Der Bundesgerichtshof stellt an das Vorliegen der Voraussetzungen einer Zurückweisung von Parteivortrag wegen Verspätung generell strenge Anforderungen.
In einem praxisrelevanten Fall hatte ein Berufungsgericht eine Beweisaufnahme durchgeführt und den Parteien anschließend, wie üblich, eine bestimmte Frist eingeräumt, um Stellung zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme zu nehmen. Innerhalb dieser Frist berief sich die beweisführende Partei auf einen bislang nicht benannten Zeugen. Das Berufungsgericht ließ diesen Beweisantrag fälschlicherweise unberücksichtigt und entschied zu Unrecht auf Verspätung, wie der BGH in seinem Beschluss vom 23. März 2021 (Az. II ZR 80/20) feststellte. Der Grund dafür liegt darin, dass die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme einem Schriftsatznachlass gleichkommt und dadurch der Abschluss der mündlichen Verhandlung nach hinten verlegt wird.
Der BGH hat ausgeführt:
(…)
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2020 – VII ZR 577/19, NJW-RR 2021, 58 Rn. 9 mwN).
Das Berufungsgericht durfte den Beweisantritt des Beklagten auf Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin nicht nach § 296a ZPO zurückweisen.
Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts hat der Beklagte den Beweisantrag nicht nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt. Das Berufungsgericht hat auch dem Beklagten die Möglichkeit eröffnet, zur Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, und hierfür eine Schriftsatzfrist eingeräumt, die der Beklagte gewahrt hat. Durch die Einräumung einer Schriftsatzfrist wird für die betroffene Partei der Schluss der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des zulässigen Erwiderungsvorbringens bis zum Ablauf der Frist verlängert (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2015 – II ZR 255/13, NJW-RR 2015, 893 Rn. 12).
Die Rechtzeitigkeit des Beweisantrags kann nicht deshalb in Frage gestellt werden, weil es sich um ein im Hinblick auf die Fristgewährung unzulässiges Vorbringen gehandelt hätte. Das Recht, zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, umfasst auch das Recht, neue Beweisanträge zu stellen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2013 – V ZR 147/12, NJW 2014, 550 Rn. 25 mwN).
Unerheblich sind die Erwägungen des Berufungsgerichts, der Beklagte sei gehalten gewesen, seinen Beweisantrag früher zu stellen. Für die Voraussetzungen des § 296a ZPO sind diese Ausführungen ohne Bedeutung. Inwieweit diese Umstände eine Zurückweisung des Beweisantritts aus anderen Präklusionsvorschriften rechtfertigen können (§ 531 Abs. 2, §§ 530, 296 Abs. 1, § 525 Satz 1 i.V.m. §§ 282, 296 Abs. 2 ZPO), bedarf hier keiner Entscheidung, weil dem Bundesgerichtshof als Rechtsmittelgericht versagt ist, die Zurückweisung auf eine andere als von der Vorinstanz angewandte Vorschriften zu stützen (BGH, Versäumnisurteil vom 22. Februar 2006 – IV ZR 56/05, NJW 2006, 1741 Rn. 12; Beschluss vom 21. März 2013 – VII ZR 58/12, NJW-RR 2013, 655 Rn. 11).
(…)
Dem Urteil ist zuzustimmen, da die Annahme einer Verspätung für die betroffenen Partei weitreichende Folgen hat. Vorliegend fand die Begründung des Berufungsgerichts für die angenommene Verspätung in der Zivilprozessordnung keine Stütze. Über andere Verspätungsgründe, die das Berufungsgericht nicht in Betracht gezogen hatte, war vom BGH nicht zu entscheiden.
In einem sehr praxisrelevanten Beschluss hat der BGH daran erinnert, dass Angriffs- und Verteidigungsmittel, die bereits vom Gericht erster Instanz unberücksichtigt geblieben sind, vom Berufungsgericht in vielen …
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