Dritten.

Haftung wegen Unterlassung (Garantenhaftung)

Eine zivilrechtliche Unterlassungshaftung setzt eine dem unterlassenden Geschäftsführer
obliegende Eingriffs- im Sinne von Erfolgsabwendungspflicht voraus.

Relevanz hat dies insbesondere im Bereich der Verkehrssicherungs- und Organisationspflichten gegenüber Dritten. Wie bereits dargestellt, führt eine Verletzung der aus der Organstellung des Geschäftsführers resultierender Pflichten grundsätzlich nur zu einer Haftung gegenüber der Gesellschaft.

Daraus leitet der BGH ab, dass der Geschäftsführer gegenüber Dritten selbst dann nicht haftet, wenn er Kenntnis z.B. von Wettbewerbsverstößen, Urheberrechts- oder Kennzeichenverletzungen hatte und deren Verhinderung unterlassen hat.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn den Geschäftsführer eine „Garantenstellung“ zum Schutz Dritter vor Gefährdung oder Verletzung ihrer Rechtsgüter einnimmt. Eine solche folgt noch nicht aus der bloßen Stellung als Geschäftsführer einer GmbH. Vielmehr muss er über seine Organstellung hinaus eine eigene Verkehrs- oder Organisationspflicht verletzt haben, was einer besonderen Rechtfertigung in Form einer deliktspezifischen Eingriffspflicht bedarf.

Anerkanntermaßen haben GmbH-Geschäftsführer eine haftungsbegründende Garantenstellung insbesondere in folgenden Fällen:

  • als sog. Beschützergarant für die Gewährsübernahme von der GmbH im weiteren Sinne anvertrauten fremden Güter
  • als sog. Überwachergarant aus „Verkehrssicherungspflicht“ kraft Übernahme der Sicherung „GmbH-eigener“ Sachgefahrenquellen wie z.B: gefahrenträchtige Betriebsgüter, Fahrzeuge, Gerätschaften etc.

Bei Wettbewerbsverstößen der GmbH reicht – anders als dies früher einmal angenommen wurde – die bloße Kenntnis und die Möglichkeit der Unterbindung des Wettbewerbsverstoßes allein nicht aus. Vielmehr muss der Wettbewerbsverstoß auf einem dem Geschäftsführer zurechenbaren Verhalten beruhen, z.B. im Falle einer Maßnahme, die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird. Weiter kommt eine Unterlassungshaftung in Betracht, wenn der Geschäftsführer eine Gefahrenquelle für Wettbewerbsverstöße beispielsweise durch einen dauerhaften Auslandsaufenthalt, geschaffen hat und er sich auf diese Weise der Möglichkeit entzieht, etwaige Wettbewerbsverstöße zur Kenntnis zu nehmen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.

3. Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung

Besondere Erwähnung verdient die deliktsrechtliche Außenhaftung des Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung.

§ 15a Abs. 1 S. 1 InsO verpflichtet die Geschäftsführer einer GmbH dazu, spätestens innerhalb von drei Wochen (Zahlungsunfähigkeit) bzw. sechs Wochen (bei Überschuldung) nach Eintritt eines Insolvenzgrundes Insolvenzantrag zu stellen. Diese Pflicht besteht im Interesse des gesamten Rechtsverkehrs, der vor insolventen Gesellschaften geschützt werden soll. Dem entsprechend ist § 15a Abs. 1 S. 1 InsO Schutzgesetz zugunsten aller Gläubiger der GmbH.

Durch Verletzung der Antragspflicht kann sich daher der Geschäftsführer nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO persönlich schadensersatzpflichtig machen.

Voraussetzung der Haftung ist dabei lediglich, dass der Geschäftsführer pflichtwidrig und
schuldhaft nicht rechtzeitig Insolvenzantrag stellt. Hierzu ist auf obige Ausführungen unter C. II. zu verweisen.

Neugläubiger, deren Verbindlichkeiten nach Vorliegen eines Insolvenzgrundes begründet wurden, haben einen Anspruch auf Ersatz ihres vollen Schadens, nicht nur auf den sog. Quotenschaden. Diesen können sie selbst geltend machen, nicht aber der Insolvenzverwalter. Der Geschäftsführer haftet dabei auf das sog. negative Interesse. Er hat den geschädigten Gläubiger daher so zu stellen, als hätte es das schädigende Ereignis nicht gegeben.

Die Altgläubiger können hingegen nur die sog. Quotenverschlechterung ersetzt verlangen. Denn für Altgläubiger, also Gläubiger, die bereits vor dem Eintritt des Insolvenzgrundes Gläubiger der GmbH waren, besteht der Schaden darin, dass ihre Forderungen noch wertloser wurden, als sie ohnehin schon waren. Bei rechtzeitiger Antragstellung wäre die Insolvenzquote entsprechend höher gewesen. Ihr Schaden besteht daher wie gesagt in der Quotenverschlechterung.

II. Deliktsrechtliche Außenhaftung wegen Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Pflichten

Eine GmbH unterliegt einer Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Pflichten.

Dies sind Pflichten z.B. aus den Bereichen Arbeitssicherheit, Sozialversicherung, Steuerrecht, Umweltschutzrecht und natürlich produktbezogene Pflichten wie das Lebensmittelrecht oder das Arzneimittelrecht. Wie sonst ist Adressat dieser Pflichten in erster Linie die GmbH selbst. Hierbei wird jedoch häufig auch der Geschäftsführer als Organ als „Störer“ im Sinne des Gefahrenabwehrrechts angesehen, sodass auch der Geschäftsführer polizei- und ordnungsrechtlich in Anspruch genommen werden kann. Da dem Störer die Beseitigung der Störung auferlegt werden kann, kann dies zu einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers für die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der Allgemeinheit oder sonstiger Dritter durch die GmbH führen.

Zudem ergibt sich die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer allgemein aus § 9 Abs. 1 OWiG und § 14 Abs. 1 StGB. Danach haften Organe von Gesellschaften strafrechtlich und nach Ordnungswidrigkeitenrecht für die Erfüllung der Pflichten der Gesellschaft, indem die Eigenschaften der Gesellschaft ihnen persönlich zugerechnet werden. Dies führt über § 823 Abs. 2 BGB auch zu einer zivilrechtlichen Haftung der Geschäftsführer, soweit es sich um drittschützende Pflichten handelt.

Die sich aus dem Steuerrecht und dem Sozialversicherungsrecht ergebenen Pflichten verdienen besondere Aufmerksamkeit:

1. Steuerrechtliche Haftung

Nach § 34 Abs. 1 AO hat der Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zu
erfüllen.

Er hat die Bücher zu führen, die Steuererklärungen abzugeben und die Steuern aus dem Vermögen der GmbH zu zahlen. Eine Haftung für Verletzung dieser Pflichten ordnet hierzu § 69 AO an. Danach haftet der Geschäftsführer, wenn er seine steuerlichen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt.

Die steuerlichen Pflichten werden dabei von der Rechtsprechung so weit gefasst, dass der
Geschäftsführer de facto dafür einzustehen hat, dass die Steuern bei Fälligkeit gezahlt werden.

Geschieht dies nicht, haftet der Geschäftsführer.

Voraussetzung ist allerdings, das überhaupt Mittel vorhanden sind, aus denen die Steuern gezahlt werden können. In diesem Fall führen auch frühere Pflichtverletzungen – z.B. fehlende Abgabe einer Steuererklärung – nicht mehr zur Haftung, da sie für den Steuerausfall nicht kausal waren. Zu den verfügbaren Mitteln gehören dabei auch Kreditmittel, die der Gesellschaft zur Verfügung stehen oder die beschafft werden können. Grundsätzlich ist für die Verfügbarkeit der Fälligkeitszeitpunkt der Steuern maßgeblich.

2. Haftung für die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen

Bei den Beiträgen für die Sozialversicherung der Arbeitnehmer ist zu unterscheiden zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmeranteil. Ersterer ist eine eigene Schuld der GmbH und von dieser aus eigenen Mitteln zu entrichten. Er stellt eine normale Verbindlichkeit der GmbH dar; für ihre Begleichung gelten keine Sonderregeln. Daher gibt es insoweit keine persönliche Haftung des Geschäftsführers.

Anders ist dies jedoch bei den Arbeitnehmerbeiträgen. Das Vorenthalten von
Arbeitnehmerbeiträgen ist nach § 266a StGB strafbar. Diese Pflicht trifft den Arbeitgeber, also die GmbH. Über § 14 Abs. 1 StGB haftet jedoch auch der Geschäftsführer strafrechtlich für die Erfüllung dieser Pflicht.

Da es sich bei § 266a StGB um ein Schutzgesetz handelt, haftet der Geschäftsführer nach § 823 Abs. 2 BGB auch zivilrechtlich, wenn er die Arbeitnehmeranteile nicht abführt. Insbesondere in der finanziellen Krise darf sich der Geschäftsführer dabei nicht mehr darauf verlassen, dass die Angestellten, denen er diese Aufgabe übertragen hat, diese wie bisher erledigen. In dieser Situation greift vielmehr seine Überwachungspflicht ein; er hat im Ergebnis persönlich dafür zu sorgen, dass die Beiträge abgeführt werden. Sofern es mehrere Geschäftsführer gibt, trifft in der Krise der Gesellschaft auch diejenigen Geschäftsführer eine gesteigerte Überwachungspflicht, die nach der internen Aufgabenverteilung hierfür nicht zuständig sind.

Im Ergebnis ist daher die Haftung des Geschäftsführers für den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherung ähnlich streng wie die steuerliche Haftung. Dies ist Ergebnis der Strafbarkeit der Nichtabführung der Beiträge nach § 266a StGB und der Erstreckung der Arbeitgebereigenschaft auf den Geschäftsführer durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB

III. Schließlich: Bußgeldhaftung aus Aufsichtspflichtverletzungen

Bedeutsam und nicht zu vernachlässigen ist auch die mögliche Haftung gemäß § 130 OWIG wegen Aufsichtspflichtverletzungen. § 130 Abs. 1 OWiG lautet:

„Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterläßt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.“

Den eigentlichen Verstoß begeht demnach ein Mitarbeiter, der aber selbst mangels eigener Inhaberstellung nicht haften kann. Deshalb haftet die Aufsichtsperson bußgeldrechtlich selbst für bzw. an Stelle der eigentlich verpflichteten, aber ausführungsunfähigen GmbH für fehlerhafte Beaufsichtigung und Organisation der Firma.

Bei Verwirklichung einer solchen „Stellvertretertat“ trifft die GmbH daneben eine eigene Bußgeldhaftung gem. § 30 OWiG.

Grundvoraussetzung der Haftung ist der objektive Verstoß eines Mitarbeiters gegen Betriebspflichten der Inhaber-GmbH. Dieser Verstoß ist Anlass für eine (unterlassene) gebotene Aufsicht bzw. Überwachung seitens der Betriebsführung, die sich nach dessen Art, Branche, Größe, Organisation und Risikobereichen der Firma richtet: In etwa das gesamte Spektrum der Verkehrspflichten der Fahrlässigkeitsdelikte sowie die Garantenpflichten der Unterlassungsdelikte – vereinfacht gesagt „quasi alles“. In der Praxis dominieren die Unterlassungen völlig.

Zur ordentlichen Geschäftsorganisation gehören als Mindeststandard eine sachgerechte Aufgabenteilung und Organisation, sorgfältige Auswahl und Beaufsichtigung der Mitarbeiter, Instruktion und Aufklärung der Mitarbeiter, Überwachung und Kontrolle der innerbetrieblichen Ausführung, Berichtspflichten der Überwachungs- und Leitungsinstanzen, Einschreiten und gegebenenfalls Sanktionieren bei Verstößen sowie anlassbezogene besondere Aufsicht bei Unregelmäßigkeiten.

Lesen Sie zu den Anforderungen an eine Pflichtendelegation bitte auch meinen gesonderten Beitrag

In subjektiver Hinsicht muss der Verstoß bei gehöriger Aufsicht und Kontrolle der Überwachungsinstanz bewusst oder zumindest für diese sowohl vorhersehbar als auch durch innerbetriebliche Vorkehrungen vermeidbar gewesen sein.

E. Fazit

Anliegen des vorstehenden Beitrags ist es, Geschäftsführern und solchen, die es werden wollen, aufzuzeigen, dass die Pflichtenpallette des Geschäftsführers als Handlungsorgan der GmbH sehr umfangreich ist und dabei die persönliche Haftung auch nach außen keineswegs selten ist.

Der Geschäftsführer ist als das gesetzliche Handlungsorgan der für sich gesehen handlungsunfähigen GmbH für alles verantwortlich. Beschränkungen seiner Haftung sind in begrenztem Umfang – z.B. durch Zuständigkeitsabgrenzungen im Falle mehrerer Geschäftsführer – möglich, soweit sie auf wirksame Weise umgesetzt worden sind.

Probleme bereitet es für viele Geschäftsführer, im Einzelfall festzustellen, in welchem Handeln eine ordnungsgemäße Pflichterfüllung liegt. Wie aufgezeigt, ist der Geschäftsführer einerseits dem Wohl seiner GmbH, andererseits Recht und Gesetz verpflichtet. Wie oben aufgezeigt, kann im Einzelfall das ordnungsgemäße Verhalten auch darin liegen, einen Vertrag mit einem Geschäftspartner zu brechen.

Angesichts der zahlreichen Sachverhalte, aus denen eine persönliche Haftung für den Geschäftsführer resultieren kann, ist eine rechtliche Beratung insbesondere in unklaren Konstellationen dringend anzuraten.

 

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  • der Gewerbemietvertrag, der mangels Umsatzerzielung vom Mieter nicht mehr erfüllt werden kann,
  • die Urlaubsreise, die vom Veranstalter oder Leistungserbringer abgesagt werden muss,
  • der gerichtliche geschlossene Vergleich, der wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise seine Grundlage verloren hat und nicht mehr (zumutbar) erfüllt werden kann,
  • etc.

Die Kette der Beispiele ließe sich fast endlos fortführen. Jeweils stellt sich die Frage, wie die jeweilige Situation vertragsrechtlich gelöst werden kann. In aller Munde ist in diesen Tagen das Schlagwort „Höhere Gewalt“, das allerdings für sich wenig weiterhilft. So erscheint bereits fraglich, ob sich das Aufkommen des Corona-Virus überhaupt als ein Ereignis „Höherer Gewalt“ einordnen lässt.

Nachfolgender Beitrag will und kann keine Lösung für den Einzelfall bieten. Es werden vielmehr rechtliche Denkansätze aufgezeigt, deren Vertiefung im Einzelfall die Lösung bereiten kann. Die Abhandlung beschränkt sich dabei auf den Fall, dass der jeweilige Vertrag keine bzw. nur unzureichende Regelungen bereithält.

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Folgen des Corona-Virus für laufende Verträge – Fallgruppen

Als Folge des Corona-Virus kommen verschiedene Szenarien in Betracht. Die drei Hauptfälle sind die Folgenden:

  • Der Vertrag kann von einer Partei endgültig nicht erfüllt werden (Beispiele: Flugausfall, Konzert-Absage, Absage von Messen, etc.).
  • Vorübergehend ist die Vertragserfüllung behindert (Prominentes Beispiel hierzu: Mieter kann mangels Umsatz Gewerbemiete vorübergehend nicht mehr bezahlen.).
  • Ein Vertrag ist zwar noch erfüllbar, seine Durchführung erscheint aber für zumindest eine Partei infolge der Corona-Auswirkungen nicht mehr zumutbar.

Corona und Vertragsrecht: Relevante rechtliche Grundprinzipien

Bei der Bewertung eines jeden Einzelfalles ist zunächst die Berücksichtigung folgender rechtlicher Grundprijzipien hilfreich.

 „pacta sunt servanda“ – Grundsatz der Vertragstreue

Oberstes, zugleich das allgemeinste Grundprinzip ist die Vertragstreue. Verträge sind grundsätzlich einzuhalten („pacta sunt servanda“).

Nach Vertragsschluss aufkommende, nicht bedachte bzw. einkalkulierte Erschwernisse der Leistungserbringung ändern an der übernommenen Leistungspflicht grundsätzlich nichts. Ausnahmen hiervon bedürfen daher einer besonderen Rechtfertigung.

„do ut des“-Prinzip bei gegenseitigen Verträgen  – § 326 BGB

Bei gegenseitigen Verträgen führt die Unmöglichkeit der Leistungserbringung eine Partei grundsätzlich dazu, dass diese von ihrer Leistungspflicht frei wird. Gleichzeitig verliert sie damit aber auch ihren Anspruch auf die Gegenleistung.  Dies kommt in  § 326 Abs. 1 S. 1 BGB zum Ausdruck:

„Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung (…)“

Ergänzende Vertragsauslegung und Störung der Geschäftsgrundlage

Enthält der betroffene Vertrag betreffend des fraglichen Umstandes eine Lücke, die durch (ergänzende) Vertragsauslegung nach den Grundsätzen der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens (§§ 133, 157, 242 BGB) geschlossen werden kann, so hat dieser Lösungsansatz stets Vorrang vor etwaigen „Not-Instrumenten“ wie insbesondere die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB.

In der Rechtsprechung wird zu Recht immer wieder hervorgehoben, eine klare Abgrenzung zwischen ergänzender Vertragsauslegung und dem Institut der Störung der Geschäftsgrundlage kaum möglich sei.

Jedenfalls ist die getroffene rechtsgeschäftliche Regelung stets vorrangig zu berücksichtigen. In der Rechtsliteratur (vgl. Flume, BGB AT II, Das Rechtsgeschäft, 4. Auflage, 1992, Seite 326 f.) wird dabei zutreffend darauf hingewiesen, dass die Auslegung eines Vertrages nicht den Sinn haben kann, aus einem

  • „ungerechten“ Vertrag einen „gerechten“ zu machen,
    oder
  • „… die Vergesslichkeit oder Unbedachtsamkeit eines Vertragspartners bei der Stipulierung eines Rechtsgeschäfts dadurch zu korrigieren, dass sie (sc. die ergänzende Auslegung) zu Gunsten dieses Vertragspartners nachträglich die Regelungen in den Vertrag einführt, die er zwar, wenn er gut beraten gewesen wäre, zum Gegenstand des Vertrages gemacht hätte, aber eben nicht zum Gegenstand des Vertrages gemacht hat.

Schon aus dieser zutreffenden Einsicht ergibt sich, dass ein zu ermittelnder hypothetischer Parteiwille Vorrang vor einer „allgemeinen Interessenabwägung“ auf der Grundlage eines Vorverständnisses des Richters haben muss, die eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Geschäftsgrundlage bestimmt.

Corona und Vertragsrecht – Mögliche Lösungen der oben genannten Fallgruppen

Unter Berücksichtigung der vorstehend zusammenfassend beschriebenen Grundsätze und rechtlichen Instrumente ergeben sich nachfolgende Lösungsansätze.

Corona und Vertragsrecht – Fall 1: Ein Vertrag kann von einer Partei endgültig nicht erfüllt werden

Mangels anderslautender vertraglicher Regelung dürfte die Lösung in der Fallkonstellation 1 meist eindeutig sein:

Der Vertragspartner, der wegen höherer Gewalt endgültig nicht leisten kann, ist von seiner Leistungspflicht befreit, § 275 Abs. 1 BGB. Infolgedessen verliert er den Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung (= in der Regel: Vergütung), § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Mangels eines Verschuldens kommen Schadensersatzansprüche des Gläubigers regelmäßig nicht in Betracht.

Corona und Vertragsrecht – Fall 2: Ein Vertrag kann vorübergehend nicht erfüllt werden

Soweit kein sog. Fixgeschäft vorliegt, und die von der Höheren Gewalt betroffene Leistung voraussichtlich später nachgeholt werden kann, ist die Situation komplexer:

Insbesondere in dieser oft anzutreffenden Konstellation zeigt sich der Vorteil der Vereinbarung von Höhere Gewalt-Klauseln, in denen regelmäßig  vereinbart ist, wie mit Situationen umgegangen werden soll.

Primärer Lösungsansatz: Ergänzende Vertragsausslegung

Fehlt es hieran, kommt wie oben beschrieben zunächst die ergänzende Vertragsauslegung zum Tragen. Oftmals finden sich in Verträgen allgemein gehaltene Vereinbarungen, denen besondere Treue- und/oder Kooperationspflichten entnommen werden können. Über diesen Umweg lassen sich oftmals Ergebnisse erzielen, wie sie in Höhere Gewalt Klauseln ausdrücklich vorgesehen sind.

Namentlich zu nennen ist Pflicht zu gemeinsamen Anstrengungen zur beidseitigen Schadensbegrenzung. Gegenseitige Schadensersatzansprüche dürften mangels Verschulden auch ohne entsprechende vertragliche Regelung regelmäßig ausgeschlossen sein.

Notfalls: Rückgriff auf die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage

Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, wann die Leistungspflicht des betroffenen Schuldners endgültig entfällt mit der Folge, dass auch die andere Partei endgültig nicht zu leisten braucht.Hier kann das Instrument der Störung der Geschäftsgrundlage weiterhelfen. In § 313 Abs. 1 BGB heißt es:

  • „Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und
  • hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten,
  • so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“

Ergänzend bietet auch das Leistungsverweigerungsrecht des § 275 Abs. 2 BGB Hilfe bei der Lösungsfindung:

„Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.“

Im Zusammenspiel obiger gesetzlicher Regelungen dürfte sich für den betroffenen Schuldner dann, wenn ein Fortfall des Leistungshindernisses nicht absehbar ist , ein Anspruch auf einvernehmliche Vertragsaufhebung ergeben.Dies beruht darauf, dass für den Schuldner ein Festhalten an den ursprünglich vereinbarten Leistungspflichten nicht zumutbar erscheint.

Schadensersatzpflicht bei Leistungsfreiheit?

Nicht beantwortet ist damit freilich die Frage, ob der Gläubiger für die „Entlassung“ des Schuldners aus seiner Leistungspflicht ein Schadensersatzanspruch zuzusprechen ist. Dagegen spricht, dass den Schuldner kein Verschulden anzulasten ist. Dafür spricht, dass die Leistung grundsätzlich noch erbracht werden kann und das Fehlen einer vertraglichen Regelung tendenziell dafür spricht, dass der Schuldner das fragliche Risiko (Pandemie) trägt. Hierbei ist nicht zu vergessen, dass das in Rede stehende Risiko nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegt. Nicht ohne Grund sind Höhere Gewalt-Klauseln auch eher Regel als Ausnahme im Vertragsrecht.

Nach allem dürften die jeweiligen Umstände des Einzelfalles der Ausschlag geben.

Corona und Vertragsrecht – Fall 3: Ein Vertrag ist zwar noch erfüllbar, seine Durchführung erscheint für eine Partei aber nicht mehr zumutbar.

Die Fallkonstellation, wonach sich

  • ein Vertrag trotz Corona-Behinderungen zwar als später noch erfüllbar darstellt,
  • seine (spätere) Durchführung für zumindest eine Partei aber nicht mehr zumutbar erscheint,

zeigt im Besonderen, wie wichtig auch Eventualitäten wie „Corona“ berücksichtigende Vertragsklauseln sein können. Fehlt es hieran, hilft wiederum § 275 Abs. 2 BGB weiter, der auf das Gebot von Treu und Glauben und auch darauf abstellt, ob im Falle der Leistungserbringung eines „grobes Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers“ bestünde.

Im konkreten Fall wäre also zu untersuchen, ob der betroffene Schuldner, für den die Leistungserbringung infolge der Corona-Auswirkungen zwar möglich, aber deutlich erschwert wäre, sich mit Erfolg auf das vorbeschriebene Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 2 BGB berufen kann.

 

Discussing contract.
high angle view of lawyer and client discussing contract

Fazit zu Corona im Vertragsrecht: Störungen von Verträgen infolge des Corona-Virus bedürfen meist einer Einzelfall-Bewertung

Die möglichen Sachverhaltskonstellationen sind schier endlos. Musterlösungen hält das Gesetz nicht parat, wobei auch bei Vorhanden von Force Majeure Klauseln eine konkrete Lösung kaum „auf der Hand liegen“ dürfte. Meist dürfe die Lösungsfindung nur unter genauer Untersuchung aller Umstände des Einzelfalles möglich sein. Dies hat mittlerweile auch der BGH in ersten Corona-Urteilen bestätigt, vgl. dazu diesen Beitrag.

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

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Zur Verjährung von Frachtansprüchen – Ausnahme ist beim Frachtvergütungsanspruch die Regel!

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1, 2 oder 3? Zur Verjährung von Frachtansprüchen - Ausnahme ist beim Frachtvergütungsanspruch die Regel!

 

Das Frachtgeschäft ist Massengeschäft. Daher ist die Branche darauf angewiesen, einzelne Frachtaufträge zeitnah „ad acta“ legen zu können. Das internationale Frachtrecht, das die Frachtbranche schützen will, sieht aus diesem Grund für transportrechtliche Ansprüche eine gegenüber der Regelverjährung stark verkürze Verjährungsfrist vor. Nicht einfach ist die Frage zu beantworten, welche Frist für die Verjährung von Frachtansprüchen im konkreten Fall nun eigentlich gilt. 1, 2 oder 3?

Verjährung bei der Luftfracht

Beim Lufttransport ist die Frage noch relativ einfach zu beantworten. Hier gilt im Allgemeinen eine sog. Ausschlussfrist von 2 Jahren (vgl. Art. 35 MÜ). Zu beachten ist aber, dass diese Frist nur für Schadensersatzansprüche gegen den Frachtführer gilt. Zudem gilt diese Frist auch im Falle eines sog. qualifizierten Verschuldens, bei dem das Landfrachtrecht (dazu sogleich) eine Sonderregelung vorsieht. Für alle sonstigen Ansprüche gelten im Bereich der Luftfracht die einschlägigen allgemeinen Verjährungsregeln.

Verjährung bei Landtransporten

Im Landfrachtrecht wird es komplizierter:

Hier gilt für alle Ansprüche „aus einer Beförderung“ grundsätzlich eine kurze Frist von nur einem Jahr. Diese beginnt mit Ablieferung des Frachtguts bzw. ab dem Tag, an dem hätte abgeliefert werden müssen. Diese Rechtslage gilt – bezogen auf den Landtransport – im Wesentlichen gleichermaßen im nationalen (439 HGB) wie im internationalen Bereich (Art. 32 CMR).

3-jährige Verjährung von Frachtansprüchen bei qualifiziertem Verschulden – Beim Frachtvergütungsanspruch die Regel

Abweichend gilt – wiederum national wie international – eine 3-jährige Frist, wenn dem Anspruchsgegner ein sog. qualifiziertes Verschulden trifft.

Bezogen auf den Hauptanspruch (Primäranspruch) des Frachtführers lohnt sich dabei ein näherer Blick auf die Rechtslage:

Beim Frachtanspruch (Vergütungsanspruch des Frachtführers) ist bereits umstritten, ob die transportrechtlichen Verjährungsregeln überhaupt einschlägig sind. Legt man die transportrechtlichen Verjährungsvorschriften zugrunde, so haben  § 439 Abs. 1 S.2 HGB bzw. Art. 32 Abs. 1 S. 2 CMR beim Frachtvergütungsanspruch besondere Relevanz. Nach diesen Regelungen verjähren transportrechtliche Ansprüche erst in drei Jahren, wenn dem Anspruchsgegner ein sog. qualifiziertes Verschulden zur Last fällt. Im Falle der Verweigerung der Frachtzahlung dürfte dies oftmals der Fall ein.

Im Einzelnen:

BGH-Urteil vom 23.04.2010 (Az. I ZR 31/08) – § 439 HGB umfasst auch den Erfüllungsanspruch (Frachtanspruch)

Da die Verjährungsregeln vor allem darauf gerichtet sind, den Zeitraum zu begrenzen, in dem der Versender Ansprüche wegen Verlust, Beschädigung oder Verzögerung geltend machen kann, ist durchaus die Frage berechtigt, ob die kurze transportrechtliche Verjährungsfrist auch den Anspruch auf Vergütung der Transportleistung betrifft. Nahe liegt  ein Verständnis, wonach wie bei der Luftfracht (Art. 35 MÜ) nur Schadensersatzansprüche umfasst sind. Diese früher einmal „heiß“ diskutierte Frage dürfte mittlerweile durch den BGH als geklärt gelten. In seinem Urteil vom 23.04.2010  hat der BGH ausgeführt (Az. I ZR 31/08):

„(…) Gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB beträgt die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einer den §§ 407 bis 452 HGB unterliegenden Beförderung grundsätzlich ein Jahr. (…)

Der Kläger verlangt der Sache nach eine Frachtvergütung für die im Februar 2004 nicht erteilten Einzelaufträge, (…) Ob die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf primäre Erfüllungs- und vertragliche Aufwendungsersatzansprüche aus Frachtverträgen anwendbar ist, ist umstritten. (…)

Der Senat schließt sich der Ansicht an, die eine Anwendung des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB auf Primärleistungsansprüche bejaht.

Ausnahme ist beim Frachtanspruch die Regel – Frachtansprüche verjähren in der Praxis oft in der Frist des § 439 Abs. S. 2 HGB bzw. Art. 32 Abs.  S. 2 CMR

Wesentlicher Grund dafür, warum die Anwendung des § 439 Abs. 1 HGB auf Frachtansprüche umstritten war, ist die Ausnahme des § 439 Abs. 1 S. 2 HGB.  Danach gilt im Falle eines qualifizierten Verschuldens auch im Transportrecht eine 3-jährige Verjährungsfrist. Dies hat nämlich in der Praxis häufig zur Folge, dass Frachtansprüche im Ergebnis erst nach 3 Jahren verjähren, weil die Verweigerung der Frachtzahlung in vielen Fällen ein eben solches qualifiziertes Verschulden begründen dürfte.  Mag der BGH dies mit der Begründung anders sehen, dass das Zivilrecht Rechtsirrtümer als Entlastungsgrund vorsieht, tatsächlich dürfte Folge der jetzt herrschenden BGH-Rechtsprechung sein, dass in vielen Fällen der Frachtanspruch erst nach 3 Jahren verjährt.

Verweigerung der Frachtzahlung regelmäßig vorsätzliche Nichterfüllung – OLG Frankfurt, Urteil vom 15. April 2005, Az. 24 U 11/05

Das OLG Frankfurt, das aus gleichen Gründen die Anwendung des § 439 Abs. 1 S. 2 HGB auf Erfüllungsansprüche abgelehnte, hat ausgeführt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 15. April 2005, Az. 24 U 11/05):

„(…) Praktisch betrachtet nämlich ist jede Nichterfüllung eines vertraglichen Vergütungsanspruches und meist auch jede Nichterfüllung eines vertraglichen Aufwendungsersatzanspruches seitens der Spediteurin, der Unterspediteurin wie des Frachtführers eine vorsätzliche Nichterfüllung. Kraft fachlicher Kenntnis wie konkret getroffener Vereinbarung wie erhaltener Rechnung wissen die Beteiligten des Fracht- bzw. Speditionsvertrages immer sehr genau, dass und was sie für die vertragliche Leistung der anderen Seite zu zahlen haben, welche Leistungen zur Erfüllung der vertraglich übernommenen Transport- bzw. Besorgungsaufgaben erforderlich werden und geworden sind. Eine „Nichtzahlung in unverschuldeter Unkenntnis“ ist praktisch gesehen kaum denkbar.“

Dem ist zuzustimmen. Die Nichtzahlung einer Frachtrechnung dürfte im Regelfall ein qualifiziertes Verschulden des Auftraggebers bedeuten.

Beispiel: Aufrechnungsverbot

Nahezu eindeutig ist dies insbesondere dann, wenn nach dem zugrunde liegenden Vertrag ein Aufrechnungsverbot mit bestrittenen Forderungen gilt. Nach den in vielen Fällen vereinbarten ADSP ist dies die Regel (vgl. Art. 19 ADSP). Denn in diesem Fall verstößt der Auftraggeber eindeutig und vorsätzlich gegen den Frachtvertrag mit der Folge, dass ihn ein qualifiziertes Verschulden trifft.

truck on a highway through the grasslands area of eastern Washington, USA.

Fazit zur Verjährung von Frachtansprüchen und Praxis-Tipp

Wenn nach allem der Auftraggeber die Fracht nicht zahlt, obwohl es sich ihm aufdrängen muss, dass die Zahlungsverweigerung unrechtmäßig ist, liegt die Annahme eines qualifizierten Verschuldens nahe.

Bei nach Ablauf eines Jahres noch offenen Frachtansprüchen sollten Sie daher stets prüfen, ob der Grund, den der Auftraggeber ihrem Anspruch entgegenhält, wirklich stichhaltig ist. Wenn nicht, lohnt sich eine nähere Prüfung, ob ihr Anspruch aus vorbeschriebenen Gründen noch unverjährt sein könnte.

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

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Vertragsrecht: Zum Durchstellen von Verträgen im Baurecht

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Vertragsrecht: Zum Durchstellen von Verträgen im Baurecht - speziell im Anlagenbau

Im Baurecht, vor allem im Bereich Anlagenbau, übernimmt der regelmäßig beauftragte Generalunternehmer sehr beträchtliche Risiken. Ein charmanter Weg, um diese Risiken zu begrenzen, kann für ihn das Durchstellen von Verträgen oder einzelner relevanter Vertragsbedingungen an seine Subunternehmer sein.

Hierbei vereinbart der Generalunternehmer mit jedem seiner Subunternehmer, dass sämtliche Pflichten aus dem Generalunternehmervertrag (Hauptvertrag), soweit sie das Gewerk des Subunternehmers betreffen, an diesen „weitergeleitet“ werden. Der Generalunternehmer reicht so die betreffenden Pflichten 1:1 an seine Subunternehmer durch.

Nachfolgender Beitrag befasst sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen einer solchen Vertragskonstruktion mittels Durchstellen von Verträgen, insbesondere mit der Frage, inwieweit gegen eine solche Konstruktion Wirksamkeitsbedenken bestehen könnten.

 Grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Vertragsgestaltung

Verträge mit Nachunternehmern (Sunbunternehmerverträge) sind grundsätzlich selbstständige Bauleistungsverträge, aus denen sich die Rechte und Pflichten unabhängig vom Hauptvertrag ergeben (Junghenn, Beck VOB-Kommentar, Teil B, 3. Auflage 2013, Rn. 24).

Die Übertragung der Pflichten des Generalunternehmers gegenüber dem Bauherrn aus dem Hauptvertrag auf Nachunternehmer ist dabei eine grundsätzlich rechtlich mögliche und in der Praxis ausgeübte Vertragskonstellation:

Diese Möglichkeit ergibt sich beispielsweise schon aus der VOB/B, geregelt in § 4 Abs. 8: Danach hat zwar der Auftragnehmer die Leistung in Eigenbetrieb zu erbringen, er kann aber auch ohne Zustimmung des Auftraggebers Nachunternehmer beauftragen, wenn die konkrete Leistung nicht in sein Fachgebiet fällt.

Letzteres ist gerade im Anlagenbau wohl die Regel. Selten dürfte ein Generalunternehmer beim Bau komplexer Anlagen über sämtliche der erforderlichen Fachkompetenzen selbst verfügen.

Es ist hierbei auch eine anerkannte Möglichkeit des Generalunternehmers, seine Werkleistungen in Gänze  auf Nachunternehmer zu vergeben (Junghenn, Beck VOB-Kommentar, Teil B, 3. Auflage 2013, Rn. 8). Der Generalunternehmer nimmt dann eine Art Zwischenhändlerfunktion ein (Klaus Ramming: Überlegungen zur Ausgestaltung von Nachunternehmerverträgen durch AGB, BB 1994, Heft 8, 518).

Unabhängig davon können zwischen Auftragnehmer und Nachunternehmern im und zum Nachunternehmervertrag inhaltlich gleiche und gleichlaufende Regelungen getroffen werden, wie sie sich im davon rechtlich eigenständigen Hauptvertrag zwischen Auftragnehmer und seinem Auftraggeber finden; dabei hat der Auftragnehmer (oft als Generalunternehmer), der „zwischen den zwei Stühlen“ Auftraggeber und Nachunternehmer sitzt, zwangsläufig ein begründetes Interesse an der Parallelschaltung (Synchronität) wichtiger Regelungen des Generalunternehmervertrags einerseits und des Nachunternehmervertrags andererseits (Junghenn, Beck VOB-Kommentar, Teil B, 3. Auflage 2013, Rn. 24).

Schließlich ist auch das Durchstellen von Regelungen des Hauptvertrages durch schlichte Verweisung grundsätzlich rechtlich möglich (Richter in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 2. Auflage 2012, Rn. 238). Dies gilt in jedem Fall für die Synchronisierung der Leistungspflichten (Kimmich/Bach VOB für Bauleiter, 6. Auflage 2014, Rn. 408).

Unwirksamkeit im Einzelfall nach AGB -Prüfung

Die einzig verbleibende Problematik in diesem Zusammenhang könnte damit sein, dass das Verweisen auf die Regelungen des Hauptvertrages im jeweiligen Einzelfall zur Anwendung des AGB- Rechts führen könnte und daraus für einzelne Klauseln eine mögliche Unwirksamkeit in Betracht kommt.

Sofern über die Einbeziehung der Regelungen des Hauptvertrages in den Subunternehmervertrag nicht verhandelt worden ist, dürfte das AGB-Recht regelmäßig zur Anwendung kommen.

Eine AGB-rechtliche Unwirksamkeit kommt dabei beispielsweise beim Durchstellen von Klauseln zu Verjährungsfristen, außerordentlichen Kündigungsrechten sowie der Fälligkeit in Betracht (vgl. Zusammenstellung von Richter in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 2. Auflage 2012, Rn. 240- 246).

Wichtig: Durchstellen der Leistungspflichten AGB-rechtlich unbedenklich!

Hinsichtlich der wohl wichtigsten und zugleich haftungsträchtigsten Klausel, nämlich der Weiterreichung der Leistungspflichten, bestehen allerdings regelmäßig keinerlei Wirksamkeitsbedenken.

Der  Verweis auf den Hauptvertrag betreffend die Leistungspflichten dürfte bereits keine AGB-Regelung darstellen. Zudem dürfte ein solcher Verwies auch AGB-rechtlich unbedenklich sein.

Die im Hauptvertrag geregelten Leistungspflichten stellen regelmäßig selbst keine AGB dar, weil diese wohl immer individuell zwischen Auftraggeber und Generalunternehmer vereinbart werden. Diese Individualvereinbarung wird auch nicht dadurch zu AGB, dass sie mit mehreren Subunternehmern per Verweis vereinbart werden.

Ohnehin findet gegebenenfalls eine AGB-Prüfung bezüglich des Leistungsumfangs ohnehin nur begrenzt statt. Sie beschränkt sich auf eine reine Transparenzkontrolle, eine Inhaltskontrolle findet nicht statt.

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Fazit

Das Durchstellen von Verträgen des Generalunternehmers auf Nachunternehmer ist bei Individualabreden unproblematisch zulässig.

Bei Vorliegen von AGB können sich für das Durchstellen einzelner Klauseln Probleme ergeben. Dies gilt aber regelmäßig  nicht bezüglich des Durchstellens der Leistungsbeschreibung.

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

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Die Ordnungsrechtliche Aufsichtspflicht

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Delegation von Geschäftsleiterpflichten

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Ratgeber Compliance: Delegation von Geschäftsleiterpflichten am Beispiel des AG-Vorstands

Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die Delegation von Geschäftsleiterpflichten in AG und GmbH geben. Die Ausführungen orientieren sich am AG-Vorstand, sind aber im Wesentlichen auf GmbH-Geschäftsführung übertragbar.

Compliance in the workplace. Folders labeled Compliance, Violations in focus.

Grundsatz: alle Aufgaben des Vorstandes sind delegierbar

Grundsätzlich gilt, dass der Vorstand seine Pflichten als Handlungsorgan der AG unbeschränkt delegieren kann. Es gibt allerdings wichtige Ausnahmen von diesem Grundsatz. Nicht delegierbar sind:

  • Die sog. Gesamtverantwortung der Mitglieder des Vorstands ist „unteilbar, unbeschränkbar und unveräußerlich,
  • Gesetzlich verankerte, persönliche Pflichten, z.B.: Meldepflichten, die Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses, die Erfüllung gewisser steuerlicher Pflichten etc.,
  • Pflichten bei Hauptversammlungsbeschlüssen, zur Berichterstattung an den Aufsichtsrat, zur Einberufung der Gesellschafterversammlung, zur Vorlage zustimmungspflichtiger Geschäfte an den Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) sowie bestimmte Pflichten im Zusammenhang mit Jahresabschluss, Lagebericht und Gewinnverwendungsvorschlag,
  • Die Pflichten nach § 91 Abs. 2 AktG, wonach der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen hat, damit Entwicklungen, die den Fortbe­stand der Gesellschaft bedrohen können, möglichst früh erkannt werden (Risikofrüherkennungssystem),
  • Die Pflicht jedes Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG „die Gesellschaft zu leiten“; daraus folgt, dass strategische Grundentscheidungen (Unternehmensplanung) unübertragbar beim Vorstand verbleiben müssen,
  • Die Aufgabe, dem Unternehmen „ein organisatorisches Grundgerüst zu geben, es in funktionsfähige und aufeinander abgestimmte Einheiten zu gliedern und den unternehmensinternen Informationsfluss zu sichern (Unternehmenskoordinierung)“,
  • In nachstehenden Grenzen die Kontrolle der gehörigen Erledigung delegierter Geschäftsführungsaufgaben (Unternehmenskontrolle),
  • Die Entscheidung über die Besetzung der nachgeordneten Führungsstellen im Unternehmen (Führungspostenbesetzung).

In einer Krise der Gesellschaft oder in bestimmten Ausnahmesituationen (etwa bei ei­ner Häufung von Schadenfällen) kann es trotz im Prinzip wirksamer Geschäftsverteilung zu einer Gesamtzuständigkeit aller (auch ansonsten unzuständigen) Vorstandsmitglieder kommen.

Pflicht bei der Delegation

Es versteht sich von selbst, dass die grundsätzlich zulässige Pflichtendelegation nicht automatisch zu einer Enthaftung des Vorstands führt. Vielmehr trifft den Geschäftsleiter nach der Delegation eine umfassende Kontroll- und Überwachungspflicht. Dies betrifft im Einzelnen:

  • Bei allen Formen der Delegation (horizontal, vertikal oder nach außen) ist darauf zu achten, dass Zuständigkeiten klar und eindeutig zugeordnet werden, damit sie zweifelsfrei bei bestimmten Personen lokalisierbar sind.
  • Alle Aufgaben sind möglichst genau zu definieren und überschneidungsfrei zuzuweisen.
  • Die Situation, dass sich „einer auf den anderen verlässt“, ist zu vermeiden, jeder muss seine Pflichten genau kennen.
  • Unklarheiten und Lücken führen dazu, dass die Delegation unwirksam ist und die Pflicht bei der Geschäftsleitung insgesamt verbleibt.
  • Es wird daher empfohlen, alle Delegationen von Organpflichten schriftlich zu fixieren, etwa in Organisationsplänen (Organigramme) und in Stellenbeschreibungen

Auswahl

Folgende Qualifikationsmerkmale sind zu prüfen und sicherzustellen, bevor an eine Person im Unternehmen Aufgaben übertragen werden:

  • Persönliche Eignung (Zuverlässigkeit, Belastbarkeit);
  • Fachliche Befähigung (Ausbildung, Qualifikation, Erfahrung) zur Erfüllung der wahrzunehmenden Aufgabe (je komplexer die Aufgabe ist und je größer der bei Schlechterfüllung drohende Schaden desto strenger der anzulegende Sorgfaltsmaßstab).

Einweisung

Bevor die Person, an die Aufgaben übertragen wurden, ihre Tätigkeit beginnt, ist sicherzustellen:

  • Einweisung in den Aufgabenbereich in der gebotenen Breite und Tiefe,
  • Zurverfügungstellung der zur Bewältigung der Aufgaben nötigen Befugnisse und sachlichen Mittel,
  • Klarstellung der Aufgabe sowie der Berichtslinien,
  • Aufzeigung besonderer Gefahren im Funktionsbereich,
  • Warnung vor typischen Fehlern

Überwachung

Die Pflicht zur Überwachung schließt ein:

Regelmäßige Information

Es bedarf der regelmäßigen Information, um möglichst früh von Tatsachen zu erfahren, die auf mangelnde Pflichterfüllung hindeuten können (Informations- und Kommunikationsaufgabe).

Einrichtung eines Berichtssystems

Es empfiehlt sich die Einrichtung eines Berichtssystems, im Hinblick auf dessen konkrete Ausgestaltung ein breites Ermessen besteht. Es muss aber Gewähr dafür bieten, dass zumindest schwerwiegende Abweichungen, etwa regelmäßig wiederkehrend begangene erhebliche Verfehlungen oder gar Straftaten erkannt werden.

Überwachung der Delegationspersonen

Die  Personen, auf die delegiert wird, sind laufend zu überwachen und zu kontrollieren, um nötigenfalls unmitelbar eingtreifne zu können. Die Überwachung der Personen, auf die der Vorstand delegiert hat, kann ihrerseits – insbesondere an Spezialisten – delegiert werden. Sind diese sorgfältig ausgewählt und eingewiesen, mit den notwendigen personellen und sachlichen Mitteln, Strukturen und Befugnissen ausgestattet, kann sich der Unternehmensleiter „auf die Überwachung der Überwacher“ (Meta-Überwachung) beschränken.

Es gilt der sogenannte Vertrauensgrundsatz: Hat der Unternehmensleiter keinen konkreten Anlass, daran zu zweifeln, dass die von ihm eingesetzten Überwacher ihre Aufgabe korrekt erfüllen, und hat er darüber hinaus dafür Sorge getragen, dass er möglichst zuverlässig und früh von möglichen Missständen in der ansonsten sachgerecht eingerichteten Überwachungsorganisation erfährt, so kann er auf das Funktionieren dieser Organisation vertrauen.

Laufende Kontrolle

Erforderlich ist eine laufende Kontrolle, die sich nicht in sporadischen Maßnahmen erschöpft, sondern sicherstellt, dass Unregelmäßigkeiten auch ohne permanente enge Überwachung nicht vorkommen. Hierzu gehören stichprobenartige Prüfungen, die den Mitarbeitern verdeutlichen, dass Verfehlungen entdeckt und sanktioniert werden können. Der Vorstand muss geeignete und zuverlässige Personen bestellen und diese gelegentlich entweder selbst überprüfen oder durch andere – etwa eine Revisionsabteilung kontrollieren lassen. Dabei sind stichprobenartige, überraschende Prüfungen erforderlich und regelmäßig auch ausreichend, um vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Vorschriften und Anweisungen der Betriebsleitung zu verhindern. Sie halten den Betriebsangehörigen nämlich vor Augen, dass Verstöße entdeckt und gegebenenfalls geahndet werden können.

Steigerung der Überwachung bei Missständen oder Ausnahmesituationen

Alle Überwachungsmaßnahmen sind bei Defiziten, objektiven Missständen, in Krisen- oder Ausnahmesituationen zu verschärfen.  Ist allerdings abzusehen, dass stichprobenartige Kontrollen nicht ausreichen, um die genannte Wirkung zu erzielen, weil z. B. die Überprüfung von nur einzelnen Vorgängen etwaige Verstöße nicht aufdecken könnte, so ist der Unternehmer zu anderen geeigneten Aufsichtsmaßnahmen verpflichtet. In solchen Fällen kann es geboten sein, überraschend umfassendere Geschäftsprüfungen durchzuführen. Welchen Umfang Prüfungen im konkreten Fall haben müssen, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab. Gesteigerte Aufsichtsmaßnahmen sind jedenfalls dann erforderlich, wenn es im Betrieb bereits zu Unregelmäßigkeiten gekommen oder wenn damit wegen besonderer Umstände zu rechnen ist und ebenso wenn wichtige Vorschriften oder schwierige Rechtsfragen in Rede stehen.

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

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LG Karlsruhe hält im Fall Pamela Reif unbezahlte Posts für kennzeichnungspflichtig – Urteil steht in grundlegendem Widerspruch zum Urteil des KG Berlin vom 8.1.2019 (Az. 5 U 83/18)

LEGAL+ NEWS

 Das LG Karlsruhe (Urteil vom 21.3.2019, Az. 13 O 38/18 KfH) hält im Fall Pamela Reif unbezahlte Posts für kennzeichnungspflichtig – Urteil steht in grundlegendem Widerspruch zum Urteil des KG Berlin vom 8.1.2019 (Az. 5 U 83/18)

Das vom Verband sozialer Wettbewerb (VSW) initiierte Chaos rund um die Influencer-Szene geht weiter. Das Landgericht Karslruhe hält im Fall Pamela Reif auch unbezahlte Posts für grundsätzlich kennzeichnungspflichtig. Damit hat sich das LG Karslruhe in einen grundlegenden Widerspruch zum erst im Januar ergangenen Urteil des KG Berlin im Fall Vreni Frost gesetzt, das erfreulicherweise eine differenzierte Auffassung vertritt.

Influencers vlogging from home

Das Urteil des LG Karlsruhe (Az. 13 O 38/18 KfH)

Mit Urteil vom 21.3.2019 hat das LG Karlsruhe (Az. 13 O 38/18 KfH) entschieden (vgl. Pressemitteilung des LG Karlsruhe), dass von Influencern – hier: Pamela Reif – auch unbezahlte Posts dann als Werbung zu kennzeichnen sind, wenn im Ergebnis mit diesen Posts auch die eigene geschäftliche Aktivität als Influencerin gefördert werden soll.

In der Pressemitteilung heißt es:

„Das Gericht sieht in dem Vorgehen der Beklagten einen Wettbewerbsverstoß. Die Posts der Beklagten wecken das Interesse an den getragenen Kleidungsstücken etc. Indem die Nutzer durch nur zwei Klicks auf die Herstellerseite gelangen können, werden Image und Absatz des jeweiligen Herstellers gefördert. Dass die Beklagte durch das Taggen nach eigener Darstellung vorrangig Nachfragen der Follower („Woher hast du dein Kleid?“) vermeiden möchte, steht dem zugleich verfolgten geschäftlichen Zweck nicht entgegen.
(…)
Es ist das Wesen der Influencer-Werbung, dass der Influencer immer zugleich an seinem Image und seiner Authentizität arbeitet, wozu er die passenden Marken und Artikel bewirbt, und den Kreis seiner Follower „pflegt“, die seine Glaubwürdigkeit schätzen und Teil der Community „ihres“ Influencers sein möchten. Insofern fördert die Beklagte durch ihre Posts stets auch ihre eigenen geschäftlichen Aktivitäten. Denn Unternehmen sind für ihre Werbung an möglichst glaubwürdigen Werbeträgern interessiert.

Eine Kennzeichnung als Werbung ist auch nicht entbehrlich. Keinesfalls wissen alle Follower den werblichen Charakter des Auftretens von Influencern einzuschätzen; dies gilt insbesondere für die teils sehr jungen Abonnenten der Beklagten.“

Widerspruch zum Berufungsurteil des KG Berlin („Vreni Frost“, Az. 5 U 83/18)

Das LG Karlsruhe setzt sich damit in klaren Widerspruch zum Urteil des Kammergericht Berlin vom 9.1.2019 (Vreni Frost-Urteil), welches die Dinge zugunsten der Influencer erfreulicherweise wieder ein Stück weit zurechtgerückt hatte:

Das Kammergericht hatte im hier interessierenden Punkt das erstinstanzliche Urteil gegen Vreni Frost aufgehoben und – meiner Meinung nach zutreffend – festgestellt, dass Post, die Kleidungstücke, Schuhe und Accessoires etc. zeigen, nicht generell als Werbung zu kennzeichnen sind. Das KG Berlin hat ausgeführt (Urteil vom 08. Januar 2019, Az. 5 U 83/18; Hervorhebungen durch den Autor):

„Es ist davon auszugehen, dass Internetauftritte wie der von der Antragsgegnerin betriebene Account unter “…” besucht werden, weil die Nutzer sich auch dafür interessieren, welche Kleidung, Schuhe und Accessoires die Bloggerin ausgewählt und miteinander kombiniert hat. Das Interesse der Besucher beschränkt sich nicht darauf, Bilder anzusehen. Naturgemäß geht es zumindest auch darum, Auswahl und Kombinationen nachzumachen oder Anregungen für die eigene Aufmachung zu finden. Die Mitteilung, unter welcher Marke die vorgestellten Produkte angeboten werden und wo sie bezogen werden können, beantwortet dann ein bestehendes Informationsbedürfnis.

Die Erklärung der Antragsgegnerin, sie tagge die abgebildeten Kleidungsstücke, Schuhe und Accessoires, um Anfragen der Besucher ihres Instagram-Auftritts zuvor zu kommen, erscheint daher plausibel. Die Antragsgegnerin hat zudem Beispiele für derartige Nachfragen vorgelegt (vgl. Anlage AG 21 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 23. Mai 2018).

Es gilt insoweit nichts anderes als für Modezeitschriften, die aus dem gleichen Grund entsprechende Angaben zu Herstellern und Bezugsquellen enthalten. Die von der Antragsgegnerin im Anlagenkonvolut BK 7 zu ihrem Schriftsatz vom 27. Dezember 2018 veranschaulichen dies deutlich. Dort werden neben abgebildeten Produkten nicht nur der Hersteller der Produkte genannt, sondern auch Internetadressen, über die die Produkte bezogen werden können.“

 Weiter hat das KG Berlin zutreffend festgestellt (Hervorhebungen durch den Autor):

„Das Bestreben eines Influencers, Werbeeinnahmen zu erzielen, rechtfertigt es nicht, ihn zu verpflichten, jede Äußerung mit einem Hinweis zu versehen, mit dem der Verkehr einen nachrangigen oder minderen Wert des Beitrags verbindet. Insoweit kann für einen Influencer nichts anderes gelten, als für andere Medienunternehmen, die sich durchweg zumindest auch über Werbeeinnahmen finanzieren und für Auftraggeber insbesondere dann attraktiv sind, wenn eine Vielzahl von Personen erreichen, ganz gleich, ob man diese nun als Leser, Zuschauer oder Follower bezeichnet.

Eine Differenzierung nach dem Gegenstand der redaktionellen Berichterstattung bzw. der Meinungsäußerung ist mit der Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit nicht vereinbar. Berichte über Modetrends sind nicht weniger schützenswert als Berichte über gesellschafts- und tagespolitische Themen.“

 Bewertung

Während  das KG Berlin erfreulicherweise von gerichtlicher Seite endlich einmal klargestellt hatte, dass Influencerinnen wie Vreni Frost, Pamela Reif u.a.  trotz des anderen Umfelds sachlich betrachtet nichts anderes machen als herkömmliche Modezeitschriften, hat das LG Karlsruhe – wie bereits andere Gerichte zuvor – genau diesen entscheidenden Punkt verkannt. Das LG Karlsruhe spricht Influencerinnen, die über Plattformen wie YouTube oder Instagram über Mode berichten, Rechte ab, die herkömmlichen Verlagen, die in Zeitschriften  inhaltsgleich zu den hier in Rede stehenden Influencerinnen vornehmlich über Mode berichten, seit jeher zugebilligt werden. Die Sicht des LG Karlsruhe  wird umso unverständlicher, wenn man bedenkt, dass es Influencer als Botschafter für Marken seit jeher gegeben hat, und diese von den klassischen Printmedien schon seit langer Zeit eingesetzt werden. Zu denken ist beispielsweise an das Magazin „Barbara“, welches auf der Influencerin Barbara Schöneberger basiert. Frau Schöneberger macht in „Barbara“ letztlich nichts anderes, als Pamela Reif auf Instagram.

Fazit/Ausblick

Es bleibt zu hoffen, dass der BGH in seinem bald zu erwartenden Urteil die Rechtsprechung des KG Berlin höchstrichterlich fortschreibt.

Es macht aus meiner Sicht schier sprachlos, dass eine Vielzahl deutscher Gerichte ganz offensichtlich nicht in der Lage ist, die über das Internet möglich gewordenen Medientypen zutreffend einzuordnen (vgl. dazu den Artikel im „Handelsblatt“ vom 15./16./17.3.2019). Folge dieses Unvermögens ist derzeit eine rechtliche Diskriminierung der sog. Influencer.

 

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

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Beförderungsbedingungen Brief: Zur Haftung der Post bei Verlust eines Einschreibens

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Beförderungsbedingungen Brief: Zur Haftung der Post bei Verlust eines Einschreibens

 

Die Frage der Haftung für Einschreibesendungen der Deutschen Post gewinnt immer mehr an Bedeutung, da in der Lebenswirklichkeit in der Welt von amazonm ebay & Co. Waren zunehmend als z.B. eingeschriebenen Maxibriefsendung verschickt werden. Dann nämlich kommt die Frage praktische Bedeutung, ob und ggf. in welcher Höhe eine Haftung der Post in Betracht kommt. Hiermit befasst sich der nachfolgende Beitrag.

Das Problem

Gewöhnliche Briefsendungen enthalten in aller Regel lediglich Gedankenerklärungen ohne materiellen Wert. Der Haftungsfrage im Verlustfall kommt daher keine praktische Bedeutung zu. Anders ist dies bei Einschreibebriefen, die in der heutigen wirtschaftlichen Realität immer häufiger auch zum Versand von Warensendungen benutzt werden. Bedenkt man, dass für Einschreiben ein zusätzliches Entgelt erhoben wird und Übernahme und Ablieferung – wie bei Paketen auch – in persönlicher Form stattfinden, drängt sich die Frage geradezu auf, ob hier nicht die auch für sonstige Warensendungen (z.B. Pakete) geltenden Haftungsgrundsätze zumindest entsprechend gelten müssen. In 2006 hatten sich in kurzer Abfolge das Amtsgericht Bonn am 29.03.2006 und der BGH am 14.06.2006 mit dieser Fragestellung zu befassen. Von praktischer Relevanz ist insbesondere, ob die Post bei Einschreibebriefen eine sog. Einlassungsobliegenheit trifft; d.h. die Pflicht sich zu den Umständen des Verlustes zu erklären. Der BGH hat im erwähnten Urteil eine „Post-freundliche“ und zugleich zweifelhafte Position eingenommen. Das Amtsgericht Bonn ist – zu Recht, wie der Verfasser im Folgenden erläutern wird – einen anderen Weg gegangen.

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Was sagt das Gesetz?

Der Gesetzgeber hat die Post hinsichtlich der Beförderung von „Briefen und briefähnlichen Sendungen“ haftungsrechtlich privilegiert. Zum Ausdruck kommt dies in § 449 HGB und wird in dessen Gesetzesbegründung erläutert: 

449 HGB:

(1) Soweit der Frachtvertrag nicht die Beförderung von Briefen oder briefähnlichen Sendungen zum Gegenstand hat, kann von den Haftungsvorschriften in § 413 Absatz 2, den §§ 414, 418 Absatz 6, § 422 Absatz 3, den §§ 425 bis 438, 445 Absatz 3 und § 446 Absatz 2 nur durch Vereinbarung abgewichen werden, die im Einzelnen ausgehandelt wird, auch wenn sie für eine Mehrzahl von gleichartigen Verträgen zwischen denselben Vertragsparteien getroffen wird. Der Frachtführer kann sich jedoch auf eine Bestimmung im Ladeschein, die von den in Satz 1 genannten Vorschriften zu Lasten des aus dem Ladeschein Berechtigten abweicht, nicht gegenüber einem im Ladeschein benannten Empfänger, an den der Ladeschein begeben wurde, sowie gegenüber einem Dritten, dem der Ladeschein übertragen wurde, berufen.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann die vom Frachtführer zu leistende Entschädigung wegen Verlust oder Beschädigung des Gutes auch durch vorformulierte Vertragsbedingungen auf einen anderen als den in § 431 Absatz 1 und 2 vorgesehenen Betrag begrenzt werden, wenn dieser Betrag

1.zwischen 2 und 40 Rechnungseinheiten liegt und der Verwender der vorformulierten Vertragsbedingungen seinen Vertragspartner in geeigneter Weise darauf hinweist, dass diese einen anderen als den gesetzlich vorgesehenen Betrag vorsehen, oder
2.für den Verwender der vorformulierten Vertragsbedingungen ungünstiger ist als der in § 431 Absatz 1 und 2 vorgesehene Betrag.

Ferner kann abweichend von Absatz 1 durch vorformulierte Vertragsbedingungen die vom Absender nach § 414 zu leistende Entschädigung der Höhe nach beschränkt werden.

(3) Ist der Absender ein Verbraucher, so kann in keinem Fall zu seinem Nachteil von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Vorschriften abgewichen werden, es sei denn, der Frachtvertrag hat die Beförderung von Briefen oder briefähnlichen Sendungen zum Gegenstand.

(4) Unterliegt der Frachtvertrag ausländischem Recht, so sind die Absätze 1 bis 3 gleichwohl anzuwenden, wenn nach dem Vertrag sowohl der Ort der Übernahme als auch der Ort der Ablieferung des Gutes im Inland liegen.

Auszug aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 13/8445):

„Die in dem vorliegenden Entwurf vorgesehenen Haftungsregeln werden den Besonderheiten des postalischen Massenverkehrs in vielen Fällen nicht gerecht: die Mehrzahl der zu befördernden Briefsendungen und ein Teil der briefähnlichen Sendungen (etwa Päckchen) wird ohne direkten Kundenkontakt über Briefkästen eingeliefert. Der Absender ist oft nicht bekannt. Güterwert und Haftungsrisiko sind bei diesen Produkten kaum abschätzbar. Hier muß es dem Beförderer möglich bleiben, die Haftung – und nicht bloß die Haftungshöhe – durch allgemeine Geschäftsbedingungen zu modifizieren.“

Die Fragestellung

Gilt die Haftungsprivilegierung nach § 449 HGB für „Briefe und briefähnliche Sendungen“ auch für Einschreiben?

„Nein“ muss die Antwort lauten, wenn man die Begründung zum Regierungsentwurf zum TRG (BT-Drucksache 13/8445, s.o.) liest. Denn der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass entscheidendes Abgrenzungskriterium von Briefen und briefähnlichen Sendungen gegenüber sonstigem Transportgut der gänzlich fehlende Kundenkontakt (Anonymität) sein soll. Aus dieser Anonymität folge nämlich, dass für die Post Güterwert und Haftungsrisiko schlicht nicht abschätzbar seien.

Der vorgenannte gesetzgeberische Wille lässt m.E. nur den Schluss zu, dass es sich bei einem Einschreiben nicht um einen Brief oder eine briefähnliche Sendung i.S.d. § 449 HGB handelt (ebenso z.B: Koller, Kommentar zum Transportrecht, 5.A., § 449, Rn. 30; Grimme in Transportrecht 2004, 161).

Bedeutung kommt letzterem weniger deshalb zu, weil die Post anderenfalls über § 449 Abs. 2 HGB die Möglichkeit hätte, für Einschreiben ihr Haftung selbst für die Fälle eines qualifizierten Verschuldens über ihre AGB auszuschließen oder jedenfalls zu begrenzen. Denn die Post  hat – für manch einen sicherlich überraschend – in ihren AGB ausdrücklich die Haftung für qualifiziertes Verschulden übernommen.  So lautet Ziffer 6 Abs. 1 Allgemeinen Geschäftsbedingungen „Brief National“:

„Die Deutsche Post haftet für Schäden, die auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen sind, die sie, einer ihrer Leute oder ein sonstiger Erfüllungsgehilfe (§ 428 HGB) vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat, ohne Rücksicht auf die nachfolgenden Haftungsbeschränkungen.“

Die vielmehr interessante Frage, die sich auch der BGH und das Amtsgericht Bonn in ihren nachfolgend erläuterten Entscheidungen zu stellen hatten, ist daher, ob die Post im Falle eines Einschreibens eine sog. Einlassungsobliegenheit treffen kann:
Im allgemeinen Frachtrecht ist anerkannt, dass in Fällen, in denen der zu vermutende Bereich des Schadenseintritts dem Einblick des Absenders entzogen ist, den Frachtführer eine prozessuale Aufklärungspflicht trifft; dies vor allem dann, wenn der Schadenshergang völlig im Dunkeln liegt (vgl. Koller, Transportrechtskommentar, 5. Auflage, § 435, Rn. 21).

Wird diese Einlassungsobliegenheit nicht erfüllt, wird zu Lasten des Frachtführers vermutet, dass ihn ein qualifiziertes Verschulden mit der Folge einer unbegrenzten Haftung trifft.

BGH-Urteil vom 14.06.2006 (Az. I ZR 136/03), NJW-RR 2007, 96-98

Der BGH hat eine solche Einlassungsobliegenheit, die unstreitig für gewöhnliche Briefsendungen nicht gelten kann, nunmehr ganz ausdrücklich auch für Einschreibebriefe verneint. Aufgegriffen hat er zur Begründung die gesetzgeberisch gewollte Privilegierung für die Beförderung von Briefen. Der BGH hat ausgeführt:

„Bei der Briefbeförderung steht die Übermittlung der in dem Brief enthaltenen individuellen Gedankenerklärung im Vordergrund. Beim Versand von Paketen geht es um die Beförderung der verpackten werthaltigen Gegenstände. Dem Versender eines Briefes erwächst aus dessen Verlust im Allgemeinen kein materieller Schaden (vgl. BGHZ 149, 337, 349). Dementsprechend besteht bei Briefsendungen für Dritte im Allgemeinen auch kein Anreiz, sich den Inhalt der Sendungen anzueignen, um sich zu bereichern.

Dass die Sorgfalts- und Organisationsanforderungen im Bereich der Versendung von Briefen und briefähnlichen Sendungen geringer sind als bei der Paketbeförderung, steht im Einklang mit der Systematik des Gesetzes, das in § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB für Briefe und briefähnliche Sendungen weitergehende Haftungsbeschränkungen als bei anderen Sendungen ermöglicht.“

Vorstehende Feststellung, die für gewöhnliche Briefe ohnehin als unstreitig bezeichnet werden kann, hat der BGH nun auf Einschreiben übertragen. Zur Begründung hat er ausgeführt:

„Der Einschreibebrief unterscheidet sich nur insoweit von einer gewöhnlichen Sendung, als die Einlieferung und der Zugang der Sendung dokumentiert werden. Auch er unterliegt den am wirtschaftlich Vertretbaren orientierten Regeln des massenhaften Brieftransports zu günstigen Preisen. Der Einschreibebrief ist nicht zum Versand von wertvollen Waren bestimmt. Auf einen Einschreibebrief treffen die Besonderheiten des postalischen Massenverkehrs – schnelle und kostengünstige Übermittlung zu jedem Haushalt in Deutschland – ebenso zu wie auf gewöhnliche Briefe und briefähnliche Sendungen.“

Die Schwachstellen des BGH-Urteils

Die Argumentation des BGH überzeugt nicht.

Im Einklang mit dem gesetzgeberischen Willen steht zunächst die zutreffende Feststellung des BGH, dass Einschreiben begrifflich nicht „Briefe oder briefähnliche Sendungen“ darstellen. Seine Begründung, warum sie solchen gleichzustellen seien, verfängt jedoch nicht.

Der BGH ignoriert, dass der Gesetzgeber die Haftungs-Privilegierung von Briefen ganz entscheidend auch auf die Anonymität des Briefversands (vgl. oben die Gesetzesbegründung, II. 2.) gestützt hat. Diese Anonymität fehlt bei Einschreiben jedoch.

Ferner überzeugt auch sein Argument nicht, dass „die Besonderheiten des postalischen Massenverkehrs – schnelle und kostengünstige Übermittlung zu jedem Haushalt in Deutschland-“ bei Einschreiben genauso zuträfen wie bei gewöhnlichen Briefen.

Zunächst gilt, dass Einschreiben nur einen Bruchteil des Briefpostvolumens der Post ausmachen. Das Entgelt, das die Post für Einschreiben einfordert, macht zudem oft ein Vielfaches des Portos eines Normalbriefes aus. Vor diesem Hintergrund können Einschreiben nicht als Teil des „Massengeschäftes“ angesehen werden, dessen Bewältigung – angeblich – nur unter gänzlichem Verzicht von Schnittstellenkontrollen möglich sei.

Im Übrigen sieht die wirtschaftliche Realität so aus, dass „die Besonderheiten des postalischen Massenverkehrs“ bei Massenpaketdiensten (DHL, UPS etc.) heute ebenso zutreffen. Nicht selten liegen die Pakettarife der Massenpaketdienstleister kaum über den Tarifen der Post für eingeschriebene Großbriefe. Trotzdem müssen auch die Massenpaketdienstleister mit ihrer Haftung leben; insbesondere bei Verlusten in der Lage sein, sich zu den Verlustumständen einzulassen, wenn sie einer Haftung entgehen wollen.

Schließlich verschließt der BGH die Augen vor der wirtschaftlichen Realität, wenn er ausführt: „Der Einschreibebrief ist nicht zum Versand von wertvollen Waren bestimmt.“

Es ist bereits bei normaler Briefpost äußerst fraglich, ob davon ausgegangen werden kann, dass der Absender in aller Regel kein Wertinteresse hat mit der Folge, dass er im Verlustfalle auch kein Interesse an der Wiedererlangung seiner Sendung haben wird. Vor allem bei „Maxibriefen“ wird eher das Gegenteil die Regel sein. Kaum ein Maxibrief wird nämlich lediglich „Gedankenerklärungen“ enthalten. Außerdem ist auch zu bedenken, dass heutzutage reine Gedankenerklärungen zunehmend auf elektronischem Wege (vor allem per Email) ihre Empfänger erreichen, so dass auch bei normalen Briefen (bis 20 g) fraglich sein dürfte, ob sie immer lediglich Gedankenerklärungen enthalten.

Jedenfalls aber im Falle eines Einschreibens kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Empfänger kein Wertinteresse an der per Einschreiben übergebenen Sendung hat. Der Fall, dass es dem Absender bei einem Einschreiben lediglich auf eine Empfangsbestätigung ankommt, dürfte nämlich allenfalls einen Bruchteil aller Einschreiben ausmachen. Viel häufiger hingegen dürfte der Fall sein, dass ein Einschreiben als „kleines Paket“, also zum Versand kleiner Warensendungen genutzt wird.

Contra BGH:      Urteil des Amtsgericht Bonn vom 29.03.2006 (Az. 9 C 549/05), n.v.)

Das Amtsgericht Bonn hat – mit Blick auf Vorstehendes ganz zu Recht – für ein in Verlust geratenes Einschreiben – genauer: dessen Inhalt – eine Einlassungsobliegenheit angenommen. Da sich die Post nicht zu entlasten vermochte, haftete sie unbeschränkt. Die Post hat bedauerlicherweise zu verhindert gewusst, dass das Amtsgericht sein Urteil mit Entscheidungsgründen versieht, indem sie den in Streit stehenden Anspruch noch rechtzeitig anerkannt hatte. Dies ist für den Verfasser, der an dem Verfahren auf Seiten des Anspruchstellers beteiligt war, jedoch kein Hindernis, die zutreffenden Beweggründe des Amtsgericht im Folgenden darzustellen:

Der Sachverhalt der Entscheidung stellt sich in Kürze wie folgt dar:

Der Post wurde ein Autoschlüssel mittels Einschreiben zur Beförderung übergeben, das beim Empfänger jedoch nie ankam. Eine Schadensanzeige führte dazu, dass die Post den leeren, aufgerissenen Umschlag des Einschreibens an den Absender zurückgab, im übrigen aber jede Haftung über EUR 20,– hinaus mit der Begründung ablehnte, eine höhere Haftung sei gemäß ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften des Handelsgesetzbuch stünden, nicht vorgesehen.

Die Post hat sich im Prozess nicht dazu eingelassen bzw. nicht dazu einlassen können, wie es dazu kommen konnte, dass der Inhalt der Sendung verloren ging. Infolgedessen hat das Amtsgericht entscheiden müssen, ob es die streitgegenständliche Sendung dem Haftungsprivileg des § 449 HGB unterwirft oder nicht.

Im Einklang mit der vom BGH vertretenen Auffassung war das Hauptargument der Post gegen eine Einlassungspflicht wie folgt:
Bei der Briefbeförderung handele es sich um ein Massengeschäft, dessen gesetzliche Anforderungen nach der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV), insbesondere an die Beförderungsdauer, die Post gar nicht erfüllen könne, wenn sie verpflichtet wäre, Schnittstellenkontrollen durchzuführen. Wenn nun aber die Post nicht gehalten sei, Schnittstellenkontrollen durchzuführen, könne von ihr zwangsläufig auch nicht abverlangt werden, im Verlustfalle die Umstände des Verlustes darzulegen.

Das Amtsgericht Bonn hat sich erfreulicherweise gegen die mächtige postfreundliche Rechtsprechung des BGH, der sich den erläuterten Argumenten (vgl. oben V.) zugunsten der Post verschlossen hat, gestemmt, und im oben beschriebenen Fall von der Post verlangt, die Umstände des Verlustes darzulegen:
Der Umschlag des Einschreiben war in einem Umschlagzentrum in aufgerissener Form aufgefunden worden. Das Amtsgericht hat nun zu Recht gefordert, dass sich die Post dazu erklären muss und hat der Post damit die beschriebene Einlassungsobliegenheit aufgebürdet. Die Post kam dem nicht nach. Die Konsequenz erahnend, hat die Post daraufhin den Anspruch anerkannt.

Fazit

Der Post steht es frei, in ihren Beförderungsbedingungen für Einschreiben ausdrücklich einen Beförderungsausschluss für Warensendungen zu vereinbaren. Solange die Post dies aber nicht getan hat, überzeugt die Argumentation des BGH mit Blick auf die wirtschaftliche Realität nicht. Die BGH-Rechtsprechung kann sich dem Eindruck nicht entziehen, hier den Belangen der Post als ehemaliges Staatsunternehmen allzu zugeneigt gewesen zu sein. Die erstinstanzlichen Gerichte (wie das Amtsgericht Bonn) scheinen demgegenüber ungefangener zu agieren.

Festzuhalten bleibt, dass es heutzutage kaum noch zu rechtfertigen ist, Einschreiben und gewöhnliche Briefsendungen haftungsrechtlich gleich zu behandeln. Insbesondere verfängt es nicht, auf die Besonderheiten des postalischen Massenverkehrs abzustellen. Letztere gelten heute längst auch bei Massenpakettransporten, die zu großbriefähnlichen Konditionen in Tagesfrist abgewickelt werden und dennoch keiner Haftungsprivilegierung unterliegen.

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Die Leistungspflicht der Privaten Krankenversicherung (PKV) – Wann und wofür muss die PKV zahlen?

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Die Leistungspflicht der Privaten Krankenversicherung (PKV) – Wann und wofür muss die PKV zahlen?

Die Leistungspflichten der privaten Krankenversicherer ergeben sich im Wesentlichen aus dem im Einzelfall gewählten Tarif und den dazugehörigen Tarifbedingungen, die dem jeweiligen Vertrag beigefügt sind. In dem einzelnen Vertrag können verschiedenste Leistungen vereinbart werden. Allerdings ergeben sich die üblichen Leistungen der privaten Krankenversicherer aus § 192 VVG in Verbindung mit den Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK). Es ist darauf hinzuweisen, dass die MB/KK Vertragsgegenstand geworden sein müssen. In aller Regel findet sich in den Verträgen aber ein Verweis auf die MB/KK, da diese von den privaten Krankenversicherern selbst aufgestellt worden sind.

Nach § 192 Abs. 1 VVG in Verbindung mit den MB/KK werden die Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen erstattet. Die Schwangerschaft und die Entbindung sind keine Krankheiten, sondern ein Zustand der Gesundheit. Aus diesem Grund wird die Verpflichtung des Krankenversicherers zur Übernahme der Kosten für die Vorsorgeuntersuchung, die Entbindung, etc. in § 192 Abs. 1 VVG und § 1 Abs. 2 Satz 4a MB/KK extra benannt.

Die Voraussetzungen der Leistungspflicht des Versicherers sind gem. § 192 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 MB/KK:

  • entstandene Aufwendungen
  • das Bestehen einer Krankheit oder Unfallfolgen
  • die Durchführung einer Heilbehandlung
  • die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist dabei anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Es kommt nicht auf die subjektive Vorstellung des Versicherungsnehmers an (BGH VersR 1987, 278, 279; OLG Hamm VersR 1997, 1342).

Nicht zu erstatten sind von vornherein Kosten, die in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Leistung stehen (Übermaßvergütung, § 192 Abs. 2 VVG). Zur Feststellung eines Missverhältnisses sind die Werte von Leistung und Gegenleistung anhand objektiver Kriterien miteinander zu vergleichen.

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Aufwendungen

Der Leistungsanspruch gegen den Versicherer setzt voraus, dass dem Versicherungsnehmer Aufwendung entstanden sind. Es bedarf eines wirksamen und fälligen Vergütungsanspruchs des Behandlers oder sonstigen Leistungserbringers gegen den Versicherten (BGH NJW 2003, 1596). Ein wirksamer Vergütungsanspruch und damit eine entsprechende Leistungspflicht entstehen nur bei Beachtung der gebührenrechtlichen Bestimmungen der GOÄ und GOZ. Der Versicherer ist grundsätzlich nur nachleistungspflichtig. Dies gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer nachweisbar nicht in der Lage ist, anfallende Behandlungskosten zu tragen und deshalb eine ärztlich dringend angeratene Behandlung nicht durchführen lassen könnte (OLG Hamm VersR 2006, 826).

Krankheit oder Unfallfolgen

Zweck des Krankenversicherungsvertrages ist es grundsätzlich nur die Kosten für die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer Krankheit, dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses, abzudecken. Dies macht es erforderlich, den Begriff der Krankheit von nur subjektiv empfundenen Beeinträchtigungen abzugrenzen.

Die Rechtsprechung definiert den Krankheitsbegriff im Sinne des § 1 Abs. 2 MB/KK als anomalen Körper- oder Geisteszustand, der eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (BGH VersR 1987, 278 f.; OLG Karlsruhe NJW 1986, 1552).

Die Rechtsprechung hat eine Krankheit in folgenden Fällen bejaht, wobei hier nur ein kleiner Auszug dargestellt werden soll:

  • -Alkoholismus (OLG Hamm VersR 1986, 865)
  • -Eileiterschwangerschaft (OLG Stuttgart VersR 1991, 646)
  • -Fettleber und erhöhte Harnstoffkonzentration (LG und OLG Hamburg VersR 1981, 1049).

Keine Krankheit wurde dagegen in folgenden Fällen angenommen:

  • Einfache, altersbedingte Fehlsichtigkeit. Eine solche entspricht dem natürlichen Alterungsprozess (LG Mannheim VersR 2008, 1200 f.)
  • -sackartige Hautfalten im Augenbereich (LG Köln VersR 1983, 388)
  • -Minderwuchs bei einem 5- bzw. 6-jährigen Jungen (OLG Hamm VersR 1986, 865)

Statt Krankheit kann dem Versicherungsfall als Gefahrereignis auch ein Unfall zugrunde liegen. Die PKV schließt insoweit eine Unfallversicherung mit ein (BGH VersR 1976, 851 f.). Der Versicherungsfall beginnt – ebenso wie der Versicherungsfall wegen Krankheit – nicht schon mit dem Unfallereignis, sondern erst mit der Heilbehandlung. Der Versicherungsfall setzt voraus, dass ein Unfallereignis eingetreten ist und dass die medizinisch notwendige Heilbehandlung sich auf Folgen erstreckt, die ursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind.

Der Unfallbegriff ergibt sich aus der Legaldefinition in § 178 Abs. 2 VVG. Demnach liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet.

Dem Umfang nach ist die Leistungspflicht der PKV bei Unfällen gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK auf die medizinisch notwendige Heilbehandlung der Unfallfolgen beschränkt.

Heilbehandlung

Nach der wiederkehrenden Formel des BGH ist Heilbehandlung jede ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist und die auf eine Heilung oder Linderung einer Krankheit abzielt (BGH VersR 1996, 1224 ff.; VersR 1978, 271, 272).

Linderung bedeutet dabei nicht nur die unmittelbare Besserung eines krankhaften Zustands. Von der Linderung einer Krankheit durch ärztliche Tätigkeit ist vielmehr auch dann zu sprechen, wenn diese die Abschwächung, eine partielle oder völlige Unterbindung oder die Beseitigung von Krankheitsfolgen bezweckt (BGH VersR 1996, 1224 ff.; OLG Köln VersR 1990, 612, 613).

An einer Heilung oder Linderung fehlt es, wenn die Behandlung ausschließlich anderen Zwecken dient. Beispiele hierfür sind die Sterilisation zum Zwecke der Begrenzung der Familienplanung oder Schönheitsoperationen.

Leistungen, die nicht in direktem Zusammenhang zur ärztlichen Tätigkeit stehen, gehören ebenfalls nicht zu den versicherten Kosten der Heilbehandlung. In diesem Sinn hat die Rechtsprechung zum Beispiel einen Erstattungsanspruch für angefallene Fahr- und Hotelkosten bei Behandlung in einer auswärtigen Klinik verneint (LG Freiburg VersR 1986, 570, 571).

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK ist Gegenstand des Versicherungsschutzes die Heilbehandlung einer Krankheit der versicherten Person. In wenigen Ausnahmefällen können dazu auch Maßnahmen gehören, die an anderen Personen vorgenommen werden. Dies ist der Fall, wenn die Behandlung der versicherten Person zwangsläufig den Eingriff bei Dritten erfordert, wie beispielsweise bei einer Transplantation (LG Oldenburg r+s 1990, 317).

Medizinische Notwendigkeit

Die medizinische Notwendigkeit gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK ist in der Praxis die relevanteste Voraussetzung hinsichtlich der Kostenübernahme durch die private Krankenversicherung. Für die Bewertung, ob eine medizinische Notwendigkeit vorliegt, hat die Rechtsprechung über Jahrzehnte hinweg folgende, nunmehr als gefestigt anzusehende Beurteilungsformel entwickelt:

Eine Heilbehandlung ist medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Vertretbar ist die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung, wenn sie sowohl in begründeter und nachvollziehbarer wie fundierter Vorgehensweise das zugrunde liegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate, geeignete Therapie anwendet (BGH VersR 2003, 581, 584; 1979, 221 ff.; OLG Köln VersR 1995, 1177).

Steht diese Eignung nach medizinischen Erkenntnissen fest, besteht grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers (BGH NJW 1996, 3074, 3075). Eine stationäre Behandlung ist nur dann medizinisch notwendig, wenn der angestrebte Behandlungserfolg in der Prognose durch ambulante Maßnahmen nicht in gleichem Maße erzielt werden kann (OLG Zweibrücken VersR 2007, 1505; OLG Koblenz VersR 2008, 339).

Die Bezugnahme auf „wissenschaftliche Erkenntnisse“ meint dabei nicht, dass bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Heilbehandlung nur solche Erkenntnisse berücksichtigt werden dürften, die in der medizinischen Wissenschaft – also im Bereich von Forschung und Lehre an wissenschaftlichen Hochschulen und Universitäten – eine Absicherung erfahren haben. Vielmehr können auch solche medizinischen Erkenntnisse berücksichtigt werden, die sich im Bereich der sog. alternativen Medizin ergeben haben oder sich als das Ergebnis der Anwendung von sogenannten „Außenseitermethoden“ darstellen (BGH NJW 1996, 3074, 3075; § 4 VI MB/KK). Erforderlich sind aber auch hier eine auf medizinischen Erkenntnissen beruhende Wirkungsweise und eine erfolgreiche Bewährung der Methode in der Praxis (BGH NJW 1996, 3074; NJW 2003, 294; OLG Köln VersR 2004, 631).

Zur Bestimmung des Versicherungsfalles wird ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger, Maßstab angelegt (BGH NJW 1996, 3074, 3075; NJW 2005, 3783, 3784). Es kommt deshalb weder auf die Auffassung des Versicherungsnehmers noch allein auf die des behandelnden Arztes an (BGH NJW 1996, 3074, 3075). Dass diesem die Therapie sinnvoll, nützlich oder vertretbar erscheint, genügt deshalb nicht (OLG Köln r + s 1993, 314; LG Berlin r+s 1994, 71). Die medizinische Notwendigkeit einer Behandlungsmaßnahme kann im Streitfalle grds. nur mittels eines Sachverständigengutachtens beurteilt werden (BGH NJW 1979, 1250; OLG Koblenz VersR 2010, 204).

Beachtlich ist, dass die Leistungspflicht nicht auf die kostengünstigste von mehreren medizinisch gleichwertigen Behandlungen beschränkt ist (BGH NJW 2003, 1596, 1599 f., gegen die zuvor ganz herrschende Auffassung)!

Beweislast

Auch im privaten Versicherungsrecht gilt der allgemeine Grundsatz, nach dem derjenige, der von seinem Vertragspartner eine Leistung beansprucht, die Voraussetzungen des vermeintlichen Anspruches nachweisen muss. Da die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung nach § 1 Abs. 2 Satz MB/KK zentrale Leistungsvoraussetzung ist, ist sie nach ständiger Rechtsprechung vom Versicherungsnehmer zu beweisen. Zweifel gehen zu seinen Lasten (BGH VersR 1996, 1224 ff.; 1991, 987; OLG Frankfurt/M. VersR 1981, 451 f.). Eine Beweisführung prima facie scheidet aus (KG r+s 2000, 120, 122).

Hat der Versicherer die medizinische Notwendigkeit einer konkreten Maßnahme geprüft und seine Leistungspflicht teilweise anerkannt, ist der Eintritt des Versicherungsfalles dem Grunde nach unstrittig. § 5 Abs. 2 Satz 1 MB/KK räumt dem Versicherer in diesem Fall jedoch ausdrücklich das Recht ein, seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen, wenn die Heilbehandlung das medizinisch notwendige Maß übersteigt.

Da es sich insoweit um eine Regelung handelt, aus der der Versicherer eine ihm günstige Rechtsfolge ableitet, hat dieser nunmehr zu beweisen, dass das Ausmaß der Maßnahme medizinisch nicht mehr erforderlich ist (BGH VersR 1991, 987; OLG Düsseldorf r+s 2000, 429 f.).

BGH-Aktuell: Korrektur einer Fehlsichtigkeit durch LASIK-OP kann notwendig sein (BGH-Urteil vom v. 29. 3. 2017 – IV ZR 533/15)

Mit sehr praxisrelevanten Urteil vom 29. 3. 2017 (Az. V ZR 533/15) hat der BGH zurecht festgestellt, dass die PKV im Falle einer OP-mäßigen Korrektur einer Fehlsichtigkeit nicht einfach auf die Möglichkeit des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen verweisen kann. Denn (so zutreffend der BGH):

Das Tragen einer Sehhilfe stellt in Bezug auf die Fehlsichtigkeit der Kl. keine Heilbehandlung dar!

Nachfolgend ein paar wesentliche Auszüge aus dem Urteil:

„(…) Die Leistungspflicht (…) hängt deshalb davon ab, ob die durchgeführte Operation eine medizinisch notwendige Heilbehandlung darstellte. Dazu hat das BG – von seinem Standpunkt konsequent – keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

Heilbehandlung – hier die ambulante Operation beider Augen – ist dabei jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her auf Heilung, Besserung oder Linderung der Krankheit abzielt. Darauf, ob die Durchführung dieser Therapie geeignet war, diese Ziele auch zu erreichen, kommt es für das Vorliegen einer Heilbehandlung im Sinne der Klausel nicht an. Dieser Frage kommt Bedeutung vielmehr erst bei der Prüfung zu, ob die Heilbehandlung als medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 AVB anzusehen ist; dafür ist ein objektiver Maßstab anzulegen (Senatsurt. v. 10. 7. 1996 – IV ZR 133/95, BGHZ 133, 208 = r+s 1996, 457 unter II 2).

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann die medizinische Notwendigkeit der Operation dabei nicht bereits mit Hinweis auf die Üblichkeit des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen verneint werden.

Das Tragen einer Sehhilfe stellt in Bezug auf die Fehlsichtigkeit der Kl. keine Heilbehandlung dar. Brillen und Kontaktlinsen sind lediglich Hilfsmittel, mit denen körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden. Mit der Sehhilfe wird demnach – für den Einsatz von Hilfsmitteln kennzeichnend – unmittelbar eine Ersatzfunktion für ein krankes Organ wahrgenommen, ohne dessen Funktionsfähigkeit wieder herzustellen (vgl. Senatsurt. v. 17. 12. 1986 – BGH Aktenzeichen IVAZR7885 IVa ZR 78/85, BGHZ 99, BGHZ Band 99 Seite 228 = r+s 1987, RUNDS Jahr 1987 Seite 80 unter II 5 und v. 19. 5. 2004 – BGH Aktenzeichen IVZR17603 IV ZR 176/03, NJW-RR 2005, NJW-RR Jahr 2005 Seite 260 juris Rn. 21).

Der durchschnittliche VN kann aus § 1 Abs. 2 Satz 1 AVB nicht ersehen, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung grundsätzlich davon abhängen soll, ob er (dauerhaft) auf ein Hilfsmittel zurückgreifen kann, das den bei ihm bestehenden anormalen Körperzustand auszugleichen oder abzuschwächen geeignet ist, ohne am eigentlichen Leiden etwas zu ändern. Für eine solche generelle Subsidiarität der Heilbehandlung gegenüber dem Hilfsmittel geben die VersBedingungen nichts her. Ihnen ist auch sonst nicht zu entnehmen, dass außer der medizinischen Notwendigkeit andere (finanzielle) Aspekte bei der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Heilbehandlung eine Rolle spielen sollen. Denn § 1 Abs. 2 Satz 1 AVB stellt ausdrücklich auf die „medizinisch notwendige“ Heilbehandlung ab, wobei sich „medizinisch“ gerade auf „notwendig“ bezieht. Dieser sprachliche Zusammenhang macht bei verständiger Lektüre deutlich, dass die Notwendigkeit der Heilbehandlung allein aus (rein) medizinischer Sicht zu beurteilen ist und andere Gesichtspunkte dabei keine Rolle spielen. (…)

Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung im Sinne der vorstehenden Ausführungen wird daher dann auszugehen sein, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken (…).“

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Umfang des Versicherungsschutzes

Das konkrete Leistungsversprechen ergibt sich gem. § 1 Abs. 3 MB/KK aus dem Versicherungsschein, den in ihm enthaltenen oder späteren schriftlichen Vereinbarungen und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Letztere beinhalten die MB/KK des Verbandes, die unternehmenseigenen Tarifbedingungen und den Tarif selbst.

Dabei können die Tarifbedingungen von den MB/KK – die nicht verbindlich sind – auch inhaltlich abweichen. Beispiele für die Vereinbarung zusätzlicher Leistungen sind die Erstattung der Kosten für einen Aufenthalt im Hospiz oder die Möglichkeit einer Inanspruchnahme auch von Psychotherapeuten.

Der Umfang des Versicherungsschutzes kann auch einzelvertraglich weiter begrenzt werden. Da der private Krankenversicherer zur Annahme eines Versicherungsantrages grundsätzlich nicht verpflichtet ist, steht es ihm frei, den Vertrag zu besonderen Bedingungen wie der Vereinbarung eines Leistungsausschlusses oder eines Risikozuschlages abzuschließen. § 203 Abs. 1 Satz 2 VVG räumt ihm dieses Recht unter Hinweis auf ein bei Vertragsabschluss ggf. erhöhtes Risiko ausdrücklich ein.

Ist wegen des erhöhten Risikos eine höhere Prämie vereinbart, kann der VN nach § 41 VVG verlangen, dass die Prämie angemessen herabgesetzt wird, wenn der gefahrerhöhende Umstand nach Antragsstellung oder nach Vertragsschluss entfallen ist.

Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich im Einzelnen auch aus § 4 MB/KK.

Im Folgenden werden die Einzelheiten dargestellt:

  • § 4 Abs. 2 MB/KK.

    4 Abs. 2 MB/KK gewährt dem Versicherten das Recht auf freie Arztwahl, mithin auf die Inanspruchnahme jedes niedergelassenen und approbierten Arztes und Zahnarztes sowie – wenn nicht tariflich ausgeschlossen – jedes Heilpraktikers nach dem Heilpraktikergesetz. § 4 Abs. 2 MB/KK betrifft ausschließlich die ambulante Heilbehandlung.

    Besonderheiten, etwa das Erfordernis einer vorherigen Zusage, sehen die Tarifbedingungen typischerweise für die Inanspruchnahme einer psychotherapeutischen Behandlung vor. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Abgrenzung zwischen behandlungsbedürftiger Störung mit Krankheitswert und bloßer Lebenshilfe häufig nicht leicht zu treffen ist.

  • § 4 Abs. 3 MB/KK.

    Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel müssen von einem Behandler im Sinne des § 4 Abs. 2 MB/KK verordnet werden. Arzneimittel sind über eine Apotheke zu beziehen, was auch Versandapotheken einschließt, sofern diese die üblichen deutschen Qualitätsstandards einhält. Arzneimittel sind alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (BGH NJW 2006, 2630, 2634). Heilmittel sind typischerweise physikalisch-medizinische Leistungen, die von einem Masseur oder medizinischen Bademeister ausgeführt werden sowie von einem Logopäden durchgeführte Stimm- und Sprechübungsbehandlungen. Hilfsmittel sind Bandagen, Brillen, Gehstützen, Hörgeräte etc.

  • § 4 Abs. 4 MB/KK.

    Für eine stationäre Behandlung hat der Versicherte die Wahl zwischen öffentlichen und privaten Krankenhäusern, einschließlich Privatkliniken. Die notwendige ärztliche Leitung bezieht sich auf den Behandlungsbereich des Krankenhauses und erfordert eine Leitung, Führung und Überwachung durch medizinisch weisungsfreie Ärzte. Ferner bedarf es einer hinreichenden sachlichen und personellen Infrastruktur. Die Abgrenzung muss deshalb normativ erfolgen: Hindert die Behandlung den Versicherten an der Entfaltung seiner üblichen Lebensgewohnheiten in einer der vollstationären Aufnahme vergleichbaren Weise, handelt es sich um eine § 4 Abs. 4 MB/KK unterfallende teilstationäre Behandlung (LG Köln VersR 2002, 1137).

  • § 4 Abs. 5 MB/KK.

    Reine Kur- und Sanatoriumsbehandlungen sind von der Leistungspflicht generell ausgenommen (§ 5 I lit. d) MB/KK, zu den übrigen Ausschlüssen der Leistungspflicht gem. § 5 MB/KK, vgl. unten). Jedoch verschwimmen die Grenzen zwischen Sanatorium und Krankenhaus zunehmend, wenn in einem Haus sowohl klinische (§ 4 Abs. 4 MB/KK) als auch Kur- und Sanatoriumsbehandlungen stattfinden können. In der Praxis hat sich dafür der Begriff der „gemischten Anstalt“ etabliert. Die Erstattungsfähigkeit bedingt hier neben der Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 MB/KK die vorherige Leistungszusage des Versicherers (§ 4 Abs. 5 MB/KK). Die Klausel ist AGB-rechtlich unbedenklich (BGH NJW 2003, 598, 599).

  • § 4 Abs. 6 MB/KK.

    Während von der Schulmedizin überwiegend anerkannte Methoden ohne weiteres erstattungsfähig sind, setzt die Leistungspflicht für Methoden der alternativen Medizin voraus, dass sich diese in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben oder keine schulmedizinische Therapie zur Verfügung steht (§ 1 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 MB/KK). In diesem Falle kann der Versicherer den zu erstattenden Betrag auf das Niveau einer schulmedizinischen Methode herabsetzen (Halbsatz 2). Unklar ist insoweit die anzuwendende Vergleichstherapie, wenn eine solche – wie in Variante 2 – gerade nicht zur Verfügung steht. Nicht erstattungsfähig sollen bspw. die Kosten für bioelektrische Funktionsdiagnostik, Decoder-Dermographie und Eichothermtherapie (OLG Saarbrücken VersR 2002, 1015), Elektroakupunktur nach Voll (OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 245) und Bioresonanztherapie (OLG Koblenz VersR 2002, 1367; OLG Saarbrücken VersR 2002, 1015) sein, erstattungsfähig dagegen die für Hämatogene Oxidationstherapie (OLG Saarbrücken VersR 2002, 1015), Akupunktur und Behandlung mit Thymus- und Ney-Präparaten (OLG Stuttgart NVersZ 2007, 974).

Ausschluss der Leistungspflicht

Die dargestellte Leistungspflicht kann in einigen Fällen gemäß § 5 MB/KK ausgeschlossen sein. So werden etwa Verletzungen durch Kriegsereignisse (§ 5 Abs. 1 lit. a)) und durch vorsätzlich herbeigeführte Versicherungsfälle (§ 5 Abs. 1 lit. b)) von der Leistungspflicht ausgenommen. Auch kann der Leistungserbringer, im Regelfall der Arzt, von der Erstattung ausgeschlossen werden, wenn sein Fehlverhalten bei der Abrechnung von Leistungen wiederholt Anlass zu berechtigten Beanstandungen des Versicherers gegeben hat (§ 5 Abs. 1 lit c); OLG München NJW-RR 1999, 1706; OLG Köln VersR 1996, 490). Denkbar sind hier insbesondere Fälle des Abrechnungsbetruges.

Allerdings sind auch Entziehungskuren, die darauf abzielen, den Patienten von einer Bindung an Drogen, Alkohol, Nikotin oder andere Suchtmittel zu lösen, von der Erstattungspflicht ausgenommen (§ 5 Abs. 1 lit d); BGH VersR 1988, 573, OLG Hamm r+s 1999, 84). Nicht unter diesen Ausschluss fallen Krankheiten, die aus der Abhängigkeit von den Suchtmitteln resultieren, beispielsweise Leberschäden. In der Praxis hat dieser Ausschluss insbesondere im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch erhebliche Bedeutung. In einigen Tarifbedingungen einzelner Krankenversicherer ist eine Leistungspflicht für Entziehungskuren daher enthalten. Nicht unter diesen Ausschluss fallen Krankheiten, die aus der Abhängigkeit von den Suchtmitteln resultieren, beispielsweise Leberschäden. Zum Ausschluss von Kur- und Sanatorium siehe bereits oben.

Die Behandlung durch nahe Angehörige ist ebenfalls nicht erstattungsfähig (§ 5 Abs. 1 lit. g)). Dieser Klausel liegt die praktische Erfahrung zugrunde, dass die Wahrscheinlichkeit einer in Wirklichkeit unentgeltlichen, gegenüber dem Versicherer jedoch abgerechneten Behandlung umso größer ist, desto näher die Verwandtschaft ist (OLG München VersR 2000, 1406 ff.; LG Stuttgart r+s 1997, 169).

Ausgeschlossen sind schließlich Leistungen für eine durch Pflegebedürftigkeit bedingte Unterbringung. Davon ist auszugehen, wenn die dauerhafte Hilflosigkeit des Betroffenen für Verrichtungen des täglichen Lebens im Vordergrund steht, das heißt die Verbesserung oder Heilung der zugrunde liegenden Krankheit nicht (mehr) das Ziel ist (OLG Hamm NJW-RR 1995, 1498; KG r+s 2003, 292). Eintrittspflichtig ist hier die Pflegeversicherung.

Subsidiaritätsklausel

5 Abs. 3 MB/KK sieht eine Leistungsbegrenzung für den Fall vor, dass der Versicherungsnehmer außerhalb der Krankheitskostenversicherung auch einen anderweitigen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfall- (SGB VII) oder Rentenversicherung (SGB VI) bzw. gesetzlichen Heilfürsorge (insbes. für Soldaten, Polizeivollzugsbeamte, Angehörige der Berufsfeuerwehr) hat.

In diesem Fall ist die Leistungspflicht des Krankenversicherers auf Erstattung der Aufwendungen begrenzt, die trotz der genannten gesetzlichen Leistungen notwendig bleiben.

Die Leistungspflichten der privaten Krankenversicherer ergeben sich im Wesentlichen aus dem im Einzelfall gewählten Tarif und den dazugehörigen Tarifbedingungen, die dem jeweiligen Vertrag beigefügt sind. In dem einzelnen Vertrag können verschiedenste Leistungen vereinbart werden. Allerdings ergeben sich die üblichen Leistungen der privaten Krankenversicherer aus § 192 VVG in Verbindung mit den Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK). Es ist darauf hinzuweisen, dass die MB/KK Vertragsgegenstand geworden sein müssen. In aller Regel findet sich in den Verträgen aber ein Verweis auf die MB/KK, da diese von den privaten Krankenversicherern selbst aufgestellt worden sind.

Nach § 192 Abs. 1 VVG in Verbindung mit den MB/KK werden die Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen erstattet. Die Schwangerschaft und die Entbindung sind keine Krankheiten, sondern ein Zustand der Gesundheit. Aus diesem Grund wird die Verpflichtung des Krankenversicherers zur Übernahme der Kosten für die Vorsorgeuntersuchung, die Entbindung, etc. in § 192 Abs. 1 VVG und § 1 Abs. 2 Satz 4a MB/KK extra benannt.

Die Voraussetzungen der Leistungspflicht des Versicherers sind gem. § 192 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 MB/KK:

  • entstandene Aufwendungen
  • das Bestehen einer Krankheit oder Unfallfolgen
  • die Durchführung einer Heilbehandlung
  • die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist dabei anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Es kommt nicht auf die subjektive Vorstellung des Versicherungsnehmers an (BGH VersR 1987, 278, 279; OLG Hamm VersR 1997, 1342).

Nicht zu erstatten sind von vornherein Kosten, die in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Leistung stehen (Übermaßvergütung, § 192 Abs. 2 VVG). Zur Feststellung eines Missverhältnisses sind die Werte von Leistung und Gegenleistung anhand objektiver Kriterien miteinander zu vergleichen.

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

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Steuerberaterhaftung – Verjährung im Falle von Grundlagenbescheiden

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Steuerberaterhaftung - Verjährung im Falle von Grundlagenbescheiden

Wenn Steuerberater Fehler machen und Mandanten dadurch Schäden entstehen, ist die Frage, ob und inwieweit bereits eine Verjährung eingetreten ist,  rechtlich nicht ohne Schwierigkeiten zu beantworten. Dies gilt insbesondere im Falle sog Grundlagenbescheide:

Ansprüche des Mandanten aus einem steuerlichen Beratungsvertrag verjähren gemäß den §§ 194 ff. BGB. Die zu dem bis 15.12.2004 geltenden § 68 StBerG entwickelten Grundsätze, wann der Anspruch entstanden ist, sind hierbei weiterhin anwendbar.

Grundsätze zum Verjährungsbeginn

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs. Der Anspruch entsteht, sobald sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung des Beraters objektiv verschlechtert (BGH WM 2007, 801). Dieser Beginn der Verjährung war auch für § 68 StBerG maßgebend (BGH WM 2009, 1376, 1379). Insbesondere ist ein Schaden noch nicht eingetreten, solange nur das Risiko eines Vermögensnachteils besteht (BGH WM 2008, 611, 612, Rn. 10 a). Die Möglichkeit, auch auf Feststellung einer Pflicht zur Leistung künftigen Schadensersatz zu klagen, bestimmt den Zeitpunkt der Schadensentstehung nicht (BGH WM 2009, 1376, 1379). Allerdings hindert die Unkenntnis des Schadens und damit des Ersatzanspruches den Verjährungsbeginn nicht (BGH WM 1992, 1738).

Der relevante Zeitpunkt ist regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses eines negativen Steuerbescheides. Die Vermögenslage des Betroffenen verschlechtert sich infolge der steuerlichen Fehlberatung erst, wenn die Finanzbehörde mit Erlass des Steuerbescheids ihren Entscheidungsprozess abschließt und auf diese Weise den öffentlich-rechtlichen Steueranspruch konkretisiert (BGH Urt. v. 05.03.2009, Az.: IX ZR 172/05, BeckRS 2009, 10225).

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Rechtslage beim sog. Grundlagenbescheid

Im Falle negativer Grundlagenbescheide liegt regelmäßig zunächst ein negativer Steuerbescheid nicht vor. Aus diesem Grund tritt meines Erachtens ein materieller Schaden erst ein, wenn auf Basis des Grundlagenbescheids irgendwann ein negativer Steuerbescheid ergeht. Die BGH Rechtsprechung ist hier differenziert und weist Lücken auf:

Nach der Rechtsprechung des BGH beginnt die Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Mandanten gegen seinen Steuerberater, wie dargestellt,  mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids. Dieser Grundsatz gilt zunächst für Steuerbescheide, die zur Zahlung einer Steuer auffordern oder das Fehlen oder den Wegfall einer Steuervergünstigung anordnen.

Allerdings beginnt die Verjährung nach Ansicht des BGH auch dann mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids, wenn dieser noch keine Steuerfestsetzung enthält, sondern lediglich eine Besteuerungsgrundlage selbstständig festgestellt, welche für die nachfolgenden Steuerfestsetzung gem. § 182 AO bindend sind (BGH NJW-RR 2008, 1508, 1509; BGH NJW 1993, 2799; dahingehend auch OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 21.02.2006, Az.: 8 U 90/04, BeckRS 2011, 25589).

Sonderfall: Feststellung des Bestands eines sog. steuerlichen Einlagekontos

Unklar und vom BGH bisher nicht beantwortet ist die aufgeworfene Fragestellung für den Fall der Feststellung des Bestands eines sog. steuerlichen Einlagekontos.

Meiner Ansicht nach gelten die vorgenannten Grundsätze hier nicht, da die Entscheidungen eher Steuermessbescheide und Gewinnfeststellungsbescheide (vgl. etwa OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 21.02.2006, Az.: 8 U 90/04, BeckRS 2011, 25589),  behandeln. Aufgrund eines solchen Steuermessbetrages wird die Steuer mit einem Hebesatz festgesetzt und erhoben, der von den hebeberechtigten Gemeinden zu bestimmen ist. Der Steuermessbescheid hat daher bindende Wirkung für den Gewerbesteuerbescheid. Einwendungen gegen die Festsetzung können daher nur gegen den Messbescheid und nicht gegen den Gewerbesteuerbescheid geltend gemacht werden (BGH NJW-RR 2008, 1508, 1509). Der Schaden tritt dadurch ein, dass die Finanzbehörde mit dem Erlass des Steuerbescheides ihren hauptsächlichen Entscheidungsprozess zu Ungunsten des Steuerpflichtigen abschließt und den öffentlich-rechtlichen Steueranspruch konkretisiert, indem sie gem. § 218 AO die Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs schafft (BGH NJW-RR 2008, 1508, 1509; BGH NJW 1995, 2108). Es ist maßgeblich, wann das Feststellungs- und Beurteilungsrisiko des Steuerpflichtigen sich durch einen Verwaltungsakt der Finanzbehörde erstmals zu einem Schaden verdichtet hat. Allerdings sind gesonderte Feststellungen nach § 182 AO bindend. Die Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos stellt eine gesonderte Feststellung im Sinne des § 179 Abs. 1 AO dar (Frotscher in Schwarz AO, vor § 179, Rn. 17; Brandis in Tipke/Kunze AO/FGO, § 179, Tz. 2). Daher besteht die Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 AO grundsätzlich auch für diese Art von Feststellungsbescheiden.

Es erscheint also nicht völlig abwegig, dass die Feststellung eines Bestandes des steuerlichen Einlagekontos als Schadenseintritt vom BGH bewertet würde.

Fazit

Nicht nur für den beschriebenen Fall des Bestands betreffend sog. Grundlagenbescheide gilt, dass die Frage der Verjährung von Haftungsansprüchen gegenüber Steuerberatern stets komplex ist und einer eingehenden Prüfung bedarf.

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Der Verstoß gegen eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung kann schadensersatzpflichtig machen! – Zum Urteil des BGH vom 17.10.2019 (Az. III ZR 42/19)

Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, gerade wenn ihnen eine ausschließliche Geltung zukommen soll, haben in aller Regel nicht zuletzt den Zweck, die von der Vereinbarung begünstigte Partei vor oft sehr erheblichen Kosten eines Rechtsstreits in der Fremde zu schützen.

Leider ist es aber keine Seltenheit, dass der andere Vertragspartner im Streitfall von der Gerichtsstandsvereinbarung plötzlich nichts mehr wissen will. Hintergrund eines solchen an sich unredlichen Vorgehens ist – auf der Hand liegend – nicht zuletzt das Erpressungspotential, das sich mit einem solchen Vorgehen verbindet. Denn die sich – unter Verstoß gegen die Gerichtsstandsvereinbarung – einer ausländischen Klage ausgesetzt sehende Partei ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßig gezwungen, im Ausland über Anwälte tätig zu werden. Dies wiederum ist oftmals sehr teuer, wobei hierbei die USA das wohl prominenteste Beispiel darstellen.

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