„Beweisführung“ allein durch Parteivortrag möglich! – Zum Beschluss des BGH vom 10.03.2021 – Az. XII ZR 54/20
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Wohl jedermann ist bekannt, dass die Beweisführung im Zivilprozess im Wesentlichen über Urkunden, Zeugen und Sachverständige erfolgt.
Demgegenüber sind Ausführungen der beteiligten Parteien (Parteivortrag) – so meint man weitläufig – „nur“ Sachvortrag, der erst noch durch Beweise unterlegt werden muss, wenn man mit seinem Vorbringen Erfolg haben möchte.
Mit Beschluss vom 10.03.2021 (Az. XII ZR 54/20) hat der BGH – wie selbstverständlich – darauf hingewiesen, dass allein der Parteivortrag der Klagepartei ausreichend sein kann, um darauf ein Urteil zu stützen!
Der BGH hat ausgeführt:
„Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass dem angefochtenen Urteil ein entscheidungserheblicher Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zugrunde liegt, weil es versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2019 – XII ZR 67/19 – NJW-RR 2020, 392 Rn. 8 mwN).“
„Das Oberlandesgericht hat sich bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit
der Klägerin tragend auch darauf gestützt, dass ihre Angaben zur im Hinblick auf
eine für 2016 gemeinsam beabsichtigte Eheschließung mit dem Erblasser unter-
lassenen dinglichen Absicherung der Zahlung nicht glaubhaft seien. Insoweit hat es sich anhand des Sachvortrags und der persönlichen Anhörung der Klägerin keine Überzeugung bilden können und den der Klägerin obliegenden Beweis damit als nicht geführt erachtet. Dabei hat es aber wesentliches Vorbringen der Klägerin übergangen.“„Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Pro-
zessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll
das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge.“
Vorzitierte Passagen des BGH-Beschlusses stellen zunächst allgemein den zivilprozessualen Stellenwert von Parteivortrag dar.
In nachfolgender Feststellung erinnert der BGH dann an einen grundlegenden, vielen unbekannten zivilprozessualen Grundsatz:
„Zwar musste das Landgericht den Zeugenbeweis nicht erheben, nachdem es seine Überzeugungsbildung bereits auf die Angaben der Klägerin allein gestützt hatte. Wollte jedoch das Oberlandesgericht abweichend davon den Beweis über die von der Klägerin aufgestellte Behauptung nicht bereits durch das Ergebnis ihrer persönlichen Anhörung als geführt ansehen, so musste es entweder die weiter angebotenen Zeugenbeweise zusätzlich erheben und würdigen oder wenn es den über die innere Tatsache der Eheschließungsabsicht angetretenen Zeugenbeweis als nicht hinreichend mit beweiszugänglichen Indiztatsachen unterlegt ansah – die Klägerin darauf hinweisen. Indem es dies unterlassen hat, hat es das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt.“
Hieraus folgt, dass ein Gericht sein Urteil allein auf Parteivortrag stützen kann! Lediglich dann, wenn es von diesem Parteivortrag abweichen möchte, ist (weiterer) Beweis zu erheben!
Meine Bewertung:
Als selbstverständlich hat der BGH diesen Grundsatz zutreffend deshalb benannt, weil sich ein Gericht seine Überzeugung nach der Zentralnorm des § 286 Abs. 1 S.1 ZPO frei bildet:
„Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.“
Hieraus folgt in der Tat selbstverständlich, dass das Gericht frei, das heißt ohne Notwendigkeit einer Beweisaufnahme, z.B. durch Einvernahme von Zeugen, seine Überzeugung hinsichtlich der Wahrheit bildet darf. Dementsprechend, ebenfalls selbstverständlich, darf das Gericht sein Urteil auch allein auf die Ausführungen einer Partei stützen.
AKTUELLE BEITRÄGE
Der Vorvertrag
In der Geschäftswelt sind laufend Entscheidungen zu treffen. Viele solcher Entscheidungen bestehen darin, sich in einem Projekt für einen bestimmten Partner entschieden zu haben, mit dem dann ein entsprechender Vertrag abzuschließen ist. Das häufige Problem ist dann: Es fehlt die Zeit bzw. auch einfach nur an bestimmten Klärungen tatsächlicher und/oder rechtlicher Art, den Vertrag „ adhoc“ schließen zu können. Dann kommt der Vorvertrag ins Spiel, durch den die Parteien sofort eine Bindung herbeiführen können, obwohl noch offene, klärungsbedürftige Punkte existieren.
Fertigstellungsgrad des Werkes
In den das Recht zur Verweigerung der Abnahme betreffenden Normen (§ 640 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 12 Abs. 3 VOB/B) heißt es, dass die Abnahme des Werkes wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigert werden darf. Es findet sich dort keinerlei Aussage zum erforderlichen Fertigstellungsgrad des Werkes als Abnahmevoraussetzung.
Gerade im regelmäßig sehr komplexen Anlagenbau ist aber die Frage, welchen Grad der Fertigstellung das Werk erreicht haben muss, damit es als abnahmereif angesehen werden kann, sehr bedeutsam.
Wesentlicher Mangel im Anlagenbau
Die Beantwortung der Frage, ob ein wesentlicher Mangel vorliegt, bereitet gerade im oft sehr komplexen Anlagenbau große Schwierigkeiten. Dabei stellt das Fehlen wesentlicher Mängel die entscheidende Voraussetzung für die Abnahme dar. Letztere hat erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung: So knüpft hieran regelmäßig der Beginn der Gewährleistungsfristen an. Zudem hängt von der Abnahme in aller Regel die Fälligkeit eines erheblichen Teils der vereinbarten Vergütung ab.
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